Bischöfin Fehrs: „Religion nicht den Fanatikern überlassen“
31. Oktober 2023
Bischöfin Fehrs rief in ihrer Predigt zum heutigen Reformationstag die Religionsgemeinschaften angesichts der Kriege in Nahost und in der Ukraine dazu auf, entschieden gegen Gewalt und Fanatismus einzutreten.
Hamburg, Wittenberg. In ihrer Festpredigt zum Reformationstag (31.10.) in der Schlosskirche zu Wittenberg mahnte Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche): „Es ist heute notwendiger denn je, dass religiöse Menschen aufstehen und ihre heiligen Schriften nicht den Scharfmachern und Fanatikern überlassen. Reformation heute, das heißt auch, dass Religionsgemeinschaften sich immer wieder auf ihren Kern besinnen, der das Leben will und nicht die Gewalt.“
Religion wird zu häufig für politische Ideologien vereinnahmt
Es sei eine wesentliche Erkenntnis Martin Luthers gewesen, dass Staat und Kirche unterschiedliche Aufgaben hätten, so die Bischöfin. „Seine Erfahrung war: Wo die Kirche selbst politische Macht ausübt, wird die Religion zum Zwangssystem und der Staat totalitär. Wie wichtig gerade in diesen Zeiten, in denen die Religion an so vielen Orten vereinnahmt wird für politische Ideologien! In denen sie Rechtfertigung ist für Unterdrückung oder Brandbeschleuniger für Gewalt. Wir erleben diesen Missbrauch der Religion an so vielen Orten, in den kriegstreiberischen Aufrufen eines Patriarchen Kyrill ebenso wie im Gottesstaat Iran oder in den ‚Gott ist groß‘-Rufen der Hamas-Terroristen.“
Die Bergpredigt ist kein Regierungsprogramm
In ihrer Predigt über die Seligpreisungen der Bergpredigt sagte die Bischöfin weiter: „Das Evangelium ist keine Staatslehre, und die Bergpredigt ist kein Regierungsprogramm. Sie ist vielmehr ein Gegenüber zu Macht - und gerade darin politisch. Sie gibt Orientierung, einen Kompass. Ich glaube, wir brauchen sie mehr denn je. Um uns nicht anstecken und vergiften zu lassen vom Hass. Um besonnen zu bleiben und immer wieder zum Frieden zu mahnen, der sich eben nicht allein durch Waffengewalt durchsetzen lässt.“
Antisemitismus fordert ein unmissverständliches Nein
Entschieden verurteilte die Bischöfin jede Form von Antisemitismus: „Er fordert unser unmissverständliches Nein. Er ist menschenverachtend. Gottlos. Nicht zu dulden.“ Und rief zugleich zum Einsatz für die Demokratie auf. „Unsere Demokratie ist jetzt angewiesen auf den besonnenen, mitfühlenden, handelnden Menschen. Der weiß, dass Würde kein Konjunktiv ist. Mit starkem Ich für ein Wir, das sich entschlossen gegen Rassismus und Terror stellt, wo und wie auch immer.“