8. Mai 2022 | Stralsund

100 Jahre Schwesternschaft der Frauenhilfe

08. Mai 2022 von Tilman Jeremias

Liebe Schwestern, liebe Gemeinde,

ich freue mich sehr, heute bei Ihnen sein zu können und mit Ihnen 100 Jahre Schwesternschaft der Frauenhilfe feiern zu können und das noch im Rahmen eines Gesamtschwesterntages. Wie schön, dass Schwestern aus Westfalen und dem Rheinland mit Ihnen dieses Fest teilen!

Solch ein Jubiläum ist immer Anlass zurückzuschauen. Und manche unter uns können sehr lange zurücksehen, wie wir vorhin bei den Ehrungen der Jubilarinnen gehört haben.

Ordensleben ist schon immer etwas, was aus der Zeit gefallen zu sein scheint, evangelisches zumal. Und doch vereint gerade Ihr nicht eben weit verbreiteter Lebensstil eine zentrale christliche Idee: dass Glauben und Tun unmittelbar zusammengehören. Sie sind eine Glaubens- und Dienstgemeinschaft. Und wenn in der öffentlichen Wahrnehmung auch Ihre diakonische Arbeit mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft im Vordergrund steht, mit den Älteren und Kranken, so ist Ihnen gerade der geistliche Gedanke das Fundament dieser Arbeit.

Der liebende Blick auf die Nöte Ihrer Mitmenschen kommt nicht aus dem Nichts, er entspringt gewissermaßen dem Gebet. Und diese Idee ist nicht weniger als christlicher Markenkern.

Solcher christlicher Markenkern verdichtet sich im Leitspruch aller Frauenhilfeschwesternschaften. Er findet sich in Matthäus 25, Vers 40, und lautet:

Jesus Christus spricht: Was ihr getan habt einem und einer dieser meiner geringsten Brüder und Schwestern, das habt ihr mir getan.“

Ihnen brauche ich nicht zu erzählen, in welchem Zusammenhang Jesus diesen wunderbaren Satz sagt. Es ist sein großes Gleichnis über das Weltgericht. Ganz unevangelisch kommt dieses Gleichnis auf den ersten Blick daher. Denn entscheidend, ob ein Mensch bei diesem Weltgericht auf der Seite der Schafe oder der Böcke steht, auf der Seite des ewigen Lebens oder der ewigen Strafe, ist nicht etwa allein der Glaube oder allein die Gnade. Maßstab für diese scharfe Scheidung ist für den Weltenrichter ausschließlich, ob jemand die sechs Werke der Barmherzigkeit getan hat oder nicht, ob er oder sie Hungrige satt gemacht, Durstigen zu Trinken gegeben hat, Fremde aufgenommen, Nackte gekleidet und Kranke oder Gefangene besucht hat.

Bitte, es geht hier um nichts weniger als das Jüngste Gericht. Der Richter ist König. Er thront über den Völkern, die vor ihm anzutreten haben. Sein Richterspruch bedeutet nicht nur Freispruch oder Haft in zeitlicher Hinsicht. Hier geht es um Letztgültiges.  

Und zugleich um so Schlichtes. Der richtende Christus auf dem Thron urteilt danach, wen der kennt, wem er schon begegnet ist. Diese Begegnungen haben sich zur Überraschung der vor Gericht stehenden Menschen ereignet, als ihnen sichtbar bedürftige Menschen entgegen kamen. Menschen, die an Seele und Leib hungrig und durstig waren, die innerlich und äußerlich gefroren haben, Menschen, die einsam waren und sich so nach Besuch gesehnt haben, jemandem, der ihnen wenigstens eine Zeitlang zugehört hat.

In diesen bedürftigen Menschen ist ihnen niemand weniger als Christus selbst begegnet. Christus hat sie angeschaut mit den Augen des zusammengekauerten Bettlers am Straßenrand. Christus hat sie angesprochen mit dem Stöhnen der schmerzgeplagten Patientin. Sie mussten nichts tun als zu reagieren auf diesen Blick, auf diesen Ruf.

Damit dreht Jesus in seinem Gleichnis sämtliche fromme Erwartungen um. Er begegnet seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern nicht in den Sternstunden des Lebens, im Glück oder im Erfolg. Jesus ist an unserer Seite im Antlitz eines Menschen, der uns braucht.

Und jetzt sind wir auf dem zweiten Blick doch bei einer sehr evangelischen Seite des Gleichnisses. Denn das Weltgericht ist nicht etwa nur ein fernes Geschehen, das sich einmal in einer ungewissen Zukunft abspielen wird. Dieses Gericht geschieht jeden Tag. Wenn ich mein Herz verschlossen halte für den Menschen, für den ich heute da sein kann, dann versäume ich es, Christus selbst zu begegnen. Mein offenes Herz führt mich geradewegs in die Arme Jesu. Das heißt: Das, was Ihre Schwesternschaft ausmacht, die enge Verbindung von Glaube und helfender Tat, das spiegelt sich hier.

Die halbe Stunde, die ich am Sterbebett ausharre, ist laut diesem Bibelvers nicht etwa allein eine diakonische halbe Stunde. Sie ist gewissermaßen Gebet und Gottesdienst, denn in der Sterbenden liegt mir niemand als Christus selbst gegenüber.

Oder anders herum gesprochen: Wenn mein morgendliches Gebet mich nicht zu meinem Nächsten führt, der auf mich wartet, dann habe ich nicht recht gebetet.

Darum feiern Sie heute an einem guten Ort. Die Luther- Auferstehungsgemeinde verbindet in vorbildlicher Weise ein reges gottesdienstliches Leben mit dem aktiven Einsatz für die Schwächsten hier im Viertel. Ähnlich wie in Ihrem Schwesternheimathaus ist hier die doppelte Chance zur Christusbegegnung, im Gebet und im Nachbarschaftstreff.

So wird das Tun an den geringsten Schwestern und Brüdern immer in der kleinen Geste, im freundlichen Lächeln, in der ehrlichen Zuwendung konkret.

Das wird nicht nur an diesem Ort deutlich, sondern auch am heutigen Datum. Heute ist zum einen Muttertag. Ein Tag, der in gewissen Kreisen unter Generalverdacht geraten ist. Der aber im Idealfall das ins Gedächtnis ruft und ehrt, was Mütter Tag für Tag leisten an Fürsorge, Erziehung, Bildung im umfassenden Sinn. Auch wenn wir Väter in den letzten Jahren besser geworden sind, sind für unsere Kinder die Mütter und ihre Liebe unersetzlich. Das Kindergesicht ist das Urantlitz Gottes. Und es sind die russischen Soldatenmütter, die am mutigsten und deutlichsten dem unmenschlichen Krieg Putins widerstehen.

Und damit bin ich beim zweiten Aspekt des heutigen Datums. Vor 77 Jahren endete der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg. Alles, was an Lügenpropaganda und Kriegsverbrechen heute wieder zu sehen und zu erleiden ist, hat es in unserem Land im Überfluss gegeben. Wir Jungen kennen den Krieg nicht. Und wollen ihn niemals kennenlernen. Unsere Dankbarkeit für die lange Friedenszeit mischt sich mit den massiven Sorgen, dass der Ukrainekrieg sich ausweiten könnte. Der liebevolle Dienst am Nächsten ist immer auch aktiver Friedensdienst.

Liebe Schwestern, wie schön, dass es Menschen wie Sie gibt, die sichtbar und spürbar ihr gesamtes Leben in den Dienst Gottes stellen, mit all ihrer Kraft, ihrer Zeit und ihren Ideen für ihre Mitmenschen da sind. Damit helfen Sie nicht nur einzelnen Menschen, die so dringend Hilfe brauchen. Damit sind Sie Zeichen für eine humane, friedliche, solidarische Gesellschaft. Und haben das Privileg, jeden Tag im Gebet und im liebenden Tun Christus selbst zu begegnen.

Denn der spricht:

Was ihr getan habt einem und einer dieser meiner geringsten Brüder und Schwestern, das habt ihr mir getan.   

Amen.

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