Hillmann: Wir hatten gerade eine Synodenta- gung, als der Krieg in der Ukraine ausbrach. Sofort bestand ein großes Bedürfnis, sich aus- zutauschen. Im Mai wollten wir dann eigentlich über die Zukunftsfragen der Kirche reden. Aber uns war deutlich geworden, dass es Zeit ist, inne- zuhalten. Wir haben dann den Raum eröffnet für die vielen Fragen, die sich im Rahmen des Krie- ges stellten, Fragen nach der Rechtfertigung des Waffeneinsatzes, Fragen der sozialen Folgen für unsere Gesellschaft. Dieses Innehalten hat den Menschen Halt gegeben in unsicherer Zeit. Wie erleben Sie die Menschen in dieser Zeit? Hillmann: Unsicher und teilweise verängstigt. Ich habe den Eindruck, dass sie bei uns genau das suchen, wofür unsere Kirche steht: Zuver- sicht, die Menschen aus ihrem Glauben schöp- fen und ausstrahlen. Kühnbaum-Schmidt: Unsicherheit lässt einige auch aggressiv werden. Ich vermute, dass nicht wenige derer, die als sogenannte Spaziergänger montags unterwegs sind, ihre Unsicherheit als Wut ausdrücken. Auch da wird es wichtig sein, dass die hinter Unsicherheit und Wut stehenden Fragen und Sorgen einen Raum bekommen, in dem sie besprochen werden können. Raum geben finde ich wichtig. Ich finde es auch wichtig, dass ‚Wir‘ zu sehen. Wie geht die Kirche damit um? Kühnbaum-Schmidt: Unterschiedliche Pers- pektiven zusammen zu führen, ist sozusagen ein Teil unserer evangelischen Identität. Dabei ist uns die Grundhaltung einer dialogischen und kooperierenden Kirche wichtig. Wir haben nicht allwissende Antworten. Aber wir wollen uns den gegenwärtigen Herausforderungen stellen, sie im Lichte der biblischen Botschaft betrachten und dabei Antwort-Möglichkeiten, Unterstützung, Trost und Zuversicht finden, die für viele hilfreich und unterstützend sind. jahresbericht.nordkirche.de Dinge verändern sich und Kirche tut es auch. Hillmann: Das unterscheidet eine Synode von einem Parlament. In einer Synode sind wir ge- meinsam auf dem Weg. Wir verkörpern die Viel- falt und Einheit unserer Kirche und finden auf ge- meinsamem Grund ein gemeinsames Ergebnis. Was die Kirche viel besser kann als ein Par- lament, ist Trost zu spenden. Wie groß ist der Hunger der Menschen nach Trost? Kühnbaum-Schmidt: Aus meiner Sicht ist der Hunger nach Trost momentan sehr groß. Aber manchmal versteckt er sich ein bisschen. Ich hatte schon angesprochen, dass es Menschen gibt, die statt ihrer Hoffnungslosigkeit und ihrer Sehnsucht und Suche nach Zuversicht lieber Ärger und Wut zeigen. Da braucht es Zeit und auch Ruhe im Gespräch miteinander, um an- sprechen zu können, was noch da ist. Vielleicht ist es das Gefühl, keine Perspektive zu haben oder nach etwas zu suchen, das Halt, Sicher- heit und Zuversicht gibt. Und vielleicht geht es auch darum, einmal aussprechen zu können: eigentlich suche ich Trost. Über Ängste, Unsi- cherheit und die Suche nach Trost kommt man 23