jahresbericht.nordkirche.de NORDKIRCHE JAHRESBERICHT 2023/24 jahresbericht.nordkirche.de Mit Informationen zur Rolle der Bischöf:innen und zur Konfi-Zeit 3

NORDKIRCHE JAHRESBERICHT 2023/24 jahresbericht.nordkirche.de

4 Editorial 6 Resilienz 8 Wandel – Krise – Notstand – Gerechtigkeit 10 Keine Politik-Talkshow, sondern ein Vertrauensraum 14 Seelsorge 16 Was macht uns Hoffnung? 18 Die Bischöf:innen in der Nordkirche 22 Landkarte Nordkirche 24 Kirchenasyl im Pfarrhaus 26 Sexualisierte Gewalt 28 Interview mit Katharina Seiler und Rainer Kluck 32 Serviceseite für Betroffene 34 Interview mit Ulrike Hillmann 36 Drei Fragen an Elsa Manuela Nicklas-Beck 38 Erfahrungsberichte 40 Sommerkirche Ein Besuch in Rehna 42 47 Serviceseite „Himmlische Herbergen“ 48 Dorfkirche mon amour 50 Kirche am Urlaubsort in St. Peter-Ording 52 Zahlen und Gremien 54 Organigramm der Nordkirche 56 Mitglieder der Kirchenleitung/Präsidium der Landessynode 58 Das Landeskirchenamt 60 Hauptbereiche der Nordkirche 62 Kirchenaustritte nach Altersgruppen 64 Bedeutung der Konfi-Zeit und KonfiCamps 70 Interview mit Prof. Lars Harden 72 Haushalt 2024 und Bilanz 2021 76 Ergebnisrechnung 2021 77 Kollekten 78 Impressum 3

jahresbericht.nordkirche.de Liebe Leserin, lieber Leser! „Prüft alles und behaltet das Gute!“ – Die Worte der Jahreslosung für 2025 sind eine Einladung zur Wachsamkeit und Offenheit. Sie ermutigen uns, neugierig auf die Welt zu blicken und die Zeichen der Zeit aufmerksam wahrzunehmen. Ob es um digitale Möglich- keiten für unsere Mitglieder und Unterstützer:innen geht oder um gesellschaftliche Ent- wicklungen und politische Themen – Christinnen und Christen sind aufgerufen, nach dem zu suchen, was im Sinne Gottes gut für uns Menschen und unser Zusammenleben ist. Die Worte der Jahreslosung mahnen auch zur Sorgfalt. Nicht alles ist gut, nicht jede Entwicklung förderlich. Es ist deshalb ebenso wichtig wie notwendig, genau hinzuschauen, damit Veränderungen dem Wohl möglichst vieler Menschen dienen – insbesondere dem Wohl derer, die oft übersehen werden. In Zeiten multipler gesellschaftlicher Krisen ist Resilienz gefragt. Wenn Unsicherheit, Sor- gen und Ängste viele Menschen bewegen, brauchen wir Räume und Orte, an denen wir gemeinsam nach dem suchen, was uns stärkt und was uns verbindet. Solche Vertrauens- räume für Gespräch und Versöhnung eröffnen wir als Kirche immer wieder – sie sind auch Räume, an denen in aller Unsicherheit Gewissheit und Zuversicht neu wachsen können. Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt und Intervention in konkreten Situationen des Missbrauchs bleiben in unserer Nordkirche Themen mit höchster Priorität. Wir arbeiten konsequent an einem Kulturwandel. Es ist ein enorm vielfältiges Phänomen, bei dem der Betrachtung des Einzelfalls große Bedeutung zukommt. In unserem Handeln und unseren Entscheidungen ist dabei für uns zentral, dass Betroffene, ihr Leid, ihre Erfahrungen und Perspektiven und das, was sie brauchen und für sinnvoll erachten, im Mittelpunkt stehen. Zu Beginn eines neuen Jahres tut es gut, sich an sonnige Tage zu erinnern. Lassen Sie sich einladen, mit uns auf die Sommerkirche zurückzublicken. Projekte wie die „Himmlischen Herbergen“ oder Kulturkirchen mit Marktcafés und Erzählfesten zeigen, wie vielfältig engagiert und lebendig unsere Gemeinden sind. In diesem Jahresbericht finden Sie auch Daten und Zahlen zu unserer Nordkirche – von der Mitgliederentwicklung über Taufen und Trauungen bis hin zu Finanzen und Leitungsstrukturen. In all unserem Tun orientieren wir uns an der Friedens- und Versöhnungsbotschaft Jesu Christi. Gerade in herausfordernden Zeiten gilt es, beharrlich zu bleiben im Engagement für Nächstenliebe und ein friedliches Zusammenleben. Deshalb: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Ihre Kristina Kühnbaum-Schmidt Landesbischöfin und Vorsitzende der Kirchenleitung e g n a L a s e r e h T : o t o F 5

jahresbericht.nordkirche.de jahresbericht.nordkirche.de 8 10 14 16 Wandel – Krise – Notstand – Gerechtigkeit Keine Politik-Talkshow, sondern ein Vertrauensraum Seelsorge Was macht uns Hoffnung? 7 7 Das Molenfeuer Travemünde ist ein kleiner Leuchtturm auf der Nordermole an der Mündung der Trave. In Lübeck-Travemünde tritt dreimal im Jahr die Landessynode der Nordkirche zusammen. e t a m r e f / k c o t s i : o t o F

Kernaufgabe als Kirche „Die Bewahrung der Schöpfung und das Ein- treten für Gerechtigkeit sind unsere Kernauf- gaben als Kirche“, sagen Meyer-Kahrs und Eder. Davon sind vor allem Menschen im glo- balen Süden, nachfolgende Generationen oder unsere Mitwelt betroff en, obwohl sie nicht die Hauptverursachenden sind. Das Konzept der Klimagerechtigkeit defi niert die Klimakri- se als eine Frage der Menschenrechte und der Gerechtigkeit und nicht allein als Umweltproblem. „Wir fassen den Begriff Klimagerechtigkeit als politi- sches Konzept auf“, erläutert Eder. „Die Klimakrise ist eine Frage der sozialen und his- torischen Ungerechtigkeiten. Beim Klimaschutz geht es um Menschenrechte und Verteilungs- gerechtigkeit!“ Veränderung als Institution Kirche ist größerer Hebel „Individuelles Handeln ist wichtig, um für ande- re Vorbild zu sein. Aber viel mehr müssen wir uns als Institution Kirche verändern. Das ist der größere Hebel“, resümiert Judith Meyer-Kahrs. Die Verabschiedung des Klimaschutzplans durch die Landessynode sei daher ein ent- scheidender Schritt gewesen. „Wir als Kirche müssen glaubwürdig sein und zeigen, dass und wie es anders geht. Ich wünsche mir Kir- che als echte Vorreiterin in der Gesellschaft! Dann können wir viel bewirken“, betont auch Ulrike Eder. Und: „Mittlerweile sind wir ein großes Klima-Netzwerk in unserer Kirche. Das stärkt und gibt uns Hoff nung.“ n www.nordkirche-weltbewegt.de/ position-beziehen/klimagerechtigkeit www.churchesforfuturehamburg.de jahresbericht.nordkirche.de Hier wächst MUT 2018 Gründung des ökumenischen Bündnisses „Churches for Future“, So- lidarisierung mit der „Fridays for Future“-Bewegung. 2018/19 Ulrike Eder (r.) ist eine der drei Vertrau- ensperso- nen der Volks- initiative „Tschüss Kohle“ in Hamburg. 2011 Das damalige Nord- elbische Missions- zentrum ist Grün- dungsmitglied der Klima-Kollekte, des kirchlichen Kom- pensationsfonds. www.klima- kollekte.de 2005 Gründung der Infostelle Klima- gerechtigkeit. 2023 Start des dreijähri- gen Projektes „Klimapartner- schaften“ zwischen Gemeinden in Tansania und der Nordkirche. 2015 Initiierung des 1. Pilgerweges zur Weltklimakonferenz (Flensburg → Paris), aus dem das Öku- menische Netzwerk Klimagerechtig- keit mit Eder und Meyer-Kahrs im bundesweiten Trä- gerkreis entsteht. 2009 -13 Klimakampagne in der Nordelbischen Kirche mit interak- tiver Ausstellung, Workshops und Bildungsangeboten. 2007 Das Ökume- newerk ist Gründungs- mitglied der Klima-Allianz Deutschland mit mittlerweile 150 Mitgliedsgruppen. Fotos: 2018: Churches for Future Hamburg; 2018/19: Claudia Ebeling; 2007: unsplash.com 9

jahresbericht.nordkirche.de jahresbericht.nordkirche.de n e z n e r o L s a m o h T : o t o F dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat er in den auf- wühlenden und von Verletzungen geprägten Wochen danach die Fäden des interreligiösen Trialogs zwischen Christentum, Judentum und Islam in seinem Kirchenkreis aufgenommen. „Als christliche Partnerin konnten wir einen ge- schützten Raum bieten und Brücken bauen, um abseits der Öffentlichkeit wieder Gespräche zu ermöglichen“, berichtet er. Sogar öffentliche Zeichen wurden möglich: Im Gottesdienst am Volkstrauertag haben Vertre- ter verschiedener Moscheen in Husum für den Frieden gebetet. Zum „Fest der Demokratie“ Ende Mai kamen jüdische, muslimische und Bahai-Vertreter:innen in einer interreligiösen Andacht auf dem Marktplatz zu Wort. „Solche Signale sind kostbar in dieser Zeit“, sagt Ma- gaard rückblickend. Religionen würden zu oft als Problem der derzeitigen Konflikte wahrge- nommen. „Wir müssen sichtbar machen, dass sie auch Teil der Lösung sein können.“ Friedemann Magaard ist Vorsitzender im Ausschuss für Frieden und Gerechtigkeit der II. Landessynode der Nordkirche. burg. Die Kirche sei schließlich eine wichtige zivilgesellschaftliche Akteurin, die sich für das solidarische Zusammenleben aller zu engagie- ren habe. Allerdings ist sie auch nur eine unter vielen: „Die Kirche hat kein Wächteramt mehr, Paternalismus geht nicht“, erläutert sie. Die Positionen müssten begründet und durch das eigene Handeln gedeckt sein, sonst werde die Kirche unglaubwürdig. Auch Felix Roleder, Juniorprofessor am Institut für Praktische Theologie der Universität Ham- burg, sieht es so: „Wenn die Kirche Volkskirche bleiben will, sollte sie politische Pluralität ab- bilden und mitgestalten.“ Roleder und Merle analysieren Haltungen und Einstellungen von Kirchenmitgliedern zu Kirche und Gesellschaft. Aufgabe von Kirche sei es Roleder zufolge, „Aushandlungsprozesse zu gestalten“, die Menschen zu bilden und so zu befähigen, sich eine eigene Meinung zu bilden und verantwort- lich zu handeln. i g n d y L e k e H / d i l i b - d p e : o t o F Dass die Kirche so ein Vertrauensraum sein kann, hat Friedemann Magaard erfahren: Nach Prof. Dr. Kristin Merle ist seit 2018 Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg und Universitätspredigerin. 11 11

