29. April 2012 - Predigt zu Offenbarung 21,1-5 a
29. April 2012
…Und Gott wird unter ihnen wohnen Jublitate, liebe Gemeinde zu Kücknitz! Dies ist ein Tag, den der Herr „so richtig richtig“ gemacht hat: Ein Tag, auf den viele gewartet, hingearbeitet, ja den sicher viele hier erträumt haben. Nun müssen sie erkennen, dass es sich tatsächlich lohnt, Träume festzuhalten. Sie nicht aufzugeben.
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt! Amen
Jublitate, liebe Gemeinde zu Kücknitz! Dies ist ein Tag, den der Herr „so richtig richtig“ gemacht hat: Ein Tag, auf den viele gewartet, hingearbeitet, ja den sicher viele hier erträumt haben. Nun müssen sie erkennen, dass es sich tatsächlich lohnt, Träume festzuhalten. Sie nicht aufzugeben. Dass es sich lohnt, sie den eigenen Unsicherheiten und den Bedenken anderer sowie finanziellen Risikorechnungen zum Trotz entgegen zu träumen. Jubilate und Gratulation, liebe Festgemeinde! Mit Posaunen und Trompeten. Ich stehe bewundernd vor Ihnen, wie Sie es geschafft haben, hier im Stadtteil dieses KirchenForum zu bauen. Es ist das Ergebnis eines jahrelangen Weges, auf dem sich eine Gemeinschaft engagierter, kluger, konsensfähiger und mutiger Menschen zusammengefunden hat. Ergebnis wohl auch einer Fusion, aus der sich dieses Leuchtturmprojekt entwickelt hat – samt all der schmerzlichen und traurigen Momente, von denen ich vermute, dass es sie auch gegeben hat. Doch heute ist der Tag sich zu freuen. Jubilate! Das KirchenForum Alte Post steht. Es steht für Begegnung. Offenheit. Kultur. Kooperation. Wenn man so will: für prima Klima. Miteinander entsteht Lebendigkeit, heißt die Botschaft - nicht nur dieses Kirchenforums, sondern der Gemeinde Jesu Christi überhaupt und weltweit.
Es mag sein, dass so genannte Realisten Ihnen entgegen gehalten haben: „Nun lasst doch mal die Kirche im Dorf - wie wollt Ihr das schaffen?“ Doch Sie haben mit dem KirchenForum gesagt: „Wir bringen Kirche in die Stadt“. Dieses „mitten hinein“ begeistert mich als Ihre Bischöfin. Kirche bekommt einen zentralen Ort in diesem Stadtteil. Menschenfreundlich, zugewandt, eindeutig – für alle Generationen. Und so wird aus einem Traum tatsächlich ein Lebensraum. Lebensraum, in dem der Mensch sein darf, der er ist. In dem Kinder lachen und Verletzungen geheilt werden, in dem Chöre singen, Dialoge eröffnet werden und aufgewühlte Seelen getragen. Und Kaffee trinken kann man auch.
Jubilate – dies ist der Tag, dankbar zu sein, über das, was gelungen ist und dankbar zu sein darüber, dass die Menge der Namen, die hier jetzt zu nennen wären, allein schon Predigtlänge hätte. Danke sage ich Ihnen allen von Herzen! Im Namen unserer noch existierenden Nordelbischen Kirche danke ich den unzähligen Ehren- und Hauptamtlichen, den vielen Stiftungen und Einrichtungen, die Sie Zeit, Erfindungsreichtum, Geduld, Arbeit und nicht zuletzt Geld investiert haben. Lassen Sie mich stellvertretend für viele jedoch drei Namen nennen, die mir in diesem Zusammenhang immer wieder begegnet sind: Sie sind – so scheint´s - heute Jubilate auf sechs Beine: Frau Dühring, Herr Schock und Pastor Fincke. Vielen Dank Ihnen!
Wer Träume, wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen – dieses geflügelte Wort findet heute und hier seine wunderbarer Weise seine Umkehrung: wer keine hat, sollte sich Sorgen machen. Weil Träume und Visionen einen erinnern, dass es etwas gibt, was über uns hinaus weist. Eine Hoffnung, die uns retten kann und beflügeln. Nicht weil sie ignoriert, was wir hier erleben und manchmal auch durchleiden müssen. Sondern im Gegenteil, weil Visionen genau das sehen.„Siehe, heißt es deshalb in der Offenbarung, ich mache alles neu.“ Dieser Satz gehört zu einem der schönsten Texte der Bibel. Der Seher Johannes schreibt ihn wie eine Art staunender Schlussakkord, beschließt doch die Offenbarung die biblischen Geschichte Gottes mit uns: …Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und ich hörte eine große Stimme, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen. Und er wird bei ihnen wohnen. Dieser Text aus der Offenbarung hatte einst einen besonderen Platz im Kirchenjahr: Er wurde bei der Kirchweih, auch bei der Weihe einer Kirche gelesen. Voller Staunen, dass ein so großes Unterfangen wie der Kirchbau wirklich wahr wird. Tatsächlich ist das so passend heute! Gott will unter uns wohnen – und zieht dann eben auch in eine neue alte Post…
Er will unter uns wohnen – mitten in dem, was uns umtreibt. Was uns sorgt, ängstigt. Was uns nicht loslässt an alter Schuldenlast. Er will unter uns wohnen, die wir manchmal so unglücklich sind und aufgewühlt oder die wir verliebt sind und frohgemut und aufgeräumt und die wir – so oder so – unsicher sind, was kommt.
