Sprengelbericht Mecklenburg und Pommern vor der Landessynode

Bischof Jeremias: „Aufbrüche geschehen dort, wo Gemeinden ihre Kirchentüren weit öffnen“

Bischof Tillmann Jeremias bei seinem Sprengelbericht am Rednerpult
© Susanne Hübner / Nordkirche

24. September 2020 von Annette Klinkhardt

Lübeck-Travemünde/Greifswald. Unter einen Bibelvers stellte Bischof Tilman Jeremias seine Erfahrungen aus dem ersten Jahr seines Bischofsamtes: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und Besonnenheit“ (2 Timotheus 1,7). Fast auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Dienstantritt berichtete der Bischof heute (24. September) vor der Landessynode der Nordkirche in Travemünde aus dem Sprengel Mecklenburg und Pommern.

Der Bericht aus einer Hand war eine Premiere, gab es doch zuvor zwei Bischöfe im Sprengel: Dr. Andreas von Maltzahn in Mecklenburg und Dr. Hans-Jürgen Abromeit in Pommern.

Der Vers aus einem neutestamentlichen Brief lenke den Blick auf das Wesentliche – nicht nur in Corona-Zeiten, so der Bischof. Er führte aus: „So viele Geister brechen sich momentan zum Teil brachial Bahn - der Geist epidemiologischer Wissenschaft oder der Geist politischer Macht ebenso wie das raunende Narrativ einer Weltverschwörung, die das Virus als Mittel der Unterdrückung und Manipulation einsetzt. Wie wohltuend ist es da zu hören, dass uns Glaubenden der Geist Gottes geschenkt ist, der uns auf die Wege Jesu leitet!“

Ortsgemeinden: Treue seelsorgerliche Begleitung während Corona-Krise

Entlang des Bibelverses ordnete Tilman Jeremias die kirchlichen Aktivitäten der letzten Monate unter dem Stichwort „Geist der Kraft“ ein. Damit stellte er sich bewusst Vorwürfen entgegen, die Kirche sei vor dem Staat eingeknickt oder habe in der Seelsorge Menschen allein gelassen. „Mein Erleben im Sprengel war und ist, dass es vor allem die Gemeinden und die diakonischen Einrichtungen vor Ort sind, die zur gegenwärtigen Krisenzeit in der Lage und kreativ bemüht sind, den Kontakt zu einsamen und hilfsbedürftigen Menschen zu halten, per Telefon und Brief, durch digitale Formate und Besuche mit Abstand.“

Der Bischof selbst hatte bei einem Besuch der JVA Bützow ein offenes Ohr für die Nöte von Inhaftierten und Beschäftigen. Auch auf der Insel Usedom führte er mehrere Gespräche: „Hart getroffen von der Corona-Krise wurde die für unser Bundesland essenzielle Tourismusbranche. Bei meinem Besuch bei Touristikern und Gemeinden auf der Insel Usedom hörte ich von enormen ökonomischen Nöten, aber ebenso von den vielfältigen Aktivitäten der Gemeinden. Auch kirchliche Beherbergungsstätten kämpfen um ihre Existenz aufgrund der reduzierten Belegungszahlen.“

Die Relevanz von Kirche in der Ausnahmesituation zeige sich „weniger in vollmundigen Deutungen, sondern eher in der treuen seelsorgerlichen Begleitung und in vergleichsweise leisen, tastenden theologischen Versuchen. Gerade in solcher weithin kaum bemerkbarer täglicher Arbeit nahe an den Menschen ist der Geist der göttlichen Kraft spürbar und erlebbar; in der Schwachheit bricht er sich Bahn.“    

Aufbrüche dort, wo Gemeinden ihre Kirchentüren weit öffnen

Den „Geist der Liebe“ sieht der Bischof im kirchlichen Leben im Sprengel am Werk. „In der Weite unseres ländlich geprägten Bundeslandes gibt es trotz der Minderheitensituation erstaunlich zahlreiche Orte vitalen kirchlichen Lebens. Allerdings befindet sich dieses Leben durch die Strukturveränderungen und den rasanten gesellschaftlichen Wandel in einer erheblichen Transformation. Aufbrüche sind dort zu beobachten, wo Gemeinden ihre Kirchentüren weit öffnen und auf die Menschen in ihren Dörfern und Stadtteilen zugehen.“

Ein „Herzensanliegen“ sei ihm die pädagogische Arbeit. „Schulen, besonders evangelische Schulen, werden beispielsweise immer mehr Orte kirchlicher Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“, so Jeremias. Elf Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen konnte der Bischof nach dem neuen Nordkirchengesetz erstmals in Rostock zentral einsegnen: „Nach meinem Dafürhalten bedeutet dies eine Aufwertung der so wichtigen pädagogischen Arbeit in unseren Gemeinden.“

Nicht nur für die Gemeindepädagoginnen machte er sich stark: „Wenn wir in den kommenden Jahren weitere Stellen abbauen müssen, ist es mir ein dringendes Anliegen, dass gemeindepädagogische und kirchenmusikalische Arbeit neben dem Pfarramt prominent hauptamtlich vertreten bleibt. Nur in der Vielzahl der Professionen entstehen handlungsfähige Teams in der kirchlichen Arbeit auf allen Ebenen.“ In Mecklenburg sei dies in einem Stellenschlüssel festgeschrieben, der auch die Bereiche Küster und Verwaltung mit einbeziehe.

Mutig Verantwortlichkeiten abgeben

Pastorinnen und Pastoren müssten weiter von Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Bischof Jeremias meinte: „Wo immer es möglich ist, gilt es, mutig Verantwortlichkeiten abzugeben, damit genügend Kraft und Zeit bleibt für Verkündigung, Seelsorge und Unterricht.“ Im Hinblick auf Herausforderungen wie rückläufige Mitgliederzahlen sagte der Greifswalder Bischof: „Wie können wir beim Kern unseres kirchlichen Lebens, dem Gottesgeist der Liebe, bleiben, auch in den vielen Gremien, im Ringen um die knapper werdenden Ressourcen, in dauernden Strukturprozessen? Ich wünsche mir, dass wir dazu immer wieder innehalten, uns unterbrechen lassen, uns besinnen auf Gottes Wort und im Gebet füreinander einstehen. Es gilt, dem Geist der Liebe unter uns Raum zu geben.“

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