Industrie- und Hadelskammer zu Schwerin:

4. März 2014: Impuls für die Begegnung Wirtschaft und Kirche

05. März 2014 von Gerhard Ulrich

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder! Ab morgen ist Schluss mit lustig! Am Aschermittwoch ist alles vorbei, singen Karnevalisten und meinen damit, dass nun der triste Alltag wieder beginnt. Der Ernst des Lebens kehrt wieder ein nach all der Ausgelassenheit der Wochen, in denen Mainz Mainz blieb.

Vom richtigen Verständnis des Karnevals muss man sagen: die Zeit der Bekämpfung der Abwehr des Bösen geht zu Ende. Und die Passionszeit beginnt. Im Kirchenjahr bereiten wir Christen uns auf das Bedenken der Leidenszeit Jesu vor. Und das sind die sieben Wochen bis zur Osterzeit. Eine Zeit der Busse, der Einkehr, der Besinnung auf das, was trägt.

Seit einigen Jahren setzen wir als Evangelische Kirche am Vorabend des Aschermittwoch einen besonderen Akzent. Wir laden Verantwortliche aus Wirtschaft und Verbänden ein, mit uns nachzudenken über gemeinsame Verantwortung in dieser Gesellschaft.

Ich danke Ihnen sehr, dass Sie unserer Einladung zu dieser Begegnung von Kirche und Wirtschaft gefolgt sind! Es ist ein gutes, ein ermutigendes Zeichen. Es bedeutet, dass wir Interesse und offensichtlich auch Erwartungen aneinander haben. Im guten Sinne neugierig sind aufeinander.

Um die Summe aller Geschichten, um unsere vielfältige Kultur und Erfahrung, darum geht es uns – da haben Sie als Unternehmer und auch wir als Kirche im Ostseeraum einander Bemerkenswertes zu erzählen. Wir dürfen gespannt sein aufeinander.

Das ist Ziel und Zweck der heutigen Einladung.  Es geht um den Dialog.

„Kraftfeld Ostseeraum“ haben wir getitelt. Wir wollen den Blick lenken auf das, was diese Region stark macht. Was von ihr zu sagen und zu erzählen ist neben den Sorgen um den demographischen Wandel, neben der Abwanderung immer noch zu vieler Menschen. Wir wollen uns besinnen auf die Gaben und Kompetenzen, auf Pläne und auf Mut zu Initiativen. Wir wollen sagen: Auf uns gemeinsam kommt es an, wenn wir Zukunft planen für die Menschen in dieser Region.

Wir haben einige Initiativen und Verbände aus Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus auch aus dem Ostseeraum gebeten, sich heute für unsere Begegnungstische zur Verfügung zu stellen. Ich betone „einige“, denn es kann nur eine Auswahl sein.

Mein besonderer Dank geht an Sie, dass Sie sich bereit gefunden haben, heute hier an den Begegnungstischen ihre Geschichte zu erzählen. Von Hoffnungen und Erwartungen von Mut und Einfallsreichtum – kurz: die Geschichte von Ihnen als Unternehmerinnen und Unternehmern. Zur Geschichte jedes Unternehmens gehören auch die Geschichten von Schwierigkeiten, von Widrigkeiten und Enttäuschungen. Darum ist es für uns selbstverständlich, dass heute auch Kollegen des Betriebsrates der Stralsunder Werft uns Ihre Geschichten erzählen. Die Geschichten von einem technologisch hochmodernen und gleichzeitig traditionsreichen Produktionsstandort, der dennoch in großen Schwierigkeiten steckt. Eine Geschichte gleichzeitig von Kraft und auch von großer Ohnmacht.

Wir sind miteinander verantwortlich für die Stärke einer Region. „Der Markt“ sind wir alle, die wir produzieren, konsumieren, anbieten oder nachfragen oder eben nicht mehr nachfragen. Teilhaberin am Markt sind auch die Kirchen mit ihrer Wirtschaftskraft, mit ihren Einrichtungen im sozialen Dienstleistungsbereich, im kulturellen Kraftfeld und auch, wenn wir uns für den Sonntagsschutz einsetzen.

Unser christlicher Glaube bringt mit sich und stärkt eine Lebenshaltung, die neben mir selbst immer auch den anderen und die andere im Blick hat. Das Gebot Jesu: Gott zu lieben, mich selbst und auch meinen Nächsten wie mich selbst heißt auch: Stark sind wir (nur) dann, wenn wir eine Schwäche für Schwache haben. Keiner soll ausgeschlossen sein, keiner außen vor bleiben! Das soziale „Programm“ Jesu, wie es uns im Neuen Testament überliefert ist, zeigt genau dieses: Jeder Mensch ist auch für Gott unendlich wichtig! Jeder und jede braucht Anerkennung und Teilhabe, um leben zu können. Jede und jeder Einzelne hat seine oder ihre eigene, unantastbare Würde. Das ist der Grund-Wert, der alles trägt, aus dem alle Kraft erst wächst – auch die Kraft der Freiheit, in und aus der wir Verantwortung übernehmen füreinander. Jede und jeder soll seine Gaben und Talente einbringen und nutzen, um das Gemeinwohl zu fördern. Evangelische Kirche ist für mich eine Gemeinschaft von Menschen, die von dieser – ja gewiss – auch politischen Vision Jesu inspiriert und angetrieben sind. Jede und jeder auch in seinem Beruf!

Ein eigener Kraftraum, ein Kraftfeld, ist die Nordkirche.

Drei ehemals selbständige Landeskirchen aus Ost und West haben sich zusammengefunden. Die Pommersche, die Mecklenburgische Landeskirche und die Nordelbische Kirche, 1977 schon aus Fusion entstanden. Es ging nicht nur darum, eine neue Verwaltungsstruktur zu schaffen. Es ging uns auch nicht darum, dem bereits erlebten, einen weiteren Anschluss von Ost nach West hinzuzufügen. Uns ging es um eine Kirche, die bewusst die unterschiedlichen Geschichten zusammenzubringen versucht. Uns ging es um eine Kirche, die miteinander ganz neu anfängt, die den Unterschieden Raum gibt. Die Unterschiede als Reichtum empfindet, nicht als Störung.

Und Sie sehen (auf der Karte), es ist wahrlich eine bunte Vielfalt, die da zusammengekommen ist in einer Landeskirche, die von Helgoland bis Pasewalk reicht, von den dänischen bis zu den polnischen Nachbarn. Eine Kirche, die Menschen aus den wohlhabendsten und den strukturschwächsten Gemeinwesen Deutschlands zusammen bringt. Diese Kirche ist immer dann vorangekommen auf dem Weg zum Gemeinsamen, wenn wir uns unsere Geschichten erzählt haben, die ganz unterschiedlichen Geschichten aus Ost und West, und von Stadt und Land. Immer dann sind wir vorangekommen, wenn wir den Dialog angenommen haben, dessen erstes Ziel nicht ist, dass der eine den anderen nach dem eigenen Bilde neu schafft, sondern den jeweils anderen wahrnimmt um ihn zu verstehen.

Wir alle kennen die Ostsee noch als ein hochgerüstetes Kriegsmeer. Eine mit scharfer Munition bewachte Grenze, nachts von Suchscheinwerfern erhellt. Die Mauer stand fest – real und in den Köpfen der Mächtigen – auch mitten auf dem Wasser.

Aus diesem potentiellen Kriegsschauplatz ist ein Meer des Friedens geworden. Und das ist heute keine Propagandaphrase mehr.

Gott sei Dank! Wir dürfen lernen, den Ostseeraum wieder völlig neu zu erleben und zu denken. Als Raum der Kooperation und Kommunikation, als Raum des Dialoges und der Partnerschaft auf Augenhöhe. Ja, auch weit nach Skandinavien und in die Baltischen Staaten.

Mecklenburg- Vorpommern ist nicht mehr heikle Grenzregion, sondern Glied einer Handelskette, die von der Adria nach Skandinavien führt und Tor zum Baltikum.  Der Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Werner Kuhn, wird uns gleich hinein nehmen in das Kraftfeld, das nichts ist ohne die Einbindung in Europa. Und ich bin überzeugt: Nicht nur diese Region braucht Europa (und seine Fördermittel), sondern Europa kann auch diese Region gut brauchen: mit seinen Menschen, seinen Unternehmen, seiner Landschaft, seiner Willkommenskultur, seiner Küste, die direkt Anschluss schafft an Europa.

Als Nordkirche bemühen wir uns redlich, unseren Beitrag zu leisten für ein Zusammenwachsen der Ostseeanrainer auf Augenhöhe. Grenzen sind keine Naturgegebenheiten, sondern Menschenwerk.

Frieden ist kein Besitz, wir müssen ihn immer wieder erringen. Wie hauchdünn die Decke der Humanität und des Friedens auch in Europa noch ist, sehen wir mit Entsetzen, wenn sie plötzlich aufreißt, wie dieser Tage in der Ukraine.

Immer wieder wird, was durch die EU-Erweiterung möglich geworden ist, mit der großen Zeit der Hanse verglichen.

Aus der Hansezeit wird heute gerne das Leitbild des Ehrbaren Kaufmannes rezipiert. Das ist ein gutes Bild und eine große Herausforderung für alle Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihr Unternehmensschiff  mit hoher betriebswirtschaftlicher Kompetenz auch bei rauer See über Wasser halten müssen und dabei den Anspruch an ihre persönliche moralische Integrität nicht aufgeben möchten.

In Wirtschaft und Gesellschaft gelten keine Naturgesetze. Die Regeln und Gesetze unseres Zusammenlebens und  -handelns machen wir Menschen letztlich selber. Wir schaffen sie durch die Verabredungen, die wir treffen, wir schaffen sie durch die Werte, auf die wir uns einigen und festlegen. Auch wenn es uns immer wieder so erscheint, als würden allein Sachzwänge regieren, Wirtschafts-Subjekt ist und bleibt der Mensch.

Die große Aufgabe unserer Zeit ist es, das Sachgemäße unseres Wirtschaftens mit dem Menschen-gerechten zusammenzuführen zu einer Lebensdienlichkeit von Wirtschaft – so wird es jedenfalls in einer evangelisch grundierten Wirtschaftsethik beschrieben. Und der Horizont ist weit: Die eine – globalisierte – Welt ist lebensdienlich zu gestalten. Was wir brauchen, ist ein Verständnis der Globalisierung, die nicht nur ökonomisch verstanden wird, die nicht nur wenige Gewinner und viel mehr Verlierer kennt. Wir brauchen ein Verständnis einer anderen Globalisierung: die des Friedens, des Wohlstands, die aus der Teilhabe aller Menschen lebt, die miteinander teilt, was wir zum Leben haben. Das Kraftfeld, von dem wir heute reden, ist nicht nur eines der Wirtschaftskraft, der Einfälle, der Energien. Das Kraftfeld Ostseeraum ist eines, das Energie schafft, erneuerbare Energie aus den Gaben und dem Engagement der Vielen, die sich einbringen.

Kraftfeld so verstanden ist eine haltende Struktur – haltend auch für jene, die an den Rand gedrängt sind, denen Arbeit und Identität verloren zu gehen drohen. Ein Kraftfeld lässt niemanden hinaus fallen.

Für uns als Christen ist es selbstverständlich, dass sich Gesellschaft, dass sich Werte, dass sich auch Demokratie nicht aus sich selber heraus gründen und begründen kann. Die Voraussetzungen, aus denen wir leben, schaffen wir uns letztlich nicht selbst. Wir Christen wissen alles aufgehoben in und durch Gott.

Sowohl in Kirche als auch in Wirtschaft ist derzeit etwas in Gange, was ich als die Neuentdeckung des Sozialraumes bezeichnen möchte.

Die IHK Rostock hat ein Kompetenzteam „Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (CSR)“ gebildet. (Corporated Social Responsibility)  Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft hat in der Region gerade ein größeres CSR Projekt abgeschlossen.

Ohne funktionierende Sozialräume gibt es keine erfolgreiche Wirtschaft. Ohne funktionierende Sozialräume sind der soziale Friede und damit die Demokratie akut gefährdet.

Die Sozialräume im Gebiet der Nordkirche sind höchst unterschiedlich: Wir haben neben gut funktionierenden urbanen Zentren im Bereich der gesamten Nordkirche – auch in Schleswig-Holstein – weite ländliche Räume, in denen die ausgedünnten Strukturen – auch die kirchlichen – schmerzhaft überdehnt sind.

Stadt und Land sind wie Glieder eines Leibes. Wenn es einem von beidem schlecht geht, kann es auf Dauer auch dem anderen nicht gut gehen.

Für die Kirche ist dieses Bild grundlegend und wohl vertraut. Denn der Apostel Paulus hat es für uns geprägt. Er verwendet dieses Bild nicht nur für die Dynamik von Stadt und Land, sondern für das Leben menschlicher Gemeinschaft vor Gott überhaupt: „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ (1. Kor 12,26).

Da ist sie wieder, die bereits angesprochene Dialektik der christlichen Wahrnehmung: Stark sind wir (nur) dann, wenn wir eine Schwäche für Schwache haben. Und in diesem Sinne gilt:

Wir sind ein „Kraftfeld Ostseeraum“ nur, wenn wir uns zusammen stark machen für ALLE.

Meine Damen und Herren, darum soll es heute Abend gehen. Ich danke für Ihr Kommen und für Ihr Mitmachen!

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