Bischof Abromeit bei der Eröffnung der Ausstellung „Wolfskinder“
08. Mai 2019
Greifswald. „Nicht Institutionen tragen das Leid, sondern Individuen.“ Dies betonte Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit in seinem Grußwort zur Eröffnung der Ausstellung „Wolfskinder. Auf dem Brotweg von Ostpreußen nach Litauen 1945–1948“ im Greifswalder Dom St. Nikolai. Der Greifswalder Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) sagte am Mittwochabend (8. Mai): „Die Geschichte wird auf dem Rücken von Menschen ausgetragen. Allzu oft sind die Opfer von Gewalt nicht deren Verursacher. Besonders schmerzhaft wird es dann, wenn es Kinder sind, die verletzt, entwurzelt und verwaist werden. Wir haben ihre Schicksale buchstäblich vor Augen.“
Die Ausstellung dokumentiert das Schicksal von Kindern, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg nach Litauen aufmachten, um dem drohenden Hungertod im nördlichen Ostpreußen zu entkommen. Dort schlugen sie sich arbeitend und bettelnd durch. Ein Teil von ihnen wurde nach der sowjetischen Machtübernahme nach Sibirien verschleppt, einige kamen als Arbeitskräfte bei litauischen Bauern unter, wobei sie ihre Herkunft und Identität verbergen mussten. Heute leben noch einige Hundert von ihnen in der seit 1990 wieder unabhängigen Republik. Die Ausstellung stützt sich auf Berichte ehemaliger Wolfskinder und wird ergänzt durch Familienfotos, Dokumente und Landkarten. Auf Monitoren sind zwölf gefilmte Berichte in litauischer und deutscher Sprache zu sehen. Das Litauische Zentrum für die Erforschung von Genozid und Widerstand hat die Ausstellung konzipiert.
Bischof Dr. Abromeit, der selbst ostpreußische Wurzeln hat, sagte zum Ausstellungsort: „Wir sind hier in einem Landstrich, der die Umwälzungen in der Folge des Krieges wie kaum ein anderer verdeutlicht. Die Teilung Pommerns in einen westlichen deutschen und einen östlichen polnischen Bereich, die vielen Flüchtlinge, die hier ankamen und zum Teil mit der Entstehung von zwei deutschen Staaten weiter in den Westen zogen. Diese Ausstellung über Wege, Brüche und Narben nach dem Zweiten Weltkrieg ist hier also genau am richtigen Ort.“
Darius Jonas Semaška, Botschafter der Republik Litauen in Deutschland, schloss sich mit einem Grußwort an. Der Historiker Dr. Christopher Spatz führte in das Thema ein. Als Autor des Buchs „Nur der Himmel blieb derselbe. Ostpreußens Hungerkinder erzählen vom Überleben“ hat er das Schicksal dieser Kinder einem breiteren Publikum bekannt gemacht.
Die Ausstellung ist noch bis zum 10. Juni im Greifswalder Dom St. Nikolai zu sehen.