"Auf Poller sitzen, Schiffe gucken, Klappe halten"
02. Mai 2023
Klausdorf, Ortsteil Barhöft. Männer-Council statt Gottesdienst: Mit einem „Männerrat“ startet heute Nachmittag (2. Mai) die Haupttagung der Arbeitsgemeinschaft Männerarbeit der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) in Barhöft nördlich von Stralsund. Rund 50 haupt- und ehrenamtlich Tätige tauschen sich bis Donnerstag über spirituelle Bedürfnisse von Männern und entsprechende kirchliche Angebote aus.
Der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern wird Gäste aus ganz Deutschland in der Nordkirche begrüßen. Tilman Jeremias sagt: „Glauben hat sehr viel damit zu tun, zu vertrauen und sich einzulassen auch gegen die Vernunft. Allerdings ist unser Männerbild immer noch bestimmt von Rationalität. Dabei erlebe ich, dass viele Männer eine Sehnsucht haben, vertrauensvoll zu leben, statt ständig im Modus der Kontrolle und Optimierung leben zu müssen.“ "Vernunft und Vertrauen" ist auch das Thema, über das der Bischof mit Susanne Bowen, Staatssekretärin im Wissenschaftsministerium, diskutieren wird.
Vor allem Männer zwischen 25 und 45 treten aus Kirche aus
Um das Glaubensleben von Männern kümmert sich Martin Rosowski seit dreißig Jahren für die EKD. Dass dies in einer über Jahrhunderte von Männern geprägten Kirche nötig ist, muss er häufig erklären: „Obwohl Kirche noch immer überwiegend von Männern geleitet wird, schafft sie es dennoch häufig nicht, diesen Heimat zu bieten. Das sehen wir seit Jahrzehnten auch an den Zahlen. Vor allem Männer zwischen 25 und 45 Jahren kehren der Kirche den Rücken.“
Als eine Ursache diagnostiziert Martin Rosowski: „Männer und Frauen haben unterschiedliche Zugänge zu Religion und Spiritualität. Männer finden ihre Zugänge eher jenseits einer kirchlichen Dogmatik. Sie wollen eigene spirituelle Erfahrungen machen, etwa in der Natur, bei Pilgerwanderungen oder bei stillen Tagen im Kloster.“
Deshalb startet die Tagung in Barhöft mit einem sogenannten Männer-Council, einem gleichberechtigten Austausch über Lebens- und Glaubensfragen. „Wir machen die Erfahrung, dass Männer sich wohl fühlen in der Kirche, wenn sie merken, dass es um ihr Leben geht, um Themen, die sie umtreiben, und ihnen nicht vom Katheder herab gesagt wird, was ihre Fragestellung sein sollten“, so Rosowski. Die Kirche müsse die Erfahrungen und die Lebenswelt von Männern noch stärker in den Blick nehmen. Die Nordkirche mit ihren zahlreichen Angeboten in der Natur wie einer Nacht des Feuers oder dem SeeMANNsgottesdienst sei dabei ein Vorbild, lobt er. „Viele Männer, die zu einer Outdoor-Andacht kommen, würden am Sonntag niemals in die Kirche gehen.“
Nacht des Feuers und Seemannsgottesdienst
Gastgeber der Tagung ist das Männerforum der Nordkirche. Ralf Schlenker ist Männerpastor im Sprengel Mecklenburg und Pommern. Er ist überzeugt: Beim Kettensägen- oder Sargbaukurs kommen Männer miteinander ins Gespräch, auch über Themen wie Schöpfung und Endlichkeit. Dagegen erfüllten Gottesdienste am Sonntag die spirituellen Bedürfnisse von Männern oftmals nicht. Mit einem Augenzwinkern sagt er: „Männer-Meditation, das heißt bei uns im Norden: Auf einem Poller sitzen, Schiffe gucken und Klappe halten.“ Aber auch die alten kirchlichen Rituale erlebt er als „sehr kraftvoll“: „Bei unseren Männerrüsten gehören Beichte, Abendmahl und Segen mit Handauflegen unbedingt dazu. Dabei entsteht eine unbeschreibliche Power. Das tut den Männer gut.“
Schlenkers Engagement hat Erfolg: Jedes Jahr begleitet er zwei bis drei Neugründungen von Männergruppen in den Kirchengemeinden im Land. Als Beispiele nennt er Rostock-Reutershagen, Lohmen oder Greifswald.
Vater-Kind-Wochenenden sind der Renner
Erfolgreichstes Männerprojekt der Kirche in Mecklenburg-Vorpommern sind schon seit Jahren die Vater-Kind-Wochenenden, die inzwischen zahlreiche Kirchengemeinden anbieten. „Da kommen genau die jungen Männer im Alter um die 30, die der Kirche distanziert gegenüberstehen“, erzählt Ralf Schlenker. „Am Abend, wenn die Kinder betreut sind und die Männer unter sich, sprechen sie über ihre Rollen als Partner und Vater. Auch diejenigen, von denen man denkt, dass sie gar nicht über sich sprechen würden. Aber das bricht dann auf, weil es so cool ist, mit den Kindern mal Zeit zu haben und sie das bewegt.“
50 Väter und ihre Kinder waren beim letzten regionalen Treffen dabei. Ralf Schlenker erinnert sich: „Ein Kind fragte seine Schwester: Haben wir Bettwäsche dabei? Ist doch egal, sagte die, wir sind doch mit Papa unterwegs.“