jahresbericht.nordkirche.de jahresbericht.nordkirche.de Resilienz Unter dem Begriff Resilienz versteht man die Widerstandskraft von Systemen gegen- über Störungen. Ursprünglich kommt der Begriff aus der Physik und Materialkunde und bezeichnet die Eigenschaft hochelastischer Werkstoffe, nach jeder Druckein- wirkung wieder ihre ursprüngliche Form anzunehmen (z. B. Feder, Schwamm). In der Psychologie und Medizin wird darunter die Aufrechterhaltung oder Rückgewinnung der psychischen Widerstandsfähigkeit während oder nach stressvollen Lebensereignissen verstanden. Hier geht die Wissenschaft der Frage nach, wie Menschen auf Stresssitua- tionen reagieren, weshalb es Unterschiede gibt und welche Faktoren Resilienz positiv beeinflussen. In diesem Kontext spielt die Kirche eine bedeutende Rolle bei der Förderung von Resilienz durch Glauben und spirituelle Unterstützung. Wissenschaftliche Erkenntnis- se zeigen, dass religiöse Gemeinschaften und der Glaube individuelle und kollektive Resilienz stärken können. Religiöses Coping umfasst Strategien wie das Suchen nach spiritueller Unterstützung, das Nutzen von Glaubensüberzeugungen, um Hoffnung zu bewahren, und das Vertrauen auf göttliche Hilfe. Diese Strategien sind mit besserer psychischer Gesundheit und höherer Resilienz verbunden. Durch Rituale, Gebete und den Gemeinschaftssinn bietet die Kirche einen stabilen Rahmen, der in Krisenzeiten Halt gibt. Der Glaube an eine höhere Macht kann Hoffnung und Zuversicht vermitteln, was essenziell für die Bewältigung von Stress und Unsicherheit ist. Studien belegen, dass regelmäßige religiöse Praktiken und die Zugehörig- keit zu einer Glaubensgemeinschaft das psychische Wohlbefinden fördern und soziale Unterstützung bieten, die wiederum die Widerstandskraft erhöht. Somit trägt die Kirche nicht nur durch ihre sozialen Projekte und seelsorgerischen Dienste zur Resilienz bei, sondern auch durch die Vermittlung von Glaubensinhalten, die Zuversicht und innere Stärke in Krisen- zeiten fördern. Dr. Donya Gilan ist Psychologin an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und beschäftigt sich mit der psychologischen Anpassungsfähigkeit des Menschen. 13 13

i e r e V e n o m S i : o t o F MARTINA ZEPKE-LEMBCKE, Gefängnis-Seelsorgerin Rund ein Dutzend Gefängnis-Seelsorger:innen der Nordkirche begleiten Gefangene in der Untersu- chungshaft und in der regulären Haft. Sie führen Ein- zelgespräche und bieten Gruppenaktivitäten an. Auch die Kontaktaufnahme der Gefangenen zu Angehöri- gen unterstützen sie. Die Pastorin Martina Zepke-Lembcke arbeitet als Ge- fängnis-Seelsorgerin in der JVA Lübeck, Schleswig- Holsteins Hochsicherheitsgefängnis. Ihr Arbeitsplatz liegt hinter einer 1,5 Kilometer langen Mauer, gesichert mit Stacheldraht. Sie will mit den Gefangenen ins Ge- spräch kommen, statt sie zu isolieren. www.kirche-am-anderen-ort.de/ #Seelsorge DR. FRANK CONRADS, Landesfeuerwehrpastor Frank Conrads begleitet Kamerad:innen in belasten- den Einsätzen und danach. Insbesondere Einsätze mit Personenschaden können dazu führen, dass die Einsatzkräfte ihre Lebensgewissheit verlieren: Alles scheint in Rauch aufzugehen, alles scheint wegzu- schwimmen, nichts ist mehr sicher. Um das Gefühl, selbstwirksam und etwas wert zu sein, wiederherzu- stellen, gibt es in Feuerwehren seelsorgerische Unter- stützung von belasteten Kamerad:innen. h ü B n a i r o F l : o t o F Für mich heißt Seelsorge, Menschen zu befähigen, ihre evangelische Freiheit wahrzunehmen. Es ist nicht egal, ob es dich gibt oder nicht. Du bist nicht allein, und du wirst verstanden. Es gibt einen Weg aus dem Chaos, und es entsteht wieder so etwas wie eine Ordnung. Die Welt ist sinnvoll, sie spricht zu uns und sie antwortet, und das, was wir erleben, lässt sich erzählen. Dr. Frank Conrads jahresbericht.nordkirche.de Jeder Mensch kann schuldig werden, und jeder Mensch macht Fehler. Und auch dieser Mensch ist mehr als sein Fehler – ist mehr als seine Schuld. Und ihn eben auch so wahrzunehmen, dass er mehr ist als nur seine Tat, ist, glaube ich, etwas ganz Wichtiges. Martina Zepke-Lembcke Sieben Tipps, um das Chaos zurückzudrängen und Platz für das Leben zu schaff en: 1. Sich mehr bewegen als üblich 2. Genussmomente schaff en – Alkohol und Drogen meiden 3. Ruhe und Sicherheit fi nden 4. Ideen verwirklichen 5. In Kontakt mit anderen bleiben 6. Schöne Vorhaben planen 7. Hilfsangebote in Anspruch nehmen www.nordkirche.de/beratung- und-angebote/seelsorge www.kirche-am-anderen-ort.de 15

Wurzeln schlagen jahresbericht.nordkirche.de „Ich freue mich jeden Tag über die Pflanzen im Gewächshaus, so möchte ich auch in Deutschland Wurzeln schlagen. Meine Arbeit hier macht mir Hoffnung, bald mein eigenes Geld zu verdienen und eine Wohnung zu mieten. Ich hoffe, dass mir die Mitarbeiter von PlönWork noch lange weiterhelfen.“ Mohammad Haidari, zurzeit im Projekt PlönWork des Jugendaufbauwerks am Koppelsberg. Er ist 2020 aus dem Iran geflüchtet. e h c r i k d r o N e g n u J : o n e g g e H e n d a N i : o t o F www.jaw.koppelsberg.eu/berufliche-bildungs- massnahmen/ploenwork t o F Knüppel überwinden „Beim Pilgern lernen wir, dass wir auf unseren Wegen am Ende ankommen – auch wenn es unterwegs Komplikationen gibt, wir uns verlaufen oder irgendetwas uns Knüppel zwischen die Beine wirft. Das gibt mir Hoffnung auch für andere Lebensbereiche und auch für unser großes Ganzes: Da, wo es fraglich ist, ob wir etwas schaffen, sollen wir zuversichtlich weitergehen und darauf vertrauen, dass unser Weg uns ans Ziel führt.“ Frank Karpa, Pilgerpastor der Nordkirche www.nordkirche.de/dazugehoeren/ auf-reisen/pilgern Demokratie leben „In unsere Veranstaltungen kommen Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebensgeschichten und Brüchen. Bei uns treffen sie auf Menschen, die mit dem Herzen hören und die sie ermutigen, alte Pfade zu verlassen und neue Wege zu beschreiten. Das macht mir Hoffnung für unser Zusammenleben.“ Karl-Georg Ohse vom Projekt „Kirche stärkt Demokratie“ im Zentrum Kirchlicher Dienste in Schwerin www.kirche-demokratie.de/aktuelles_bilder/index.html t a v i r p : o t o F 17

r / n o r d p o o l e d i g oto: Tim R ie F „Mir geben die Begegnungen vor Ort Kraft, in Obdachlosenunterkünften, in sozialpsychiatrischen Einrichtungen, in einem Kirchenasyl in der Adventszeit oder bei dem Heiligabendgottesdienst in der JVA Kiel.“ Bischöfin Nora Steen Bischöfin werden und Übergänge gestalten Das für mich persönlich sicherlich bedeutends- te Ereignis des Jahres 2023 war die Entschei- dung der Landessynodalen, mich zur Bischöfin im Sprengel Schleswig und Holstein zu wählen. Das ist ein unglaublicher Vertrauensvorschuss, der mir hier von Ehren- und Hauptamtlichen aus unserer Kirche entgegengebracht worden ist. Die Vielfalt unserer Nordkirche – in den Sprengeln, in Stadt und Land, in Frömmigkeits- stilen – und die starke Position der Ehrenamt- lichen ist für mich die wesentliche Triebfeder, mich von Herzen und mit all meiner Kraft für unsere Kirche einzusetzen und Menschen für ihren wichtigen Dienst zu stärken. Klar sind wir als Kirche momentan in schwierigen Zeiten, das will ich gar nicht schönreden. Und es ist wichtig, dass wir mutig und beherzt Entscheidungen treffen, die uns gut für die Zukunft aufstellen. Auf der anderen Seite bin ich täglich dankbar für so viele lebendige Kirchengemeinden, für Dienste und Werke, die vor Ort und ganz konkret Zeugnis ablegen für die Botschaft Christi. www.nordkirche.de/ueber-uns/ die-bischoefin-und-bischoefe/ bischoefin-nora-steen Wir leben in einer Zeit der Übergänge. Viele in unserer Kirche enga- gierte Menschen werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Wie werden wir Jüngeren das kompensieren können? Wie wird kirchliches Leben vor Ort aussehen, wenn wir weniger Hauptamtliche sind? Ich wünsche mir, dass wir diese Übergänge ganz bewusst als ein Mitein- ander von Älteren und Jüngeren gestalten. Ein Beispiel dafür, wie das gut gelingen kann, habe ich selbst mit meinem Vorgänger, Altbischof Gothart Magaard, erleben dürfen. Auf einer gemeinsamen Pilgerwanderung über das Watt bis zur Hallig Langeneß und in vielen Gesprä- chen haben wir den Übergang ganz bewusst und in einem großen Vertrauensraum gestalten können. Dafür bin ich zutiefst dankbar. Ehrenämter-Auswahl ∙ Vorsitzende der Steuerungsgruppe Zukunftsprozess der Nordkirche ∙ Vorsitzende im Aufsichtsrat des Diako- nischen Werkes Schleswig-Holstein ∙ Schirmfrau des Vereins Verwaiste Eltern und trauernde Kinder SH e.V.

