Die Nordschleswigsche Gemeinde
Nordkirche im Süden Dänemarks
Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein – das sind im Großen und Ganzen die Gebiete der Nordkirche – so denkt man auf den ersten Blick. Doch weniger bekannt ist, dass zur Nordkirche auch ein kleiner Bereich in Dänemark gehört: die nordschleswigsche Gemeinde.
Ein Blick in die Geschichte
Referendum im nördlichen Teil Schleswigs
Um das zu erklären, muss man in der Geschichte einige Schritte zurückgehen.
Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 wird im Friedensvertrag von Wien bestimmt, dass die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg aus dänischer Hoheit gelöst und Preußen und Österreich unterstellt werden.
1866 verpflichtet sich Preußen mit dem Prager Friedensvertrag, ein Referendum im nördlichen Teil Schleswigs durchzuführen, bei dem die Bevölkerung über ihre Staatsangehörigkeit abstimmen sollte. Doch das passiert zunächst nicht.
Die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark
Im Versailler Vertrag von 1918 wird erneut festgelegt, dass die Nordschleswiger über diese Frage entscheiden sollen. Das geschieht 1920: Die Mehrheit stimmt für einen Anschluss an Dänemark. Die deutsch-dänische Grenze wird festgelegt – so wie sie auch heute noch Bestand hat. Nun gibt es auf beiden Seiten jeweils Minderheiten – die dänische in Südschleswig und die deutsche in Nordschleswig.
Der dänische Wählerverein setzt bereits 1918 einen Kirchenausschuss ein, der die Nordschleswig in die dänische Kirche integrieren, aber dabei auch die deutsche Bevölkerung in dieser Region berücksichtigen soll. Doch das verläuft nicht zur Zufriedenheit aller.
Zwei „kirchliche Systeme” in Stadt und Land
In den vier dänischen Stadtgemeinden Apenrade, Sonderburg, Hadersleben und Tondern erkennt man den Bedarf der deutschen Minderheit an – deshalb setzt die Dänische Volkskirche (Folkekirken), die auch evangelisch-lutherisch ist, ab 1920 selbst Pastoren für den deutschsprachigen Teil ihrer Gemeinde ein.
Im ländlichen Raum ist dies nur bedingt der Fall – und so hilft sich die Minderheit selbst: Sie gründet 1923 in Tingleff die Nordschleswigsche Gemeinde als Freikirche, genauer gesagt als Verein nach dänischem Recht. Sie ist zu dem Zeitpunkt der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche angeschlossen.
Trotz zwischenzeitlicher Krisen – insbesondere zum Zweiten Weltkrieg – besteht die Nordschleswigsche Gemeinde bis heute und ist die kirchliche Heimat für schätzungsweise 15.000 Menschen, die sich der deutschen Minderheit zugehörig fühlen.
Traditionsbewusst und zugleich aufgeschlossen
Die nordschleswigsche Gemeinde hat ihren Verwaltungssitz in Tingleff und ist aufgeteilt in die Pfarrbezirke Buhrkall, Gravenstein, Hoyer/Lügumkloster, Süder Wilstrup und Tingleff. Geleitet wird die Gemeinde von einem Laienvorstand, der von der Kirchenvertretung gewählt wird. Auch in der Landessynode der Nordkirche sitzen zwei entsandte Mitglieder, die Antrags- und Rederecht, aber kein Stimmrecht haben.
Gottesdienste in 36 Kirchen
Eigene Kirchgebäude unterhält die Nordschleswigsche Gemeinde nicht, deshalb mietet die Gemeinde für ihre Gottesdienste 36 Kirchen von der Folkekirke. Sechs Pastoren kümmern sich um die Gemeindemitglieder auf dem Lande – in den genannten Städten Apenrade, Sonderburg, Hadersleben und Tondern sind es weitere vier.
Konvent verbindet Stadt und Land
Dabei sind die deutschsprachigen Gemeinden auf dem Land und der Stadt über eine „Institutionen“ miteinander verbunden: In der Regel kommen die Pastoren einmal im Monat zum Konvent zusammen, um die kirchliche Arbeit für die deutsche Minderheit abzustimmen.
Mehr erfahren
Die Website der dänischen Kirche: Kirche.dk
In Lügum: Die Klosterkirche
Unser Reisedossier: Über Grenzen hinweg verbunden