JAHRESBERICHT 2022 Staatsleistungen einer Ablösung entgegenzustellen. Gleichwohl: Wir betreiben eine Ablösung nicht mit dem al- lergrößten Nachdruck. Wir wären natürlich auch damit einverstanden, dass die Staatsleistungen wie bisher weitergezahlt werden. Es gibt aller- dings diesen Verfassungsauftrag, und wenn er von staatlicher Seite erfüllt werden soll, werden wir dieses Vorhaben ablösungsfreundlich be- gleiten – wenn und soweit es sich im Rahmen der Verfassung hält. Es geht also darum, einen Weg zu finden, wie die Ablösung aussehen könnte. Wäre eine Einmalzahlung ein Weg? Die Einmalzahlung war wohl im Fokus der da- maligen Verfassungsgeber von 1919. Sie wur- de auch in jüngerer Zeit noch diskutiert und zum Teil auch favorisiert. Dies gilt etwa für den Gesetzesentwurf der Opposition aus der ver- gangenen Legislaturperiode von FDP, Grüne und Linke. Aktuell kenne ich keinen Akteur im politischen oder kirchlichen Bereich, der eine Einmalzahlung favorisiert. Das liegt vor allem daran, dass diese Einmalzahlung unrealistisch ist. Eine Voraussetzung wäre, dass man einen sogenannten „Kapitalisierungsfaktor“ festlegt. Mit diesem Kapitalisierungsfaktor müssten die jährlichen Zahlungen multipliziert werden, um die Höhe der zu leistenden Ablösungssumme zu bestimmen. Eine solche Einmalzahlung wür- de, das ist allen klar, die Länderhaushalte voll- kommen überfordern. Diese Option wird daher in den aktuell laufenden Beratungen nicht mehr verfolgt. Wir gehen davon aus, dass andere Ab- lösungsmodalitäten gewählt werden. Welche denn zum Beispiel? Man kann sich gut vorstellen, dass die betrof- fenen Länder für einen bestimmten Zeitraum einen erhöhten, jährlichen Staatsleistungsbei- trag zahlen, der mit einem konkreten Enddatum verbunden ist. Diese Lösung würde einerseits dem Verfassungsauftrag entsprechen, damit diese finanzielle Verflechtung zwischen Staat und Kirche perspektivisch beendet und damit der Sinn der Verfassungsregelung erfüllt wür- de. Und andererseits würden die Länderhaus- halte auch nicht über Gebühr belastet, weil sie zwar temporär höhere Beträge, aber nicht ein- malig einen um ein Vielfaches höheren Betrags zahlen müssten. Dieses Modell ist bereits im Gespräch. Würde das Geld dann in die laufenden Kos- ten, Kitas oder Pflegeeinrichtungen fließen, oder wieder in Besitz wie Immobilien oder Ländereien, so wie es früher mal war? Die Ablösung, in welcher Gestalt auch immer, – ob Geld, Immobilien, Wertpapiere oder andere Leistungen – dient dazu, einen Kapitalstock für die Kirchen zu bilden. Aus diesem Kapitalstock müssen Mittel generiert werden können, mit denen Aufgaben, die bisher mit den Staatsleis- tungen finanziert wurden, auch künftig finan- ziert werden können. Dieses Geld ist eine Investition in die Zu- kunft, eine Absicherung für die Kirchen. In den nächsten 10, 50 oder 100 Jahren wird es die Kirche in dieser Form noch geben? Alles Geld, was der Kirche zur Verfügung gestellt wird, dient der Erfüllung des kirchlichen Auf- trags. Und die Erfüllung des kirchlichen Auftrags besteht ganz wesentlich darin, für die Menschen da zu sein. Darin liegt unser Antrieb. Die Frage nach der Zukunft beruht auf Prämissen in der Gegenwart. Aktuell befindet sich die Kirche in grundlegenden Transformationsprozessen. Die Rahmenbedingungen für kirchliches Handeln verändern sich kategorial. Die mit zurückgehen- den Kirchenmitgliederzahlen einhergehenden zurückgehenden Kircheneinnahmen werden massive Veränderungen bewirken. Das heißt, wir werden uns eine veränderte Organisationsstruk- tur geben müssen; und wir werden im Kontext von Digitalisierung und Automatisierung verän- Zum Interview 18