Jubilate. Sieh doch einfach mal hin, sagt unser Text. Er macht alles neu. Wir brauchen diesen Blick über uns selbst hinaus, sagt Johannes damit. Gerade wenn man wie er sieht, dass so vieles die Welt unsicher macht. Damals war es die römische Besatzung. Sie zeigte sich ungehindert willkürlich. Es herrschte blühende Korruption statt blühender Landschaften, da waren Gewalt, Terror und elende Armut. Hohe Arbeitslosigkeit und eine sehr große Intoleranz gegenüber anderen Religionen und Kulturen – und das gesamte Tableau von Schrecken und Chaos hört sich so furchtbar real und aktuell an.
Und dahinein nun: Gott wird unter uns wohnen – und er wird abwischen alle Tränen und weder Leid noch Schmerz wird mehr sein... Und Gott sprach: Siehe, ich mache alles neu.
Diese Worte sind so alt – und dennoch berühren sie mich immer wieder. Sie sind ein Blick auf das, was kommt und was wir eben nicht in der Hand haben wie eine Maurerkelle. Sie erzählen von einem Haus Gottes, in dem ich immer aufgenommen bin und wo es heißt: Alles wird gut. Alles wird gut – wir sagen es manchmal, um ein Kind zu trösten. Oder um uns selbst Mut zu machen, wenn wir uns mitten in undurchschaubaren Verhältnissen befinden und uns öffnen wollen für die Möglichkeit, dass doch alles gut ausgeht. Auch wenn wir wissen, dass niemals „alles“ gut wird, kann doch der Satz ein weinendes Kind, kann er uns halten - vor allem, wenn jemand anderes ihn zu uns spricht. Die Welt am Anfang der Bibel, in der einst alles gut war, das Paradies ist nicht mehr zugänglich. Das weiß ich. Und dennoch höre ich mit Sehnsucht und staunender Hoffnung: er wird abwischen alle Tränen, noch Leid, noch Schmerz wird mehr sein, denn Gott wird unter uns wohnen. Und, liebe Gemeinde, ist das denn wahr? Hier in Kücknitz? Mitten in diesem Stadtteil, der zwar aufstrebt, aber wo auch nicht alles gut ist?
Ja, es ist wahr. Beides ist wahr: dass wir in einer Welt leben, über die sich beim besten Willen nicht sagen lässt, dass sie gut wäre. Jeder Schmerz, der durch uns hindurchgeht, beweist es. Aber das andere ist auch wahr: dass die Tür zu Gottes Wohnung manchmal vor uns und für uns aufgeschlossen wird. Dass wir hinschauen und uns wundern, wie vieles sich unverhofft zum Guten wendet, wie sehr es die Liebe vermag, Verhältnisse zu verändern, wie viele Menschen der Verführung zur Güte unterliegen. Gestern sah ich so etwas. Da schenkte ein Obdachloser einer Ehrenamtlichen ein Freundschaftsband. Für den Kaffee, den sie ihm spendiert hat. Darauf steht: Die Liebe Gottes sei vor dir, um dir den Weg zu zeigen, hinter dir, um dich aufzufangen, neben dir, um dich in die Arme zu schließen. Es gibt so viele Liebeserklärungen Gottes, Zeichen seiner Wunder und seines Friedens. Siehe! Schauen wir darauf. Es lohnt sich.
Also: Jubilate: Nicht „Schwierig ist die Welt, unüberwindbar die Probleme, frustrierend der Alltag.“ Sondern im Angesicht all dessen: „Halte deine Träume fest, lerne sie zu leben!“
Die Vision entfaltet ihre Kraft im Angesicht Realität, sagt auch die Offenbarung. Sie wagt, die Welt zu sehen, wie sie ist und wagt, Gott und Christus darin zu denken. Im Bewusstsein globalen Unheils hofft sie unerschrocken auf die Globalisierung des Mitgefühls. Damit wahr werden kann, was Christus mit seiner Auferstehung gezeigt hat: Dass aus dem Unwägbaren tragender Grund wird, auf dem alle leben können. Dies auch in der persönlichen Krise zu glauben, ist manchmal harte Arbeit. Wenn wir schwer krank werden, wenn eine Ehe scheitert, wenn ein geliebter Mensch stirbt, wenn die Arbeit nicht mehr lohnt oder gar der Arbeitsplatz verloren geht, wenn im Alter die Einschränkungen immer schwerer zu bewältigen sind – in diesen Bedrängnissen auf Gottes Wunder zu vertrauen, dazu braucht es Hoffnung und starke Freunde, die diese Hoffnung auch zum Ausdruck bringen.
Freunde und Freundinnen, denen man im KirchenForum begegnen wird, ich bin sicher. Die uns wie Gott es will, eine Tür öffnen, auch in uns selbst. Sodass man sieht – da wird tatsächlich – vielleicht nicht alles – doch sehr vieles richtig gut. Und neu. So wie es der Kabarettist Hanns-Dieter Hüsch ganz real zu hoffen wagt. Mit seiner Vision schließe ich:
Ich seh ein Land mit neuen Bäumen.
Ich seh ein Haus aus grünem Strauch. Und einen Fluss mit flinken Fischen.
Und einen Himmel aus Hortensien seh ich auch.
… Ich hör ein Herz, das tapfer schlägt,
in einem Menschen, den es noch nicht gibt,
doch dessen Ankunft mich schon jetzt bewegt, weil er erscheint und seine Feinde liebt.
Das ist die Zeit, die ich nicht mehr erlebe.
Das ist die Welt, nicht ganz von unsrer Welt,
Sie ist aus feinst gesponnenem Gewebe,
und Freunde, glaubt und seht: Sie hält!
Das ist das Land, nach dem ich mich so sehne,
das mir durch Kopf und Körper schwimmt.
Mein Liebeswort und meine Lebenskantilene,
dass jeder jeden in die Arme nimmt.
Jubilate – Gottes Traum lebt mitten unter uns.
Und sein Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen