21. September 2023 | St. Petri-Dom Schleswig

„Herr, wir gehen Hand in Hand…“

26. September 2023

Ansprache bei der Trauerfeier anlässlich des Todes von Altbischof Dr. Hans Christian Knuth

Liebe Frau Knuth-Baschek, liebe Familie Knuth, liebe Trauergemeinde!

„Herr, wir gehen Hand in Hand…“
Wenn es Abend wurde, sind Sie, liebe Frau Knuth-Baschek, und Ihr Mann bis zuletzt regelmäßig ein Stück vor Ihrem Haus miteinander gegangen. Dabei haben Sie sich gegenseitig Halt gegeben.

Das ihnen so vertraute Lied von Otto Riethmüller, das wir gerade gesungen haben, bedeutete Ihnen viel, ja, es wirkt für dieses Bild von Ihnen beiden auf den kleinen, abendlichen Spaziergängen in ihrer Kieler Straße wie ein Rahmen. Ein Rahmen, der verstehen lässt, was man dort sah:

Herr, wir gehen Hand in Hand,

Wandrer nach dem Vaterland;

lass dein Antlitz mit uns gehn,

bis wir ganz im Lichte stehn.

Hand in Hand, in ein anderes Licht gestellt, sind sie zusammen durchs Leben gegangen.

Wobei, das haben Sie, liebe Frau Knuth-Baschek, mir erzählt, sie beide regelmäßig lebhaft darüber diskutiert haben, woher dieses Licht eigentlich kommt.

Ihr Mann hatte eine klare Position: Dieses Licht kommt immer von außen – „extra nos“. Die, die wir ihn als beindruckenden, profilierten lutherischen Theologen kannten, können uns das sofort vorstellen.

Sie haben dagegengehalten: „Nein, es kommt auch von innen, so habe ich es selbst so erfahren.“

Gemeinsam haben sie dann in religionsphilosophischen Lexika bei den verschiedenen Autoren nach Argumenten für Ihre jeweilige Auffassung gesucht haben und weiter diskutiert.

Vor einer Woche starb Ihr Mann dann plötzlich und unerwartet nach einem Sturz und der Diagnose im Krankenhaus, dass er eine schwere Infektion in sich trug. Er hatte nicht mehr genügend Kräfte mobilisieren können.

Diese Nachricht hat viele Menschen erschüttert.

Heute nun müssen wir von Hans Christian Knuth Abschied nehmen und hoffen darauf, dass er jetzt wirklich, wie es bei Riethmüller in der Liedstrophe heißt, ganz im Licht bei Gott stehen wird.

Ebenso erinnern uns heute an die Wege seines Lebens. An ganz viel Lichtvolles, an Momente, in denen er selbst für viel Klarheit sorgte, aber auch an Zeiten, die ihm wie ein „finsteres Tal“ vorgekommen sein mögen.

Er wurde am 6. September 1940 in Greiz in Thüringen geboren und wuchs dann in Hamburg, vor allem aber in Flensburg mit seinem älteren Bruder Peter und der mittleren Schwester Evi auf. Seinen Vater sah er erstmals mit zehn Jahren, als dieser endlich aus Gefangenschaft kam. Regelmäßig wurde der Psalm 126 in seiner Familie gebetet, den auch wir vorhin gesprochen haben:

„Wenn der Herr die Gefangenen Zions befreien wird,
dann werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein…“

Es folgte die Schulzeit in Flensburg und seine Aufmerksamkeit galt auch dem stets anregenden Diskurs mit seinen älteren Geschwistern. Dort lernte er auch, die Trompete zu spielen.