z e d n a e r n arcelo H to: M o F „Ich nehme erhebliche Spannungen im Blick auf gesellschaftliche und politische Themen wahr.“ Bischof Tilman Jeremias Tief empfundener Glaube und ausgehaltene Spannungen Als Bischof im ostdeutschen Teil der Nordkirche begegnen mir nahezu täglich Menschen, die in den überwiegend ländlich geprägten Gemeinden unseres Sprengels mit großer Selbstverständlich- keit und Ausdauer ehrenamtlich und hauptamt- lich die kirchliche Arbeit tragen und gestalten. Trotz aller Sorgen angesichts des Personalman- gels und größer werdender Strukturen engagie- ren sie sich vom Erhalt der zahlreichen Kirchen- gebäude über die Kirchenmusik bis hin zur kirchlichen Arbeit mit Geflüchteten. Ich erlebe dabei immer wieder eine erstaunliche Resilienz bei Kirchenältesten, Mitarbeitenden und Ehren- amtlichen, die mit fröhlichem Einsatz, enormer Kreativität und aus tief empfundenem Glauben heraus allen vermeintlichen Abgesängen auf die Kirche eindrucksvoll entgegenwirken. Gute Beispiele dafür: Der Ökumenische Kirchen- tag unter dem Motto „Vor dir eine Tür“ Anfang Juli in der deutsch-polnischen Grenzregion Pasewalk – nicht nur geografisch deutlich näher an Stettin als an Kiel oder Hamburg –, bei dem ich predigen durfte. Und die schiere Zahl an Sängerinnen und Sängern, die sich in Kirchenchören unserer Re- gion auf ihre Teilnahme beim Martin-Luther-King- Musical im März in Rostock vorbereitet haben. Unsere Kirche ist ein Abbild der Gesellschaft. Sie hat eine eminent wichtige Aufgabe darin, Menschen mit unterschiedlichsten Überzeu- gungen ins Gespräch zu bringen. Das haben wir im Januar auf der gut besuchten Veranstaltung „Kirche und Corona – was bleibt?“ versucht. Menschen, die mit gegensätzlichem Blick auf das Impfen, die Coronamaßnahmen und das Agieren der Kirche in dieser Zeit schauten, hörten einander zu. Diese Erfahrung, Spannungen aus- zuhalten und darüber Demokratie zu erfahren, gehört für mich zu den Sternstunden meiner Tätigkeit im letzten Jahr. https://www.nordkirche.de/ueber-uns/ die-bischoefin-und-bischoefe/ bischof-tilman-jeremias Ehrenämter-Auswahl ∙ Vorsitzender des Vereins „Arnold Bernhard e.V.“ zur Förderung der Synagoge Rostock ∙ Mitglied in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern ∙ Vorsitzender des Stiftungsvorstands der Bugenhagenstiftung

jahresbericht.nordkirche.de Die Nordkirche (Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland) ist eine der 20 Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Eine Landeskirche ist ein Zusammenschluss von Gemeinden auf einem bestimmten Territorium. Im Fall der Nordkirche liegt dieses in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg- Vorpommern sowie mit kleinen Gebieten in Brandenburg und Niedersachsen. Die Gemeinden der Nordkirche gehören jeweils zu einem von 13 Kirchenkreisen. Alle Kirchenkreise sind einem von drei Sprengeln zugeordnet: Schleswig und Holstein, Hamburg und Lübeck, Mecklenburg und Pommern. Es gibt jeweils eine Bischöfin oder einen Bischof im Sprengel mit Sitz in Schleswig, Hamburg und Greifswald. Die Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt hat ihren Sitz in Schwerin und eine weitere Predigtstätte in Lübeck. Die Verwaltung der Landeskirche findet im Landeskirchenamt in Kiel und in dessen Außenstelle in Schwerin statt. Die Nordschleswigsche Gemeinde ist aufgeteilt in die Pfarrbezirke Buhrkall, Gravenstein, Hoyer/Lügumkloster, Süderwilstrup und Tingleff. Sprengel Mecklenburg und Pommern Bischof Tilman Jeremias mit Sitz in Greifswald Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt mit Sitz in Schwerin und weiterer Predigtstätte in Lübeck Pommern Greifswald Mecklenburg Schwerin Brandenburg Zu den Kirchenkreisen Pommern und Mecklenburg gehören 5 bzw. 4 Kirchengemeinden mit Gebiet in Brandenburg. 23

n e s n h a N s a n o J : ) 3 ( s o t o F Rund 1600 Menschen wohnen in dem kleinen Ort Sandesneben zwischen Hamburg und Ratzeburg. Das Pfarrhaus steht neben der Kirche. 45 Kirchenasyle im „Hoffnungsgrund“ seit 2015 Nach Sanierungsarbeiten sind alle Räume in dem Haus seit diesem März wieder geöffnet: Neben Wohnräumen für drei Familien mit Bad und Küche gibt es eine gemeinsame Küche, ein Frauenzimmer und einen Raum, in dem derzeit an zwei Tagen in der Woche eine Vor- schulgruppe von einer Erzieherin geleitet wird. Der Anker sind die „Herbergseltern“ Gemeinsam mit den Geflüchteten leben im „Hoff- nungsgrund“ Lexa Harloff-Düring und Johannes Düring. Sie möchten, dass es den Menschen bei ihnen gut geht, das sei ihr Herzenswunsch. „Das ist doch auch gelebtes Gottvertrauen“, meint Lexa Harloff-Düring. Und Herbergsvater Johannes Düring ergänzt: „Hier können alle in Ruhe eine Perspektive für ihr aus den Fugen ge- ratenes Leben entwickeln.“ Ein großes Netzwerk an Ehrenamtlichen unterstützt außerdem die Arbeit rund um den „Hoffnungsgrund“. Sie ha- ben einen Verein gegründet und sammeln auch Spenden. So werden Deutschkurse, ein Café, Ausflüge oder Einladungen ermöglicht. „Ich möchte etwas zurückgeben“ Humi Noor lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Norddeutschland. Sie hat sich für ein Master-Stu- dium für nachhaltige Architektur an der HafenCity Universität in Hamburg beworben, um ihre bishe- jahresbericht.nordkirche.de Kirchenasyl In der Nordkirche werden 32 Kirchenasyle für 72 Perso- nen (47 Erwachsene und 25 Kinder) gewährt (Stand März 2024). Hauptherkunftsländer sind Afghanistan, Syrien, Irak und Iran. Ein Kirchenasyl wird direkt vor Ort vom Kir- chengemeinderat beschlossen. Mit dem Kirchenasyl wird Zeit gewonnen, um zu prüfen, ob es sich bei dem Asyl- antrag um einen besonderen Härtefall handelt. Meist geht es um sogenannte „Dublinfälle“, bei denen ein Asylan- trag bereits in einem anderen europäischen Land gestellt wurde, bei einer Rückkehr dorthin aber Repressalien oder Gewalt für die geflüchtete Person zu befürchten sind. Hier bedeutet der positive Ausgang eines Kirchenasyls, dass Deutschland für die Prüfung der Asylgründe zuständig wird. Um gemeinsam eine humanitäre Lösung umzuset- zen, wurde 2015 eine Verfahrensabsprache zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Kirchen getroffen. rigen Studien zu vertiefen. „Ich möchte mich für Menschenrechte und die Rechte und den Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt einsetzen“, erzählt sie. Bis dahin engagiert sie sich ehren- amtlich für geflüchtete Frauen: „Mir ist geholfen worden, nun möchte ich etwas zurückgeben.“ n www.nordkirche.de/nachrichten/ nachrichten-detail/nachricht/ landessynode-staerkt-kirchenasyl Lexa und Johannes Düring vom „Hoffnungsgrund“ in Sandesneben. Interview mit Dietlind Jochims, Flüchtlings- beauftragte der Nordkirche 25

jahresbericht.nordkirche.de jahresbericht.nordkirche.de 28 Interview mit Katharina Seiler und Rainer Kluck 32 Serviceseite für Betroffene 34 Interview mit Ulrike Hillmann 36 Drei Fragen an Elsa Manuela Nicklas-Beck 38 Erfahrungsberichte l l a a b a a h C / k c o t S i : o t o F 27 27 In der ForuM-Studie liegt der Anteil der männlichen Betroffenen mit 65% deutlich über dem Anteil der weiblichen Betroffenen mit 35%. Zum Zeitpunkt der ersten Tat waren die Betroffenen durchschnittlich 11-12 Jahre alt.

jahresbericht.nordkirche.de maßnahmen zu schärfen, zum anderen, weil die Kirche ihr Erleben annimmt und anerkennt. Wie werden die Betroffenen in die Arbeit eingebunden? Seiler: Sie sind in verschiedenen Gremien präsent, besonders im Beteiligungsforum der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland), wo alle kirchenpolitischen Entscheidungen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt nur dann gefasst werden, wenn eine Mehrheit der Be- troffenenvertretung und eine Mehrheit der kirchlich Beauftragten zustimmt. Auch in den sogenannten URAKs, den neun deutschland- weiten Unabhängigen Regionalen Aufarbei- tungskommissionen, werden Betroffene maß- geblich mitentscheiden. Die URAKs werden im Frühjahr 2025 starten. Auch in der Nordkirche bilden sich aktuell Betroffenenvertretungen, in denen die Betroffenen sich untereinander aus- tauschen und beispielsweise auch Vertreter:in- nen in die URAK entsenden. Herr Kluck, Sie haben 2022 die Erweiterung der Stabsstelle Prävention begleitet. Um gu- te Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, hat die Nordkirche Ziele formuliert. Kluck: Als weitläufige Landeskirche ist ein Ziel beispielsweise das einer konzertierten Prävention. Konzertiert bedeutet, die Maß- nahmen für Schutz sind auf vielen Ebenen abgestimmt. Die Basis ist der Rechtsrahmen durch das Präventionsgesetz von 2018. Die Stabsstelle entwickelt aus Theorie und Praxis, aus Erfahrung und Erkenntnis Standards. Die Umsetzung erfolgt gemeinsam mit und in der Fläche. Das ist wichtig, gerade weil die Fo- ruM-Studie feststellt, dass unübersichtliche Strukturen zu Verantwortungsdiffusion und eklatant unterschiedlichem Umgang führen. Die konzertierte Prävention achtet regionale Unterschiedlichkeit und wahrt zugleich die gemeinsamen Ziele. Die ForuM-Studie – Forschung zur Aufarbei- tung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland – ist Ende Januar 2024 erschienen. Die Studie er- mittelte 1259 Beschuldigte und 2225 betrof- fene Kinder und Jugendliche im Zeitraum von 1946 bis 2020. Seiler: Die Studie enthält ernst zu nehmende, harte Kritik, an der viele schwer tragen. Das Nar- rativ einer harmonischen, machtfreien, liberalen und durchweg sicheren Gemeinschaft ist an vie- len Stellen nicht nur durch die Gewalterfahrun- gen zerstört worden. Die Forschenden beschrei- ben darüber hinaus ein Ideal von Harmonie, das dazu führt, dass Konflikte und Probleme nicht ausgesprochen werden können. Oder eine Vor- stellung von Geschwisterlichkeit, die Augenhö- he und Nähe suggeriert, aber Machtverhältnisse verschleiern kann. Und natürlich treibt uns der beschriebene mangelhafte Umgang mit Betrof- fenen und deren Ausgrenzung um. Wo sie doch Teil der Kirche sind oder waren! In der Wahr- nehmung existieren häufig immer noch „wir“ und „die“. „Wir“ – das sind die Unversehrten, „die“ – das sind die Betroffenen. Die Täter:in- nen waren lange Zeit Teil des „Wir“. Eigentlich sollte die Wahrnehmung sein: Alle Betroffenen sind Teil meines persönlichen „Wir“. Mit der Stu- die haben wir ein hilfreiches Instrument an der Hand. Uns helfen vor allem die Ergebnisse wei- ter, die Ansatzpunkte für Veränderung zeigen – wie die Erkenntnisse zum Umgang mit Betrof- fenen und zu den gerade genannten evangeli- schen Risikofaktoren. An all dem müssen wir unsere Arbeit schärfen. Kluck: Uns haben weder die Zahlen überrascht noch die Aussage, dass die Dunkelziffer um ein Mehrfaches höher sein muss. Ich arbeite seit über 14 Jahren im Bereich Prävention und In- tervention für die Nordkirche und habe in ei- nem Kernteam von acht Mitarbeitenden im Lan- deskirchenamt und in der Stabsstelle für FAQ Prävention sexualisierter Gewalt 29

Was kann ich mir unter diffuser Nähe ohne Nachfragen vorstellen? Seiler: Diffus bedeutet konturlos, ohne kla- re Grenzen. Diese Diffusität nutzen Täter und Täterinnen aus. Sie bahnen Übergriffe an, in- dem sie Grenzen verschieben und die Wahr- nehmung der anderen verwirren. Darum muss es möglich sein, die persönlichen Grenzen zu besprechen und zu setzen. Ein Beispiel wäre eine Umarmung oder der Arm auf der Schul- ter: Was ist in Ordnung, was verletzt die Sphä- re der Privatheit? Spielt das Machtgefälle eine Rolle? Hier brauchen wir einen reflektierten Umgang. Wenn ich mir nicht sicher bin, welche Art der Nähe in Ordnung ist, kann ich nachfra- gen. Das wirkt in der Kultur der evangelischen Kirche eventuell erst etwas aufgesetzt. Aber die Frage: Darf ich dich in den Arm nehmen? ermöglicht eine eigene Reaktion. Es sollte zur Routine werden, die eigenen Bedürfnisse mit denen meines Gegenübers abzugleichen und dessen Grenzen zu akzeptieren. Ich wünsche mir, dass wir offen miteinander über Nähe und Distanz und über Aspekte von Sexualität spre- chen können, die im kirchlichen Miteinander vorkommen können – von Jugendfreizeit bis Seelsorgegespräch. Denn wir brauchen eine gemeinsame Sprache, Sprachfähigkeit und ein Bewusstsein dafür, dass sexualisierte Gewalt überall vorkommen kann. Und dass sie darum alle angeht, von der Großelterngeneration bis zu ganz jungen Menschen. Welches Ziel Ihrer Arbeit ist schon Realität geworden? Seiler: Prozesse, die in Gemeinden und Insti- tutionen vor Ort für Schutz sorgen sollen, kön- nen wir nicht allein oder zentral erreichen. Das ist eine Aufgabe für alle gemeinsam. Hier ist es Wirklichkeit, dass verantwortungsvolles Han- deln gegen sexualisierte Gewalt von Stabsstel- le und Präventions- und Meldebeauftragten in den Kirchenkreisen und Hauptbereichen in die jahresbericht.nordkirche.de Prävention Die Stabsstelle Prävention – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt – arbeitet weisungsfrei und ist die gesamtkirchliche Ansprech- und Beratungsstelle zum Thema sexualisierte Gewalt in der Nordkirche. Sie ist 2022 aus der 2013 gegründeten Koordinierungsstelle Prävention hervorgegangen, deren Aufgabe es war, grundlegende Schritte, Konzepte und Vorkehrungen zur Prävention und Aufarbeitung zu erarbeiten. Inzwischen gibt es in allen Kirchenkreisen, den Hauptbereichen und den Einrichtungen der Diakonie Präventions- und Meldebeauftragte. www.kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de Fläche getragen wird. Die Präventionsstellen in den Kirchenkreisen bilden eine feste Basis, in der Grundlage aus dem Vorwegabzug finan- ziert. Wir sind vernetzt: Seit Arbeitsbeginn in der Stabsstelle Anfang 2023 erlebe ich eine immer vertrautere und kooperationsfördernde Zusammenarbeit. Das hat für mich eine neue Qualität. Kluck: Wir haben uns in den vergangenen Jahren noch einmal entscheidend weiterentwi- ckelt. Das hat auch die Debatte auf der Tagung der Landessynode im Februar 2024 gezeigt: wie viel Raum das Thema sexualisierte Gewalt braucht und mit welcher Tiefe es von den Ver- antwortlichen diskutiert wird. Das ist alles kein Grund sich zurückzulehnen. Wir haben noch große Herausforderungen, für die noch Lösun- gen gefunden werden müssen. Seiler: Wir sind gefordert, einer großen Ver- antwortung gerecht zu werden. Das spüren wir tagtäglich in unserer Arbeit. n Interview: Christiane Kolb und Insa Gülzow 31

jahresbericht.nordkirche.de Anerkennungs- kommission der Nordkirche Sie existiert seit 2012. Aufgabe der sieben ehrenamtlichen Mitglieder ist es, Gespräche mit Betroffenen zu führen und individuelle Hilfeleistungen für Ratsuchende mit auf den Weg zu bringen. Die Anerkennungskommis- sion entscheidet auch über die Auszahlung von Unterstützungsleistungen. Mitglieder der Kommission sind beispielsweise die ehe- malige Richterin Ulrike Hillmann, die auch Präses der Landessynode der Nordkirche ist, oder der Kommunikationspsychologe Professor Friedemann Schulz von Thun. Wendepunkt e.V. ist eine beratende Einrichtung in Elmshorn, in der u.a. Trauma-Expert:innen arbeiten. Die Unabhängige Ansprechstelle (UNA) ist eine Sprechstunde dieser Einrichtung und wendet sich an Betroffene sexualisierter Gewalt in der Nordkirche. Betroffene können ihre Erleb- nisse schildern und ein weiteres Vorgehen besprechen. Im Rahmen von UNA werden keine Therapien angeboten. UNA wird von der Nordkirche finanziert, ist aber strukturell nicht mit der Nordkirche verbunden. Auf EKD- Ebene gibt es die Zentrale Anlaufstelle.help! bei Pfiffigunde Heilbronn e.V. Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen (URAKs) Sie werden von den Landeskirchen finan- ziert und sollen eine unabhängige, detail- lierte und regionsbezogene institutionelle Aufarbeitung ermöglichen. Die Nordkirche kooperiert mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), den Diakonischen Wer- ken Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklen- burg-Vorpommern und dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Ober- lausitz. Insgesamt nehmen neun Unabhän- gige Regionale Aufarbeitungskommissionen ab Frühjahr 2025 ihre Arbeit auf. Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (auch: Aufarbeitungskommission) unter- sucht seit 2016 Ausmaß, Art und Folgen der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugend- liche in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Sie ist organisatorisch bei der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, angesiedelt, diese wiede- rum beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Dem Amt der UBSKM gehört ein Betroffenenrat an. Betroffenenvertreter:innen Auf EKD-Ebene arbeiten acht Betroffenen- vertreter:innen gemeinsam mit kirchlichen Vertreter:innen im Beteiligungsforum zu Fragen, die sexualisierte Gewalt in der evan- gelischen Kirche und Diakonie betreffen. Betroffenennetzwerk BeNe Im Oktober 2024 ging das vom Beteili- gungsforum initiierte Betroffenennetzwerk, die Plattform BeNe, online. Die Online-Platt- form mit Foren für sicheren, geschützten Austausch und Vernetzung untereinander ist von Betroffenen sexualisierter Gewalt für Betroffene sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. 33

das Tempo zu finden und den Ton zu treffen, schweigen zu können. Sie ist wütend über die vielen Täter im kirchli- chen Umfeld: „Wir sehen Gesichter und hören Geschichten von Demütigungen, körperlichen Verletzungen und verwundeten Seelen, von Le- benswegen, für die Weichen zerstörerisch falsch gestellt wurden, tragische Geschichten, jede einzelne schmerzt unendlich.“ Ob die Betroffenen ihre Geschichten bewei- sen können, ist für die Kommission nicht aus- schlaggebend. „Es geht um Glaubhaftigkeit, um Glauben“, so Hillmann. „Für viele Betrof- fene war es überwältigend, erstmalig zu hö- ren: Wir glauben Ihnen.“ Die Kommissions- mitglieder kommen aus unterschiedlichen Professionen und tragen zu den Beratungen sehr unterschiedliche Erfahrungshintergrün- de bei. Das sei bereichernd und ermögliche eine sichere Überzeugungsbildung, eine gute Entscheidung. Mit den Betroffenen eine Vereinbarung in der Hoffnung zu treffen, dass ihr Leben dadurch ein wenig erleichtert wird – das ist Ziel der Ge- spräche. Die Unabhängigkeit der Kommission Labrador Artus ist ein begeisterter Begleiter, wenn es quer- feldein geht. jahresbericht.nordkirche.de und die Wertschätzung, mit der die Mitglieder den Betroffenen und auch einander begeg- nen, dazu ein finanzieller Spielraum und ein gro- ßer Rückhalt in der Nordkirche für die gesamte Kommission und für sie seien gute Vorausset- zungen, findet Ulrike Hillmann. Im Team tauscht sie sich über das Erlebte und Gehörte aus, um für die Zukunft daraus zu ler- nen und um abzuschalten. Manchmal nutzt sie dafür auch ihr kleines Ritual. In jeder Kir- che, die sie besucht, zündet sie eine Kerze an und spricht ein kurzes Gebet. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mir dabei hilft loszulassen.“ n Inke Pohl Was bedeutet Anerkennung? Betroffene Menschen werden mit ihrer individuellen Geschichte gehört, erlittenes Unrecht und Leid werden anerkannt. Gleichzeitig bekennt sich die Institution Kirche zu ihrer Verantwortung für sexualisierte Gewalt oder sexuelle Grenzverletzungen, die in ihren Räumen und Reihen geschehen sind. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, eine Anerkennungsleistung zu vereinbaren, um den zukünftigen Weg der betroffenen Person zu erleichtern. Das kann eine Fortbildung, eine therapeutische Maßnahme oder eine finanzielle Unterstützung sein, um ein persönliches Ziel zu erreichen. Denn klar ist: Es geht hier um Anerkennung des Geschehenen. Die Erfahrung sexualisierter Gewalt kann weder entschuldigt noch entschädigt werden. Weitere Informationen finden Sie hier: www.kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de/ beratung-begleitung/anerkennung/#c275 35

jahresbericht.nordkirche.de Elsa Manuela Nicklas-Beck (4.v.l.) ist eine der acht Betroffenen- vertreter:innen im Beteiligungsforum Sexualisierte Ge- walt in der EKD. y h p a r g o t o h p s s o r g t r e b o r : o t o F sollen frei bleiben von Konkurrenzdenken und partikularen Interessen. Denn es ist wichtig, dass sowohl die Partizipation als auch die Ori- entierung an Betroffenen gelingt. n Fragen: Christiane Kolb Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD www.ekd.de/beteiligungsforum- sexualisierte-gewalt-73955.htm Gemeinsame Erklärung www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/ Gemeinsame%20Erklärung%20 UBSKM_%20EKD_Diakonie.pdf Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommissionen (URAKs) www.ekd.de/gemeinsame- erklarung-unabhaengige-aufarbeitung- ekd-81960.htm Aufgaben der URAKs Ziel der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen (URAKs) ist es, sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der evangelischen Kirche und Diakonie unabhängig aufzuarbeiten. Beispielsweise soll die Anzahl von Fällen sexualisierter Gewalt ermittelt werden, sollen Strukturen identifiziert werden, die sexualisierte Gewalt begünstigen und deren Aufdeckung erschweren. Außerdem soll der Umgang mit Betroffenen untersucht und evaluiert werden, sollen die beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbände unterstützt, evaluiert und beraten werden. Im Frühjahr 2025 sollen die URAKs ihre Arbeit aufnehmen. Die Nordkirche bildet zusammen mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und den Landesverbänden der Diakonie im Einzugsgebiet beider Landeskirchen einen von landesweit neun URAK-Verbunden. 37

Geschichtenportal jahresbericht.nordkirche.de Im Januar 2022 hat die Aufarbeitungskommission das Portal „Geschichten, die zählen“ gestartet. Dort gibt es pseudonymisierte Berichte von Betroffenen in Schriftform. Einige Berichte wurden von Schauspieler:innen wie Mark Waschke und Katja Riemann eingesprochen. Olafs Geschichte Olafs Geschichte ist der Bericht eines Betroffenen, der in seiner Kindheit und Jugend sexueller Gewalt in der evangelischen Kirche ausgesetzt war. Der Text wurde vom Schauspieler Mark Waschke eingesprochen. Johannas Geschichte Der Bericht einer Betroffenen, die in ihrer Kindheit sexueller Gewalt durch den Pastor in der Gemeinde ausgesetzt war. Um sie zu erpressen, hat er damit gedroht sich umzubringen. Sie hat später erreicht, dass ein Nachruf auf ihn gelöscht wurde. 39

jahresbericht.nordkirche.de 42 Ein Besuch in Rehna 47 48 50 Serviceseite Himmlische Herbergen Dorfkirche mon amour Kulturkirche Kirche am Urlaubsort in St. Peter-Ording 41 In Puttgarden an der Ostsee endet der Mönchsweg, ein rund 530 Kilo- meter langer Pilgerweg, der über die Elbe bis an die Ostsee führt. In Schleswig-Holstein werden die 342 Kilometer des Mönchswegs häufig mit dem Fahrrad zurückgelegt. e s e o r F d e r F / k c o t S i : o t o F

jahresbericht.nordkirche.de n e z t a M a e N : ) 4 1 ( s o t o F Sehen, riechen, hören, fühlen – im Kloster Rehna erwachen alle Sinne. Im Garten duftet es nach Blumen und Kräutern, im Museum erklingen mittelalterliche Gebetslieder, Was- ser plätschert aus unterirdischen Quellen, und wer genau hinschaut, sieht vielleicht Ge- spenster. Ein Rundgang voller Entdeckungen. Die Steintreppe hoch, fast geschafft, der erste Blick in den Raum ist beinahe gespenstisch. Dort huschen sie die Wand entlang – eine, zwei, langsam, schnell, manchmal hin und zu- rück. Nonnen im schwarz-weißen Gewand er- wachen im ersten Stock des Klostermuseums in Rehna scheinbar zum Leben. Die leichtfüßi- ge Projektion hat etwas Verführerisches: Was passiert als Nächstes? Kommen die jungen tän- zelnden Frauen wieder oder die alte Nonne, die etwas gebeugt geht? Diese Videoinstallation ist nur ein Beispiel für die klugen, man könnte auch sagen charman- ten Einfälle der Ausstellungsmacher:innen. Denn ihre Ideen zaubern den Besucherinnen und Besuchern ein Lächeln ins Gesicht. Das Gärtner Daniel Kruse pflegt den Garten vor der zum Kloster gehörigen Kirche. Bis zur Säkularisation wurde das Kloster von Priorinnen geleitet. Sie stammten häufig aus adligen Familien wie den von Bülows. könnten sie sogar in einem Spiegel unter einem Fenster zum Innenhof kontrollieren. Oder doch nicht? Er steht zu schräg nach oben gekippt. Zu sehen ist darin das wunderschöne Decken- gewölbe – ein kleiner Trick, damit niemand ver- gisst, in diesem ehemaligen Gotteshaus nach oben zu schauen. Auch die Akustik ist hervor- ragend in dem mehr als 700 Jahre alten Gebäu- de, dessen Bau 1236 begonnen wurde. Das Frauenkloster Rehna Klöster waren oft Bildungs- und Wirtschaftszentren mit großem Landbesitz, der für regelmäßige Einkünfte sorgte. Töchter adliger Familien gehörten seit spätestens 1319 dem Orden der Prämonstratenserinnen in Rehna an. Buße, Fasten, Schweigen und das gemeinsame Chorge- bet bestimmten ihr Leben, das Kloster durften sie nicht verlassen. www.maurine-radegast-land.de/wissenswertes/ praemonstratenserinnen-in-mecklenburg 43

jahresbericht.nordkirche.de Gaby Kloß sorgt dafür, dass im Klostergarten zahlreiche altbekannte Heilpflanzen gedeihen. Elke Lenschow weiht in die Geheimnisse der Pflanzenwelt ein. Magen-, Darm- und Erkältungskrankheiten, die symbolische Bedeutung der Gewächse im Bi- belgarten, die sinnliche Ausstrahlung von Duft und Farbe und die wirtschaftliche Nutzung – zum Beispiel als Färbemittel – sind Stoff für die Rundgänge im Schatten des Klosters. „Der Apfelbaum steht in der Mitte unseres Klostergartens, das ist der Ort, an dem ich über die Schöpfungsgeschichte spreche, unter dem Baum der Erkenntnis“, sagt Elke Lenschow. Biblische und philosophische Er- zählungen flicht sie in ihre pflanzenkundlichen Führungen ein. Der Respekt vor der Natur liegt ihr am Herzen. „Wir Menschen sind nur ein Teil der Schöpfung, die Pflanzen waren vor uns da und haben seit jeher eine große Bedeutung für unser Leben.“ Farben, Blatt- und Blütenformen, Düfte – wer mit Elke Lenschow die schmalen Wege des Gartens durchstreift, sieht plötzlich lauter De- tails – auch kleine Insekten, Käfer, Schnecken und Bienen. „Die Bienen sind die Seele eines Gartens, sie verbinden alles miteinander“, sagt Pastor Andreas Ortlieb. Eines seiner zehn Bie- nenvölker lebt hier hinter einer kleinen Hecke. Das ist ein Sichtschutz, hat aber noch eine wei- tere Funktion: Wenn die Tiere den Bienenstock verlassen, müssen sie hochfliegen. So kreuzen die Gartenbesucher:innen nicht ihre direkte Flugbahn, erklärt der erfahrene Imker. Der Pastor ist seit 45 Jahren Bienenzüchter. In Klöstern habe es immer Bienenstöcke ge- geben, sagt er, schon allein wegen der Honig- und Wachsproduktion. Andreas Ortlieb teilt sein Wissen über den Jahreszyklus der Bienen, das Aufbrausen im Mai und die Bedeutung der vielen Linden im Ort mit Gästen, gerne auch mit Kita-Kindern und Schülerinnen und Schü- lern oder Pilger:innen, die in der frisch reno- vierten Rehnaer Pilgerstätte hinterm Pastorat Rast machen. Beitrag über Rehna und zusätzliche Geheimnisse der Pflanzenwelt: die Apotheke im Klostergarten 45

l i r e h c ü B e d n e m e g n e h c r i K : o t o F jahresbericht.nordkirche.de Das Alte Pfarr- haus in Blücher (östlich von Lauenburg) wurde 1794 er- baut und eignet sich für die Unterbringung von bis zu 20 Personen. „Himmlische Herbergen“ Erholung für Körper und Seele Raus in die Natur oder doch lieber rein ins pul- sierende Herz der Großstadt? Für Gruppen, Familien und Alleinreisende bieten die „Himm- lischen Herbergen“ vielseitige Angebote. „Himmlische Herbergen“ – das sind deutsch- landweit 288 Gästehäuser mit christlichem Profil. Erholung, Bildung und spirituelle Ange- bote gehören zum Programm. 27 Unterkünfte befinden sich zwischen Nord- und Ostsee von Amrum bis Usedom im Raum der Nordkirche. Darunter ist die direkt an der Elbe gelegene Seemannsmission in Hamburg-Altona, das Haus der Stille in Weitenhagen nahe der Han- sestadt Greifswald oder das Christian Jensen Kolleg in Nordfriesland, wo die frische Nord- seebrise über den Deich weht. Auch der Koppelsberg in Schleswig-Holstein, idyllisch gelegen am Plöner See, bietet seinen Gästen auf dem rund 50 Hektar großen Gelände allerhand: Badesteg mit Bootsanleger, Indoor- Spielehaus, Grill- und Feuerplätze, Kaffeegarten und Sauna. Inmitten des Naturparks „Holsteini- sche Schweiz“ sind hier alle willkommen, unab- hängig von Alter oder Konfession. ■ Simone Viere Himmlische Herbgergen: www.himmlische-herbergen.de Haus der Stille Weitenhagen: www.weitenhagen.de Christian-Jensen-Kolleg: www.christianjensenkolleg.de Seemannsmission Altona: www.seemannsmission-altona.org Koppelsberg: www.herbergen-im-norden.de/koppelsberg 47

jahresbericht.nordkirche.de Sie gründeten einen Förderverein, um ihre Dorfkirche zu retten. Sie sammelten Spenden, stellten Förderanträge und trommelten Hand- werker zusammen: Pfeiler, Orgel und Kirchturm wurden fachgerecht saniert. „Diese Kirche bedeutet für viele eine ganz, ganz wichtige Traditionserhaltung“, sagt Angret Haa- se, Mitglied der ersten Stunde und heute Förder- vereinsvorsitzende. Hier solle etwas passieren, wieder Gemeinschaft gelebt werden, so ihr gro- ßer Wunsch. Und so kam sie auf die Idee, ihre Kirche bei der Reihe „Dorfkirche mon amour“ der Nordkirche anzumelden. Gemeinden können sich bewerben „In diesem Projekt haben wir uns zum Ziel ge- setzt, verwaiste Dorfkirchen oder auch Quar- tierskirchen, die wenig genutzt werden, durch Kultur zu beleben und zu Begegnungsorten zu machen“, erklärt Anna Luise Klafs, Studienlei- terin für Kunst und Kirche bei der Nordkirche. Jedes Jahr würden die Bewerbungen mehr. Entscheidend für den Zuschlag sei deshalb ein überzeugendes Konzept. „Licht hat viel mit Spiritualität zu tun, man erkennt es an seiner Wirkung, nicht an seiner Substanz“, sagte Dr. Anna Luise Klafs bei der Eröffnung der Ausstellung. e k z n a r F y n n o J : o t o F Angret Haase erhält von der Schirmherrin Kristina Kühnbaum-Schmidt die Plakette „Dorfkirche mon amour Kulturkirche“. Lesungen, Konzerte, Theater, Ausstellungen: Vieles ist möglich, um Kirche für Kulturinter- essierte zu öffnen. Für das Mittsommerfest in Zahrensdorf fiel die Wahl auf die Schau „Licht“, die im Kunstarchiv der Nordkirche ausgeliehen werden kann. 10 Lithografien aus dem 20. Jahr- hundert hat Anna Luise Klafs mit ihrem Team so installiert, dass sie einen Kontrast zu den mehr als 600 Jahre alten Balken und noch älte- ren Feldsteinquadern der Kirche bilden. Auszeichnung als Kulturkirche belohnt Engagement Bei Swingklängen der Band Jive Sharks, Sekt und Häppchen betrachten die Gäste an die- sem Abend ganz ungezwungen Kunstschät- ze, die sonst eher in Museen von Großstädten zu finden sind. „Wir wollten allen zeigen, wie schön es doch ist, dass wir diese Kirche ha- ben. Sie hat so eine Ausstrahlung!“, sagt För- dervereinsmitglied Helga Garber. Die Mühe hat sich gelohnt: Seit dem Mittsommerfest trägt die Kirche als erste in ganz Mecklen- burg die Plakette „Dorfkirche mon amour Kulturkirche“. ■ Julia Krause e s u a r K a i l u J : o t o F Film zur Dorfkirche mon amour 49

jahresbericht.nordkirche.de Film zur Kirche am Urlaubsort Gute-Nacht-Geschichte am historischen Backhaus Christiane Nöh war 1984 als Baby zum ersten Mal in St. Peter-Ording und dann jeden Sommer zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester. „Wenn die Eltern auf dem Wochenmarkt waren, haben wir hier gemalt und gespielt“, sagt die junge Frau. Vom Strand ging es zur Gute-Nacht- Geschichte am historischen Backhaus, bei Er- zählfesten wurden Geschichten erfunden und beim Theaterspielen Fernsehsendungen nach- gespielt. „Wir haben unser Programm in den Ferien mit den Veranstaltungen der Urlaubskir- che abgestimmt“, sagt ihre Mutter Eva Nöh aus Moers. „Das war ein Treffpunkt für Familien, die sich hier Jahr für Jahr wiedersahen.“ Vormittags, mittags oder abends – das Programm ist über den Tag und die Woche verteilt. „5 vor 12: Anker für die Seele am Kirchenschiff“ – benannt nach dem Beginn der Veranstaltung – bietet eine kleine Unterbrechung am Ordinger Haupt- strand mit den Tourismus-Seelsorger:innen. Ein festes Programm für Senior:innen, Erwachsene und Kinder verbindet die Menschen miteinan- der. Zwischendurch entstehen neue Ideen und Initiativen – etwa ein Musikmobil, Theatergrup- pen, Krabbenpul-Wettbewerbe, gemeinsames Brotbacken, Meditationen oder eine Ad-hoc- Kirche am Wasser. Im Sommer unterstützen ein festes und ein wechselndes Team Diakonin Streubier. Aus der Gemeinde melden sich Hilfsbereite und gestal- ten die Sommerkirche mit. Auch viele Menschen mit Zweitwohnsitz auf Eiderstedt sind dabei. Wer sich in den Ferien engagieren möchte, kann sich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter für eine oder mehrere Wochen bewerben. Lehrer:innen, Erzieher:innen in der Ausbildung, Studierende, Schüler:innen verbinden hier ihre Ferien mit kirchlichem Engagement. Wohnen können sie im evangelischen Familienzentrum. Winter-Gemeinde Andrea Streubier ist nicht nur Ansprechpartne- rin für Gäste, sondern auch für Einheimische, „die vom Tourismus leben, aber manchmal auch darunter leiden“. Deshalb gibt es auch eine „Winter-Gemeinde“, die sich von November bis März donnerstags zum Suppe-Essen trifft. Ge- flüchtete aus der Ukraine und Afghanistan hät- ten sich beim Familienzentrum gemeldet, weil sie gerne dafür kochen möchten, erzählt sie. ■ Nea Matzen Nicht nur um Technik geht es bei der Handy-Beratung mit Michael Kuhn (1. v.l.). Seit 300 Jahren steht die Kirche St. Nikolai in Ording direkt hinter dem Deich (2. v.l.). Anika und ihr Vater Fritz aus Duisburg im Malzimmer (3. v.l.). Singen mit Andrea Streubier (4. v.l.). 51

jahresbericht.nordkirche.de 54 Organigramm der Nordkirche 56 Mitglieder der Kirchenleitung/ Präsidium der Landessynode 58 Das Landeskirchenamt 60 Hauptbereiche der Nordkirche 62 64 Kirchenaustritte nach Altersgruppen Bedeutung der Konfi-Zeit und KonfiCamps 70 Interview mit Prof. Lars Harden 72 Haushalt 2024 und Bilanz 2021 76 Ergebnisrechnung 2021 77 Kollekten 78 Impressum 53 Zur Nordkirche gehören 13 Nordseeinseln, 10 Halligen, 54 Ostseeinseln und 3055 km Gesamtküstenlänge; davon 918 km Ostseeküste und 569 km Nordseeküste. Das Bild zeigt den 117 Meter hohen Kreidefelsen an der Steilküste auf der Insel Rügen, der besonders durch den Greifswalder Maler Caspar David Friedrich bekannt geworden ist. o T r A / k c o t s e b o d a : o t o F

Kirchenleitung 13 Landessynodale und die vier bischöflichen Personen wählt Landessynode Berufene und gewählte Mitglieder 156 Synodale wählt 13 x Kirchenkreissynode Berufene und gewählte Mitglieder 44 – 154 Kirchenkreissynodale wählt 920 x Kirchengemeinderat jahresbericht.nordkirche.de Landesbischöf:in (zugleich Vorsitz der Kirchenleitung) 3 Bischöf:innen im Sprengel wählt Dienstaufsicht wählt 34 Pröpst:innen Dienstaufsicht wählt Gemeinde- pastor:innen hat am 27. November 2022 gewählt Alle Gremien der Nordkirche: Mehrheit von Ehrenamtlichen Kirchenmitglieder 21.571 hauptamtliche Mitarbeiter:innen 55 55

Präsidium der Landessynode* jahresbericht.nordkirche.de n e z t a M k i r n e H : o t o F z e d n a n r e H o e c r a M l z e d n a n r e H o e c r a M l : o t o F : o t o F PRÄSES VIZEPRÄSES VIZEPRÄSES Ulrike Hillmann Andreas Hamann Elke König Gewählte Mitglieder aus dem Kreis der Ehrenamtlichen Telse Vogt Dr. Werner Lüpping ff u R l e a h c M i : o t o F e h c r i k d r o N : o t o F r e n b ü H e n n a s u S : o t o F r e n b ü H e n n a s u S : o t o F Matthias Isecke-Vogelsang Arne Gattermann Sylvia Giesecke ff u R l e a h c M i : o t o F e h c r i k d r o N : o t o F Malte Schlünz e h c r i k d r o N : o t o F e h c r i k d r o N : o t o F r e n b ü H e n n a s u S : o t o F Dr. Henning von Wedel Ricarda Wenzel Prof. Dr. Dr. Christoph Stumpf * Stand November 2024. Ein neues Präsidium wird auf der Landessynode im Februar 2025 gewählt. 57

Personal im Verkündigungsdienst Der Dezernent Oberkirchenrat Mathias Lenz und 14 Mitarbeitende bearbeiten Fragen der Ausbil- dung und Prüfungen für angehende Pastor:innen sowie grundsätzliche Personalangelegenheiten der Pastor:innen. Die Mitarbeitenden kümmern sich um die Berufung von Prädikant:innen, Dia- kon:innen und Gemeinde:pädagoginnen sowie um den Dienst der Kirchenmusiker:innen. jahresbericht.nordkirche.de Kirche und Gesellschaft Im Dezernat Kirche und Gesellschaft werden die Arbeits- felder von Kirche in der Gesellschaft und Lebenswelt bearbeitet, beispielsweise die Rolle der Kirche in Bil- dungszusammenhängen wie beim Schwerpunkt Schule. Das Dezernat berät einen Großteil der landeskirchlichen Dienste und Werke bei inhaltlichen und verwaltungs- technischen Fragen und führt die Aufsicht. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Themen Medien und Kommunikation inklusive Digitalisierung. Das Dezernat wird geleitet von Oberkirchenrat Prof. Dr. Bernd-Michael Haese. Er ist zugleich theologischer Vizepräsident des Landeskirchenamts. Recht Im Dezernat Recht bearbeiten unter der Leitung von Oberkirchenrat Dr. Winfried Eberstein 20 Mitarbeitende allgemeine Fragen des kirchlichen Rechts. Fassade Die Fassade des Hauptgebäudes des LKAs hat in den unteren drei Etagen 47 Fenster und in der obersten Etage 25 Fenster. Theologie, Ökumene und Diakonie Die Dezernentin, Oberkirchenrätin Dr. Uta Andrée, arbeitet zusammen mit acht Mitarbeitenden und vier Referenten zu Fragen von Kirche, Theologie, Gottesdienst und Gemeinde sowie zu diakonischen und ökumenischen Themen. Zudem entwickelt das Dezernat Konzepte und Pläne – beispielsweise für den Kirchentag in Hamburg 2029, für die Klimatransforma- tion unserer Kirche, für den Umgang mit Kirchengebäuden und Friedhöfen und für ein gutes Miteinander von Diakonie und Kirche. Kilia Die bronzene Frauengestalt vor dem Landeskirchenamt in Kiel stellt Kilia dar, die Symbolfi gur Kiels. Sie trägt das Stadtwappen auf dem Brustpanzer und eine Mauerkrone auf dem Kopf. In ihren Händen hält sie einen Lorbeerkranz und ein Ruder als Symbol für eine kluge Staatsführung. 59

Kammer für Dienste und Werke Landesbischöfin, Hauptbereichsleitungen, 17 Personen aus den Hauptbereichen, 1 Pröpst:in, 1 Pastor:in, 6 weitere Personen aus den Diensten und Werken, davon mindestens 3 aus den Diensten und Werken der Kirchenkreise jahresbericht.nordkirche.de Gesamtkonferenz der Hauptbereiche (Leitungen und Sprecher:innen) KOMMISSARISCHE LEITUNG Johanna Spiller Kuratorium Generationen und Geschlechter Frauenwerk ∙ Beratungsstellen: Contra, Cara*SH, Myriam, AQUA Mutter-Kind-Kur- Einrichtung GODE TIED Fachstelle Ältere Fachstelle Familien Ev. Erwachsenenbildung der Nordkirche Männerforum Nordkirche Junge Nordkirche ∙ Beratung und Seelsorge ∙ Jugendspiritualität ∙ Klima-Bildung ∙ Junge Politik ∙ Arbeit mit Kindern ∙ Jugendverbände: Evangelische Jugend, Ring Evangelischer Gemeindepfadfinder Ökologische Freiwilligendienste Jugendaufbauwerk Plön-Koppelsberg SPRECHER Michael Birgden Steuerungsgruppe SPRECHER Heiko Naß Diakonische Konferenz Medien Diakonie LANDESVERBÄNDE ∙ Diakonisches Werk Hamburg e.V. ∙ Diakonisches Werk Mecklenburg- Vorpommern e.V. ∙ Diakonisches Werk Schleswig-Holstein e.V. Diakonie-Hilfswerk Hamburg Diakonie-Hilfswerk Schleswig-Holstein (Sondervermögen der Landeskirche) Kommunikationswerk ∙ Interne Kommunikation ∙ Mitgliederkommu - nikation ∙ Public Relation (inkl. Veranstaltungen) ∙ Digitale Kommunikation ∙ Ev. Medienakademie Ev. Presseverband Norddeutschland GmbH ∙ epd ∙ Kirche im Privatfunk ∙ Kirchenzeitungen ∙ Verlage ∙ Radio Paradiso Ev. Rundfunkreferat der norddeutschen Kirchen e.V. ∙ Andachten und Sendungen im NDR Hauptbereiche mit ausschließlich unselbstständigen Einheiten werden von Pastor:innen geleitet. Die mehrheitlich ehrenamtlich besetzen Kuratorien bestehen aus fünf bis 13 Mitgliedern, die von der Kirchenleitung berufen werden. Hauptbereiche, die selbstständige Einheiten beinhalten, werden von Sprecher:innen nach außen vertreten. Die Sprecher:innen sind Teil der Steuerungsgruppe und werden von ihr gewählt. In den Steuerungsgruppen nehmen Vertreter:innen der selbstständigen und der unselbstständigen Einheiten teil. Der Hauptbereich Diakonie wird durch eine eigene Diakonische Konferenz begleitet. Deren Vorsitzende:r und ihre/sein Stellvertreter:in und die drei Landespastor:innen aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg- Vorpommen bilden dazu den Diakonischen Rat. 61

jahresbericht.nordkirche.de Aufnahmen, Übertritte, Wiederaufnahmen 2023 1.935 Kirchenaustritte 2023 46.946 2023: 21.504 2022: 21.803 2023: 25.422 2022: 25.599 Datenquelle: Landeskirchenamt, Abteilung Statistik Kirchenaustritte 2023 46.946 Kirchenaustritte 2022 47.402 100 63

ei fehlendem onfirmation Wie weit reicht der „Konfi-Boost“? In einer Studie konnte gezeigt werden, dass es einen Zusammenhang zwischen der Intensität des Kirchenkontakts in der Zeit direkt nach der Konfirmation und einer späteren Kirchenverbleibs- oder -austrittsneigung gibt. Für 74% der Konfirmand:innen, die als 16-Jährige angaben, nach der Konfirmation viel Kontakt zur Kirche gehabt zu haben, kam mit 21 Jahren ein Kirchenaustritt (letztlich) nicht infrage, auch wenn sie mal daran gedacht hatten (20% der Konfirmand:innen, die als 16-Jährige angaben, keinen Kontakt zur Kirche gehabt zu haben); 19% mit viel Kontakt waren sich nicht sicher (42% ohne Kontakt), und 8% mit viel Kontakt wollten austreten (39% ohne Kontakt). „Ich hatte nach der Konfirmation viel Kontakt zur Kirche.“ „Ich will austreten.“ 8% 39% „Ich hatte nach der Konfirmation keinen Kontakt zur Kirche.“ 21 Jahre „Ich will austreten.“ Quelle: Henrik Simojoki/Wolfgang Ilg/Manuela Hees, Wie weit reicht der „Konfi-Boost“? Transformationen in der Wahrnehmung der Konfi-Zeit, in den religiösen Einstellungen und der Kirchenaustrittsneigung konfirmierter Jugendlicher im Übergang zum Erwachsenenalter. Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 75,3 (2023), 306-320.

