Begleitung bis zum Tod - Regina Claassen ist ehrenamtliche Hospizbegleiterin
12. Oktober 2015
Hamburg. Regina Claassen bringt immer viel Zeit mit, wenn sie Erika M. besucht. Die 52-Jährige reicht Erika M. Cola, fährt sie in ihrem Rollstuhl durchs Haus und spricht viel mit ihr. Spaziergänge sind jetzt nicht mehr möglich, denn die 62-jährige wird aller Voraussicht nach in einigen Wochen sterben. Claassen ist ehrenamtliche Hospizhelferin beim Verein Hamburger Hospiz, der in Altona das Helenenstift betreibt. Rund 100 ehrenamtliche Hospizbegleiter sind hier tätig.
Als die beiden Frauen sich vor zwei Jahren erstmals trafen, war Erika M. noch berufstätig und hatte ein eigenes Haus mit einem großen Garten. Im Jahr 2000 wurde bei ihr erstmals Krebs diagnostiziert und behandelt. 2013 wurde erneut ein Tumor festgestellt. "Da wusste ich, nun ist zappenduster", sagt Erika M. nüchtern. Sie erkundigte sich beim Hospiz nach Möglichkeiten einer Sterbebegleitung.
Etwa ein- bis zweimal im Monat kommt Claassen zu Besuch. Dabei standen Krankheit und Tod anfangs gar nicht im Mittelpunkt der Gespräche. "Wir haben viele Spaziergänge durch die Parks gemacht", erinnert sie sich. Gemeinsam haben sie im Garten gewerkelt und viele Tassen Cappuccino getrunken. Nach einem Jahr war echtes Vertrauen gewachsen. Seitdem sind sie per Du.
Wichtig ist der Hospizhelferin allein was ihr Gegenüber wünscht
Es sei nicht einfach, das Verhältnis zwischen ihnen zu beschreiben, sagt die Hospizbegleiterin. Sie sei einerseits keine echte Freundin, aber sie habe auch keine professionelle Distanz wie Ärzte oder Pflegekräfte. Sie sei bei ihren Besuchen mit allen Sinnen und Gedanken anwesend bei der anderen. Wichtig sei allein, was ihr Gegenüber wünsche. Eigene Bedürfnisse müssten dabei zurückstehen.
"Ich weiß, dass sie jetzt nur für mich da ist", sagt auch Erika M. über ihre Hospizbegleiterin. Wenn sie Besuch von einer Freundin oder den Kindern bekomme, sehe sie, dass die anderen mitleiden. Das sei für sie auch belastend. "Sie versuchen es zu verbergen, aber ich merke es trotzdem."
"Urlaub vom Ego" umschreibt Hospizsprecherin Angela Reschke die Haltung der Hospizhelferinnen. Wer sich auf dieses Ehrenamt einlasse, müsse die eigene Ohnmacht vor dem Sterben zulassen und Bescheidenheit lernen. Es sei oft mühsam zu akzeptieren, über das Sterben ihres Gegenübers nichts wissen zu können.
Die Begegnungen tun beiden Seiten gut
Vor vier Jahren entschied sich Claassen für eine Ausbildung in der ambulanten Hospizbegleitung. "Ich war überrascht, noch so viel über mich selbst zu erfahren." Fünf todkranke Menschen hat sie bislang begleitet. Seit drei Wochen lebt Erika M. im stationären Hospiz Helenstift. Sie habe, sagt Claassen, durch die Begegnungen mit Erika M. einen neuen Blick auf das Leben und seine Endlichkeit bekommen. "Es tut uns beiden gut."