Er studierte anschließend Theologie und auch Philosophie in Tübingen, Zürich und der Universität in Kiel, dessen Ehrendoktor er später werden sollte. Es folgte die Promotion bei Gerhard Ebeling. Er selbst formulierte es einmal so:

„Da war mein großes Glück mein Doktorvater Gerhard Ebeling, der mich beim Promotionsstudium in Zürich mit der Hermeneutik – der Entdeckung der Sprache und der Lehre des Verstehens – vertraut machte. Dabei ging es, ganz im Sinne Heideggers, nicht nur um das Verstehen von Texten, sondern es ging um das Daseinsverständnis. Ich verstehe nicht nur einen Text, sondern ich verstehe mich selbst durch Texte.“  

Nach dem Vikariat war er ab 1970 Gemeindepastor in Kiel Hassee. In diese Zeit fiel auch die Hochzeit von Ihnen beiden am 15. März 1975 – begleitet von den Kindern einer Ihrer Schulklassen. 

Dann wurde Dr. Hans Christian Knuth Referent der Kirchenleitung und ab 1979 Studienleiter am Predigerseminar Preetz. Im September 1979 wurde Ihr Sohn Hans Christian geboren, sodass Sie fortan eine kleine Familie zu dritt waren. 

Im Jahr 1981 folgte der Umzug nach Hannover, wo Dr. Knuth als  Oberkirchenrat im Referat für Theologische Grundsatzfragen der VELKD arbeitete. Von 1985 bis 1991 war er Propst im Kirchenkreis Eckernförde.

Von 1991 bis 2008 wirkte er als Bischof für den Sprengel Schleswig der Nordelbischen Kirche – dieser Dom war seine bischöfliche Predigtstätte.

In diese Zeit fiel jeweils für viele Jahre seine Beauftragung als Catholica-Beauftragter der VELKD und als Leitender Bischof der VELKD. Als Vorsitzender der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche war er mit dem Reformprozess und mit den ersten wichtigen Beratungsschritten zur Bildung der Nordkirche eng verbunden.

Er war neun Jahren Vorsitzender in der „Meißen-Kommission“ der EKD mit der Anglikanischen Kirche, für ihn ein Herzensthema. Ein besonderes Augenmerk hatte er auch für das kirchliche Leben im deutsch-dänischen Grenzland. In seine Amtszeit fiel 1997 die Übertragung der Heilig-Geist-Kirche an die Dänische Kirche in Südschleswig.

Im Herbst 2008 folgte seine weit beachtete Verabschiedung – nach einem reichen Arbeitsleben erreichte er den Ruhestand.

Viele habe Bischof Dr. Knuth in Predigten, Vorträgen, Berichten vor der Nordelbischen Synode, bei Ordinationen und in den Leitungsgremien erlebt.

Er war umfassend belesen und hatte einen weiten theologischen Horizont. Ihm lag besonders daran, dass lutherische Identität das kirchliche Handeln nicht nur auf den verschiedenen Leitungsebenen prägt, sondern auch und gerade an der kirchlichen Basis, in den Gemeinden.  

In diesem Sinne möchte ich Martin Luther zitieren, der im Sermon von der Bereitung zum Sterben u.a. folgendes schrieb:

„Wenn so jedermann Abschied auf Erden gegeben ist, dann soll man sich allein zu Gott richten, wohin der Weg des Sterbens sich auch kehrt und uns führt. Und hier beginnt die enge Pforte, der schmale Stieg zum Leben. Darauf muss sich jeder getrost gefasst machen. Denn er ist wohl sehr eng, er ist aber nicht lang. Und es geht hier zu, wie wenn ein Kind aus der kleinen Wohnung in seiner Mutter Leib mit Gefahr und Ängsten geboren wird in diesen weiten Himmel und Erde, das ist unsere Welt: Ebenso geht der Mensch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben. Und obwohl der Himmel und die Welt, darin wir jetzt leben, als groß und weit angesehen werden, so ist doch alles gegen den zukünftigen Himmel so viel enger und kleiner, wie es der Mutter Leib gegen diesen Himmel ist.“

Hans Christian Knuth brachte auch eine profilierte Stimme in die Diskussion gesellschaftlicher Themen ein und schätze den interdisziplinären Dialog, z.B. in dem Medizinisch-Theologischen-Kolloquium, das es noch heute hier in Schleswig gibt. Für viele Politikerinnen und Politiker war er ein wichtiger Gesprächspartner.

Brachte er einen weiten theologischen Horizont in viele Debatten ein, so hat er bei bestimmten Fragen Positionen bezogen, die damals sehr umstritten waren und aus heutiger Sicht erst recht. Z. B. in den Debatten um die Bewertung und Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften.

Er hat Höhen und Tiefen des Bischofsamts durchlebt und es insgesamt genossen. Auch wenn es ihn zeitweise zerrissen hat zwischen der Verantwortung für die Familie und den zahlreichen dienstlichen Herausforderungen – zwischen Präsenz in Schleswig und weiten Reisen. Viele erinnern sich: Mit zuckerhaltigen Aufputschmitteln versuchte er, allem gerecht zu werden und die Müdigkeit zu bekämpfen.

Vor allem aber denke ich an sein bescheidenes Auftreten und seine so eigene freundliche Art, mit der er offen auf seine Mitmenschen zuging. Ich habe das sehr geschätzt an ihm.

Das Pauluswort von dem Schatz in irdenen Gefäßen wird ihm sehr vertraut gewesen sein – und vielleicht auch eine Hilfe. Der Schein, der durch den Schöpfer in unsere Herzen gegeben wird, auf dass wir die Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus erkennen.

Ein Licht, das im Herzen leuchtet, wie Sie, liebe Frau Knuth-Baschek, es sahen; ein Schein, vom Schöpfer uns ins Herz gelegt, extra nos – wie es Ihr Mann sah.

In jedem Fall haben wir dankbar gespürt: Es leuchtete etwas hindurch, durch den Menschen und den Theologen Hans Christian Knuth.

War Bischof Dr. Hans Christian Knuth in seinem bischöflichen Amt sehr präsent in der Öffentlichkeit, so änderte sich dies deutlich im Ruhestand. Viele Jahre sind Sie gemeinsam Hand in Hand gegangen, mit mehr Zeit füreinander und für Ihren Sohn. Gelegentlich waren Sie zu Besuch in Schleswig, auch hier im Dom.

Wir erinnern uns an seinen 80. Geburtstag, den wir am 6. September 2020 hier im Dom feiern konnten. Und sie haben gesagt: Es ist nicht der 80. Geburtstag, sondern der 160.! Weil Sie beide 80 wurden.

Angang Mai 2022 haben wir hier im Dom mit einem festlichen Empfang auf 30 Jahre Partnerschaft mit der Diözese Ely geschaut. Wir hatten Dr. Knuth eingeladen und er hielt ein beeindruckendes Grußwort an diesem Abend. Die Lutherakademie war ihm stets besonders wichtig.

Vor wenigen Wochen rief er mich an und sagte bedauernd, er könne den Einladungen der Nordkirche nicht mehr folgen. Er würde das sehr bedauern und wir sollten wissen, dass er gleichwohl mit Interesse alles verfolgen würde und uns verbunden wäre, aber ihm würden die Kräfte fehlen.

Heute ist sein Leib noch einmal in seinem Schleswiger Dom und gleich werden wir ein Morgenlied aus Dänemark singen, das dort bei allen Beerdigungen gesungen wird: „Sieh da hebt die Sonne sich aus dem Meer.“

Es beginnt mit den wunderbaren Strophen zum morgendlichen Licht: Erst der Dank an Gott, der da sprach, Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten...

Und dann folgte die 4. Strophe wie ein Gebet:

Laß mich denn einst ziehen mit letzter Fracht,

laß hinaus mich segeln aufs Meer der Nacht:

Du bist ja mein Vater, o Gott des Lichts,

deine Hand entreißt mich dem Netz des Nichts.

Und zuletzt die österliche Strophe:

Sieh, dann hebt die Sonne sich übers Meer

Und vertreibt auf immer, was schwarz und leer.

O der Siegesjubel! Das Licht liegt hell

Auf des Lebens Küste, steht ewig still.

Hans Christian Knuth möge nun schauen, was er geglaubt hat.

Amen

Datum
26.09.2023
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