„Am Ende siegt der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“

Bischof Abromeit predigt im Gedenkgottesdienst für Hans-Ulrich von Oertzen

Bischof Abromeit und Henning von Buchwaldt
Bischof Abromeit und Henning von Buchwaldt© Annette Klinkhardt/Nordkirche

20. Juli 2019 von Annette Klinkhardt

Rattey bei Woldegk/Greifswald (akl). „Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Diesen Vers aus einem Brief des Paulus an seinen Mitarbeiter Timotheus stellte Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit heute (20. Juli) in den Mittelpunkt seiner Predigt in der Versöhnungskirche in Rattey in der Nähe von Woldegk im Kirchenkreis Mecklenburg. Der Gottesdienst stand im Zentrum einer Gedenkveranstaltung für Hans-Ulrich von Oertzen, einen der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944.

Der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland erläuterte, welch zentrale Bedeutung dieser Bibelvers für von Oertzen hatte: Vor allem unter den Eindrücken an der Kriegsfront im Osten hatte sich dieser für den Widerstand gewinnen lassen. Allerdings habe sich der Stabsoffizier mit der Frage gequält, ob man sich aus christlich-ethischen Gründen an einem gewaltsamen Widerstand beteiligen dürfe. Ein Militärgottesdienst zu Pfingstmontag 1944 habe ihm den Weg gezeigt. Abromeit erzählte: „Und nun hört Hans-Ulrich von Oertzen dieses Bibelwort aus dem Timotheusbrief, das betont: Gott lässt uns auch nicht zaudern. Er gibt denen, die auf ihn trauen, ein festes Herz und Entschlusskraft.“

Der Gottesdienst stand im Zentrum einer Gedenkveranstaltung, mit der Henning von Buchwaldt, der  letzte in Rattey geborene Nachfahre von Hans-Ulrich von Oertzen, und seine Frau an ihren Großonkel erinnern wollen. Hans-Ulrich von Oertzen gehörte zum innersten Kreis der Hitlerattentäter um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und gab am 20. Juli 1944 die ersten Befehle der Aktion „Walküre“ weiter. Am Tag nach dem missglückten Attentat nahm sich der 29-Jährige vor dem Eintreffen der Gestapo mit einer Handgranate das Leben. Bei der Gedenkveranstaltung sprach der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Harry Glawe ein Grußwort. Der Journalist und Oertzen-Biograph Lars-Boder Keil hielt unter der Überschrift „Von der Unruhe des Gewissens getrieben“ einen Vortrag über den Widerstandskämpfer.

Bischof Abromeit nannte es in der Predigt „auffällig, dass in dem Kreis der Widerständler viele in der Zeit der Vorbereitung von Attentat, Umsturz und bei der Überlegung, wie nach Hitler und dem Nationalsozialismus ein neuer Anfang gemacht werden kann, wieder neu nach dem christlichen Glauben fragen.“ Der Nationalsozialismus sei als Gegenentwurf zum Christentum begriffen worden, die „völkische Religiosität“ der sogenannten „Deutschen Christen“ als Sündenfall gewertet worden. Der Bischof sagte auch in Richtung aktueller rechtspopulistischer Strömungen, die die Widerstandskämpfer des 20. Juli für ihre Zwecke instrumentalisieren wollen: „Eine patriotische Grundhaltung war diesen konservativ gesonnenen Männern selbstverständlich. Der Einfluss des christlichen Glaubens unterscheidet aber diese Vaterlandsliebe von jedem Nationalismus und allem völkischen Denken.“ 

Er betonte: „Mit dem Attentat auf Hitler zeigte sich etwas von dem anderen Geist, der eben auch wirkmächtig in der Geschichte ist, auch wenn er im Juli 1944 noch nicht die Oberhand erhielt. Die Männer des 20.Juli und die sie unterstützenden Frauen haben ein Zeichen gesetzt, das auch weiterhin für uns Verpflichtung ist. Vor Gott ist es nicht zu verantworten, die Menschenrechte für bestimmte Menschen außer Kraft zu setzen. Völkisches Denken ist und bleibt unchristlich. In Extremsituationen können kalkulierte Rechtsbrüche notwendig sein, um die Herrschaft des Rechts wieder aufzurichten. Am Ende siegt doch der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“

„Versöhnungskirche“ wurde die kleine Feldsteinkirche in Rattey 1992 genannt, als die erste Gedenkveranstaltung für Hans-Ulrich von Oertzen stattfand: Damals enthüllte der mecklenburgische Landesbischof Christoph Stier (Bischof von 1984 bis 1996)  im Beisein des damaligen Bundespräsident Richard von Weizsäcker eine Gedenktafel für den Widerstandskämpfer, der einen Teil seiner Kindheit auf dem Gut Rattey verbracht hat.

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