Azubi-Gottesdienst am 31. August 2023 in der Hauptkirche St. Michaelis Hamburg
31. August 2023
Predigttext zu Genesis 32,27
Lieber Herr Senator Rabe, liebe Auszubildende, liebe Eltern, Freunde und Freundinnen, liebe Ausbilderinnen und Ausbilder, liebe Musik, liebe Alle,
ganz ehrlich: Mit zu den schönsten Gottesdiensten im Jahr gehören für mich diese Azubi-Gottesdienste. Weil es einfach so viel Hoffnung ausstrahlt, Sie und euch mit all euren Talenten hier zu erleben. Engagiert, zukunftsmutig, musikalisch, mit der Lust etwas zu gestalten und bisweilen auch die Welt zu retten, vor allem aber das eigene Leben kraftvoll anzupacken. Es steht alles auf Anfang.
Klar sind da auch Ängste und Konflikte, das haben wir ja eben gehört. Aber allein, dass ihr lernen wollt, fürs Leben und dafür, einen guten Job zu machen, zu lernen, eine sensible Kranken- und Altenpflegerin oder ein genialer Feingerätemechatroniker zu werden oder eine experimentierfreudige Chemielaborantin oder ein fröhlich automobilverkaufender FSJler oder ein überaus geduldiger Groß- und Einzelhandelskaufmann – in all dieser, eurer Energie liegt so viel Segen, heißt: so viel Kraft, auch für unsere Gesellschaft.
Denn die braucht nicht nur Fachkräfte jede Menge, sie braucht überhaupt Kraft. Um all die Krisen und Müdigkeiten zu bestehen, die derzeit so viele belasten. Die Gesellschaft braucht junge Menschen, die etwas wollen. Die positiv im Leben stehen und sich für Vielfalt, wie wir sie hier erleben, einsetzen und für die Würde des Menschen und für Frieden und Zusammenhalt. Danke euch dafür!
Mich berühren bei diesen Gottesdiensten deshalb auch solche Momente wie eben, wenn ihr von euch erzählt. Wenn ihr eure Erfahrungen, eure Ängste vor der Zukunft genau wie eure Träume beschreibt und sie sozusagen ins Gebet nehmt.
Oder dieser Moment, der kommt ja gleich, wenn ihr euch persönlich den Segen zusprechen lasst, ganz gleich ob als Christin oder Muslim, Jüdin oder Buddhistin oder irgendwas dazwischen. Das war so berührend in den letzten Jahren! Als etwa die etwas ältere schwangere Pflegekraft-Auszubildende aus Ghana mich bittet, auch ihr Kind mitzusegnen. Oder wenn ein über zwei Meter großer Hafenlogistiker sich treuherzig herunterbeugt (und zwar reichlich), weil er möchte, dass ich beim Segnen meine Hände auf seinen Kopf lege. Oder wenn eine fröhliche Gruppe von Umwelttechnikerinnen mich bittet, sie zusammen zu segnen, weil es eine gemeinsame Klimaschutzbewegung braucht. – Ich sag euch, das sind Gänsehautmomente.
Denn irgendwie fühlt man, der persönlich zugesprochene Segen ist etwas ganz Besonderes, er verändert etwas in dir. Weil er dir zuspricht: Du bist so unerhört wertvoll als Mensch, hast eine unverbrüchliche Würde, deshalb soll alles, was in Zukunft passiert, sich zum Guten für dich wenden. Gerade wenn einem mulmig ist und man echt kämpfen muss. Das haben ja alle schon mal erlebt, ob Azubi, Ausbilderin, Berufsschullehrer, Senator, Bischöfin. Und so braucht man manchmal eine „Portion“ mehr Segen, um Ängste zu überwinden und mutig den wichtigen Schritt nach vorn, über eine Schwelle in neues Land zu tun.
Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest. Der biblische Jakob sagt das, nachdem er eine ganze Nacht, das heißt in einer dunklen Zeit, mit einer dunklen Macht, einem Engel oder mit Gott – das weiß man gar nicht so genau – gekämpft hat. Denn: Jakob war echt kein Held. Hatte so manches in seinem Leben schon vergurkt. Und mulmig war ihm auch. Aber er hatte viel Gutes in sich, das er in dieser Nacht quasi erkämpft hat. Ab da wurde er nämlich ein klügerer und ein zugewandter Mensch, eine Art Landesvater; stark auch deshalb, weil er seine Fehler eingestehen konnte. Aber das war erst einmal ein hartes Ringen. Mit sich selbst und mit diesem Gottesboten, dem Engel dort am Fluss Jabbok. Und er hat gemerkt: Er brauchte den Segen, um von einem Ufer zum anderen, um vom Konflikt in die Versöhnung, um vom Dunkel ins Licht seiner Möglichkeiten zu kommen.
Ich lasse dich nicht los, spricht er deshalb zu dem Engel, es sei denn, du segnest mich jetzt. Ganz persönlich. Mit meinen Kindern. Meinen Grenzen. Meinen Verletzungen. Mit meinen Träumen. Es braucht jetzt an dieser entscheidenden Lebensschwelle eine Kraft, die ein anderer mir gibt und die meine Hoffnung stärkt, dass es gut wird in Zukunft.
Ein bisschen wie Jakob mag es ja auch bei euch und Ihnen sein: Dass man da nicht unbedingt am Jabbok, aber an der Elbe steht und merkt, wie vieles in der Welt und im eigenen Leben derzeit im Fluss ist. Weil man etwa noch nicht richtig weiß, wo es hingehen wird. Ob die Lehrstelle die richtige ist. Ob die Kollegen einen mögen. Ob man’s in der Berufsschule packt und Anschluss findet. Ob man Konflikte gut lösen kann. Und so braucht’s wie bei Jakob Segen. Er gibt einem Schwung und das Gefühl anerkannt und erwünscht zu sein auf dieser Welt. Auch in der Welt der Ausbildung. Ein Segen ist‘s deshalb, wenn die Ausbilder*innen gleich zu Anfang zeigen: „Herzlich willkommen! Wir freuen uns, dass du da bist.“ Allzumal, da die Betriebe wirklich händeringend Azubis suchen.
Und ein Segen ist’s, wenn die Kolleginnen einem zwischendurch ein ermutigendes: „Hau rein, das schaffen wir schon!“ zurufen. Und wenn ein Senator wertschätzend ausdrückt, wie wertvoll jede und jeder Einzelne nicht nur für die Betriebe ist, sondern für die ganze Stadt, ja die Gesellschaft.
Ihr merkt: Segen, das sind nicht nur Wörter. Segen ist Kraft und Zuspruch. Bedingungslos. Segen ist wie ein schützendes Dach über deinem Leben. So dass du Zutrauen zu dir und deinen Begabungen und Talenten behältst. Und losgehst, es gibt so viel zu entdecken! Und zu bewirken. Ihr habt anderen so viel zu geben! Ihr habt ja tatsächlich die Möglichkeit, für das soziale Gesicht unseres Landes einen ganz eigenen Beitrag zu leisten. Und so gehören auch Segen und Sinn des Lebens zusammen. Als gesegneter Mensch nämlich hast du die Kraft, sinnstiftend für andere da zu sein. Deshalb ist er hier und heute so zentral: Ohne Segen kein Bewegen.
Also los: Du hast ein Ziel, eine Aussicht. Das ist ja gar nicht selbstverständlich! Da liegt so viel Gutes vor dir und in dir. Großartig. Wenn das nicht Hoffnung pur ist! Für unsere Stadt und für unser Land, das mutige Menschen braucht, um durch die Krisen zu kommen.
Und so nehmt ihn bitte gern gleich mit, euren ganz persönlichen Segen, dass ihr zuversichtlich bleibt – mit Gott und allen Engeln des Himmels an der Seite – morgens, wenn ihr früh aufstehen müsst. Mittags, wenn ihr eine Pause braucht. Abends, wenn der lange Tag hinter euch liegt. Jetzt. Bleibt behütet – und voller Kraft für den Frieden.
Amen.