Letzter Bericht von Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn vor der Landessynode
02. März 2019
Rostock-Warnemünde. „In Mecklenburg passiert etwas und es gibt – bei allem Schmerz über Abbrüche – Spannendes zu erkunden!“ Zugleich tue die größere Gemeinschaft der Nordkirche gut. Diese werde „als ganze Kirche gewinnen, wenn und indem sie den Osten als Laboratorium der Zukunft gut begleitet und stärkt“. Dieses Fazit zog heute Vormittag (2. März) Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn (Schwerin) in seinem letzten Bericht aus dem Sprengel Mecklenburg und Pommern vor der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) in Rostock-Warnemünde.
„Seid mutig und bringt mit von den Früchten“ (4.Mose 13,20) – unter diesem Motto berichtete der Schweriner Bischof vom Weg zu einer erprobungsfreundlichen „Kirche mit Anderen“. Zwischen Christen und Nichtchristen bestünden gelegentlich gegenseitige Vorurteile, die am besten durch ein „forciertes Miteinander“ am dritten Ort minimiert werden könnten, wie es beispielsweise in Initiativen gegen Rechtsextremismus, in der Tafel- oder Flüchtlings-Arbeit an vielen Orten längst Praxis ist.
Zugleich analysierte der Bischof, dass viele heutzutage vielfach „selbstbewusst religionslos“ seien, dennoch nach Spiritualität suchten. Zugleich schätzten Menschen mit säkularer Weltanschauung an Kirche, „dass man hier nicht perfekt sein muss, um angenommen zu werden“. Sein Fazit: „Wir brauchen also keine falsche Scheu zu haben, den christlichen Glauben ins Gespräch zu bringen.“ Das gelte auch für digitale Diskussionsforen, etwa beim Projekt „Kirchenbotschafter“.
Dialog braucht neue Begegnungsräume
Vor diesem Hintergrund plädierte Bischof v. Maltzahn für neue Begegnungsräume, um den Dialog zu fördern. Ermutigende Beispiele aus Mecklenburg-Vorpommern seien z.B. die (mittlerweile nordkirchenweiten) „Tage Ethischer Orientierung“ bei denen Schülerinnen und Schüler eingeladen sind, erlebnisorientiert die Fragen ihres Lebens mit kirchlichen Mitarbeitenden und Pädagogen außerhalb der Schule zu bedenken. Oder die Passionsandachten, die eine mecklenburgische Pastorin an Orten heutigen Leidens gestaltet und zu der viele Menschen kommen – auch jene, die mit der Kirche eigentlich nichts anfangen könnten. Die Andachten finden z. B. statt „an einer Kreuzung, an der es tödliche Unfällen gab; am ehemaligen Konsum, der als Ort der Kommunikation vermisst wird; oder an einer Bushaltestelle, an der nur noch selten ein Bus hält und die dafür steht, dass Menschen sich von der gesellschaftlichen Entwicklung abgehängt fühlen“, so Andreas v. Maltzahn.
Weitere Beispiele seien die Evangelischen Schulen, das Voxmobil mit aufsuchender Sozialarbeit oder das Projekt „schall.platte“ – der Chor vom Neubrandenburger Datzeberg. Von Maltzahn: „Da werden Songs gesungen, die man aus dem Radio kennt. Noten muss man also nicht können. Dieser Chor gibt den Leuten buchstäblich ihre Stimme wieder. Menschen, die Tag für Tag auf den Ämtern erfahren, dass sie nicht gebraucht werden, sondern als ‚Problemfall‘ gelten, erleben durch ‚schall.platte‘: Ihre Stimme zählt! Sie erleben Gemeinschaft, geben Konzerte.“
Dem Auftrag trauen – eine missionarische Grundorientierung wiedergewinnen
Bischof Andreas v. Maltzahn erinnerte an die von der Landessynode 2015 beschlossenen Eckpunkte zur „Missionarischen Grundorientierung von Gemeinde“: „Wenn ich mir als scheidender Bischof etwas wünschen darf: Erschließen wir dieses Potential! Lassen wir diese Einsichten nicht – wie manch andere Arbeitspapiere – in der Versenkung verschwinden!“ Denn „der Auftrag christlicher Kirche, das Evangelium von Jesus Christus in der Welt zu bezeugen, bestimmt sie zu missionarischem Leben und Handeln“, so der Schweriner Bischof. Allerdings sei diese Grundorientierung häufig weder praktisch zu spüren noch im Selbstverständnis von Gemeindegliedern und Mitarbeitenden verankert. „Daher werbe ich dafür, dass Kirchenleitung und Landessynode dies als ein Querschnittsthema auf ihre Agenda nehmen.“
Eine Grunderkenntnis der vergangenen Jahre im Kirchenkreis Mecklenburg heißt für Bischof v. Maltzahn: „Gesellschaftliche Veränderungen in peripheren ländlichen Räumen dürfen kirchlicherseits nicht einfach mit einem weiteren Rückbau beantwortet werden.“ Angesichts der Veränderungen plädierte Bischof v. Maltzahn für einen Umbau kirchlicher Strukturen. Es sei nötig, neue Arbeitsweisen zu entwickeln und die bisherigen Gemeindeformen zu flexibilisieren. Konkret schlug er ,Erprobungsregionen‘ vor, die es besser ermöglichen, „die vorhandenen Ressourcen so einzusetzen, dass Kirche nah bei den Menschen bleibt, ohne dass Mitarbeitende ausbrennen“.
„Seid mutig – weniger muss anders sein“
Als ein strukturelles Beispiel für Erprobungen nannte der Bischof, in Kirchengemeinden für den Gemeindeaufbau Schwerpunktaufgaben zu setzen und sich so nicht von einer gefühlten Allzuständigkeit lähmen zu lassen. Konkret heißt dies: Jeder Ort gehört zum Seelsorge- und Kasualgebiet einer Kirchengemeinde. Gottesdienste und andere Veranstaltungen sollen also zukünftig nur dort stattfinden, wo die jeweiligen Gemeindeglieder oder Bewohner diese wirklich wünschen und dafür mit Verantwortung übernehmen.
Ein weiteres Beispiel sei das Modell „Dorf+“, wie es in der Kirchenregion Ludwigslust-Dömitz praktiziert werde. Hierbei sollen u.a. Dorfpfarrstellen gestärkt und Teams von Mitarbeitenden von Dorf- und Stadtgemeinden gebildet werden sowie die Pfarrhäuser in den Dörfern als Zentren erhalten bleiben. Darüber hinaus regte Bischof v. Maltzahn an, die rechtlich schon möglichen Ortsausschüsse zu Ortskirchenräten zu profilieren. Erwägenswert sei auch, nach dem Vorbild der Mitteldeutschen Kirche auch „Neupflanzungen“ jenseits gewohnter parochialer Logiken zu ermöglichen.
Im Blick auf die biblische Geschichte vom Einzug Israels ins gelobte Land sagte Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn: „Auch wir als Nordkirche leben in allen Veränderungen von Gottes Verheißung. Ich gebe zu: Eine gewisse Vorsicht ist angebracht, Mecklenburg einfach mit dem Gelobten Land zu identifizieren. Und doch: Da passiert etwas! Bei allem Schmerz über Abbrüche – hier gibt es Spannendes zu erkunden! Da ist gut sein für Menschen, die Lust daran haben, heute schon die vielfältige Gestalt der Kirche von morgen zu entwickeln! Die größere Gemeinschaft der Nordkirche tut uns dabei gut, und sie wird als ganze Kirche gewinnen, wenn und indem sie den Osten als Laboratorium der Zukunft gut begleitet und stärkt“.