Konfizeit prägt Einstellung zu religiösen Fragen Auf die Frage „Wer hatte in Ihrer Kinder- und Jugendzeit einen Einfluss darauf, wie sich Ihre spätere Einstellung zu religiösen Fragen entwickelt hat?“ wählten 70% der evangelischen Kirchenmitglieder ihre Konfi rmation als Antwort. „Der Religionsunterricht in der Schule“ 64% 70% „Meine Mutter“ 45% „Meine Großeltern“ 36% „Jugendgruppen von Kirchen und Religionsgemeinschaft en“ 35% 40% „Mein Vater“ Quelle: Evangelische Kirche in Deutschland - EKD (2023): Zur Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft. Erste Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, Tabellenanhang, Item 123.

Die Konfi-Zeit war sehr prägend in meiner Jugend. Ich habe viel über mich und über meine Mitmenschen gelernt und super viele Leute kennengelernt, die mich bis heute begleiten. Ich bin dankbar für diese Zeit. Anita Huk (27) leitet in der Nordkirche ein KidsCamp. t a Foto: priv Wie durch ein Brennglas verdichten sich in KonfiCamps Beziehungserfahrungen, von denen alle noch lange zehren. Pastorin Doris Pfeifer war in der Nordkirche Teamerin. r e i e m oll o K o to: G uid F Ich habe als Teamer an mir gemerkt, wie sehr ich an dieser Aufgabe gewachsen bin. t a Foto: priv Leon Caspersen (26) wirkt in der Nordkirche als Teamer. Das KonfiCamp ist wie ein Katalysator. Für die Gruppendynamik sowieso und auch für die intensive Auseinandersetzung mit Gott und der Welt. Hier erleben Jugendliche manchmal zum ersten Mal, dass Glauben eine Gemeinschaftssache ist. Oliver Erkens ist in der Nordkirche Pastor. t a Foto: priv

Was bedeuten die vier Gruppen für die Kommunikationskanäle, die Kirche bedie- nen sollte? Man sollte nicht versuchen, diese unterschied- lichen Gruppen alle auf einmal und erst recht nicht über ein und denselben Kanal mit ein und demselben Inhalt zu erreichen. Wenn ich einer Person, die Gottesdienste besucht und mit kirchlichen Festen vertraut ist, versuche zu erklären, warum wir Weihnachten feiern, dann funktioniert das nicht. Für andere, die sich eher um ihr persönliches Nahfeld küm- mern und kaum über sogenannte religiöse Sprechfähigkeit verfügen, sind solche Erklä- rungen von religiösem Wissen aber wichtig. Wir müssen also differenzieren, wen wir errei- chen möchten und wo. Diejenigen, die keine „fromme Glaubenspraxis“ im engeren Sinne pflegen, finden religiöse Perspektiven eben eher über Themen, die sie religiös-diakonisch interpretieren. Ich glaube, wir müssen Themen für die einen viel emotionaler aufbereiten, also beispielsweise über den Schwerpunkt Liebe an Weihnachten. Und für die anderen müssen wir das gesellschaftliche Engagement in den Vordergrund stellen. Wie können wir junge Menschen beispiels- weise nach der Konfirmation erreichen? In der Adoleszenz sind Themen wie Gruppen- zugehörigkeit wichtig, und Kirche steht in der Kommunikation in einer sehr großen Konkur- renz zu digitalen Angeboten. Direkter Kontakt ist am ehesten eine Chance für Kirchengemein- den vor Ort. Wenn die es schaffen, junge Men- schen zu halten, ist viel gewonnen. Kirche kann einladende analoge und digitale Räume öffnen. Das ist ihre Stärke. Besonders dort, wo sie zu Dialog und gegen gesellschaftliche Spaltung eintritt. Und das passiert oft vor Ort. Wenn ich weiß, welche Gruppen ich über welche Themen erreichen kann, dann kann ich beides anbieten: Neue Räume für Menschen, die eher zufällig auf jahresbericht.nordkirche.de Die sechste Kirchenmitgliedschafts- untersuchung – KMU 6 Seit 1972 liefert die KMU alle zehn Jahre Erkennt- nisse über Einstellungen und Erwartungshaltungen zu Kirche und Religion. Von der sechsten Kirchenmit- gliedschaftsuntersuchung, der sogenannten KMU 6, erschienen 2023 die Ergebnisse, wie beispielsweise: • Je stärker die säkulare Orientierung von Kirchenmitgliedern ist, desto höher ist ihre Neigung zum Kirchenaustritt. • Etwa jedes vierte Kirchenmitglied sieht sich nicht als Christ oder Christin. Anhand dieser Erkenntnisse soll frühzeitig auf Ver- änderungen wie Kirchenaustrittsneigung reagiert werden können. Für die KMU 6 wurden erstmals nicht nur evangelische Kirchenmitglieder und Konfessions- lose, sondern auch Katholik:innen und Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften befragt. Die Daten sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. www.kmu.ekd.de Kirche stoßen und häufig digital unterwegs sind. Und Kirche als Austauschort für Menschen, die einen physischen Raum suchen, um zu spre- chen und im besten Fall auch zuzuhören. n Interview: Susanne Gerbsch, Referentin für Mitgliederkommunikation bei der Nordkirche 71

jahresbericht.nordkirche.de 3,45 % Dithmarschen 6,97 % Schleswig- Flensburg 11,39 % Mecklenburg 9,53 % 21,56 % 5,21 % Altholstein 5,32 % 4,63 % Pommern Plön-Segeberg Hamburg-Ost Ostholstein 4,52 % Nordfriesland 10,54 % 4,94 % Hamburg-West/ Südholstein Rendsburg- Eckernförde 4,14 % Rantzau- Münsterdorf 7,80 % Lübeck- Lauenburg Kirchenkreise 81,29 % Der den Kirchenkreisen zugewiesene Anteil wird errechnet aus der Anzahl der Gemeindeglieder, der Wohnbevölkerung und dem Bauvolumen denkmalgeschützter Gebäude. Landeskirche 18,71 % Vorwegabzüge z.B. für Klimaschutzmaßnahmen Leitung & Verwaltung 45 % Hauptbereiche 55 % Landessynode, Kirchenleitung, Bischofskanzleien, Landeskirchenamt, Rechnungsprüfungs- amt, etc. Hauptbereiche sind überregionale inhaltliche Arbeitsbereiche, die jeweils mehrere Dienste und Werke, Einrichtungen und Beauftragte verbinden, wie Medien und Diakonie. Hauptbereiche: Schule; Gemeinde- und Religionspädagogik; Seelsorge und gesellschaftlicher Dialog; Gottesdienst und Gemeinde; Mission und Ökumene; Generationen und Geschlechter; Medien; Diakonie 73

jahresbericht.nordkirche.de Bilanz zum 31.12.2021 – PASSIVA A. EIGENKAPITAL I. Kapitalgrundbestand II. Pflichtrücklagen aufgrund kirchlicher Bestimmungen Andere Pflichtrücklagen III. Andere Rücklagen IV. Ergebnisvortrag V. Bilanzergebnis B. SONDERPOSTEN I. Sonderposten mit Finanzdeckung II. Sonderposten ohne Finanzdeckung C. RÜCKSTELLUNGEN D. VERBINDLICHKEITEN Verbindlichkeiten zwischen kirchlichen Körperschaften Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten Sonstige Verbindlichkeiten E. RECHNUNGSABGRENZUNGSPOSTEN -1.505.178.636* -1.544.026.250 90.485.621 88.535.262 1.950.359 39.573.287 -1.119.956 -90.091.338 34.101.094 3.414.484 30.686.611 3.058.899.612 63.780.537 27.952.409 3.495.194 28.217.050 4.115.884 10.006.407 Summe Passiva 1.661.609.015 * Von einem Ausweis des negativen Eigenkapitals auf der Aktivseite wird abgesehen, bis der Umgang mit den Rücklagen einer kirchenrechtlichen Klärung zugeführt wird. 75

jahresbericht.nordkirche.de Kollekten 60 Gottesdienste im Kirchenjahr* *Jahre, die mit einem Sonntag beginnen, haben 53 Sonntage 30 Kollekten werden durch die Gemeindekirchenräte beschlossen 15 davon aus dem Kollektenkatalog 6 Kollekten werden von den Bischöf:innen in ihren Sprengeln ausgewählt 6 Kollekten werden von den Kirchenkreisen ausgewählt 18 Kollekten werden von der Kirchenleitung ausgewählt 30 6 6 18 Jede Kirchengemeinde feiert im Jahr in der Regel an 60 Sonn- und Feiertagen Gottesdienst, in denen um eine Kollekte gebeten wird. Dabei bestimmt der Kirchenge- meinderat für die Hälfte der Gottesdienste (30) den Zweck der Kollekte. 15 dieser Kollekten müssen dabei aus dem Kollektenkatalog stammen, weitere 15 können frei gewählt werden. Der Kollektenkatalog wird vom Dezernat Theologie, Ökumene, Diakonie zusammengestellt und listet über 130 Spendenempfänger:innen auf. Der Zweck in den anderen 30 Gottesdiensten wird von der Kirchenleitung (18), den drei Bischöf:innen für ihre Sprengel (6) und den 13 Kirchenkreis- räten für ihre Kirchenkreise (6) bestimmt. Beispielsweise wird beim Weihnachtsgottesdienst einheitlich für „Brot für die Welt“ gesammelt. www.kollekten.de 77

jahresbericht.nordkirche.de t n e v n o k n e h c r i K l r e a n o i t a n r e t n I : o t o F z t i n r o p S s u a h r r a f P : o t o F n e z t a M a e N : o t o F Die Onlineversion dieses Jahresberichts finden Sie im Internet unter: jahresbericht.nordkirche.de 79