Dienstag, 26. November 2024 | Kapelle des Ökumenischen Forums HafenCity, Hamburg

Chrysostomos-Empfang für die orthodoxen Geistlichen und für die Vertreter:innen der orthodoxen Gemeinden im Bereich der Nordkirche

13. Januar 2025 von Kirsten Fehrs

Abendandacht
Predigt zu Offenbarung 21,1-7

Bischöfin Kirsten Fehrs

Liebe Schwestern und Brüder,

ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. So beginnt eine der eindrucksvollsten biblischen Visionen aus der Offenbarung des Johannes. Vor unserem inneren Auge skizziert diese Vision, wie es sein könnte. Sie lässt uns träumen, von einer neuen Welt.

Ja, lasst uns träumen von einer neuen Heiligen Stadt, einer Gemeinschaft, in der Gott mitten unter den Menschen sein wird, unter allen Menschen und Völkern. Unter den Christen aller Konfessionen und Nationen. Ganz nah und nahbar. Ein Gott, der tröstet und erlöst. Ja, einer, der die Tränen abwischt. Die Tränen der Trauernden. Die Tränen der Leidenden und Sterbenden. Die Tränen der Verstümmelten und Verletzten. Die Tränen der verwaisten Mütter und Väter. Die Tränen der Kinder. Die Tränen der Zerstrittenen. Die Tränen der Sprachlosen. Die Tränen der Mutlosen und Verzweifelten. Unsere Tränen.

Wenn Gott die Tränen getrocknet hat, wird sichtbar, was kommt: Gott macht alles neu. Es gab einen guten Anfang; es wird ein gutes Ende geben. A und O, Alpha und Omega. Gott umfasst unsere Zeit und unsere Wirklichkeit. Was für ein ungeheurer Trost. Alle, die dürsten nach Gerechtigkeit und nach Frieden, nach Frieden zwischen den Völkern, zwischen den Christen, in den Gemeinden und in den Familien, alle die werden Lebenswasser trinken können in Hülle und Fülle.

Was ja heißt: Sie bekommen immer wieder und nicht endend neue Kraft von Gott, um weiter zu lieben, zu hoffen und zu glauben. Trotz allem. Stellen wir uns in diese Vision hinein, sind wir es, die mit allem Lebenswasser getränkt die Hoffnung auf Heilung und Versöhnung nie aufgeben und festhalten daran, dass es durch Gottes Gegenwart in unserer Welt ein neues Miteinander geben kann, einen neuen Himmel, ohne Drohnen und Raketen, und eine neue Erde, ohne Hass und Hetze, ohne Verachtung und Lüge, ohne Hunger und Krieg.

Vor einiger Zeit war ich bei einem Treffen mit der orthodoxen Bischofskonferenz; mit meiner neuen Aufgabe als EKD-Ratsvorsitzender kommt es zu vielen besonderen, in diesem Falle sogar wunderbaren Begegnungen. Einfach, weil sie getragen sind von gegenseitigem Respekt, Neugier, Humor – und von einer tiefen Verbundenheit gegen jede Form der Menschenverachtung, die wir weltweit und auch in diesem Land erleben.

Sowohl Metropolit Augoustinos als Vorsitzender der BK als auch der ACK-Vorsitzende Constantin Miron – wir alle mögen uns sehr – haben für den zunehmenden Rechtsruck europaweit und vor allem gegen diese Hetze, die Geringschätzung und das Schüren der Ängste klare Worte gefunden. Zumal dies eben vielfach auch Menschen christlich-orthodoxen Glaubens betrifft.

Überhaupt, das habe ich gelernt, umfasst ja die orthodoxe Familie in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit eine große Gruppe von über vier Millionen Christenmenschen, die neben den noch größeren Kirchen immer wieder aus dem Blick gerät. Ein Fehler, wie wir fanden, denn es muss unser gemeinsames Interesse sein, von Christus in dieser Welt zu erzählen und sein Licht in die Herzen der Menschen zu tragen. Zu den Kleinen wie den Großen. Und deshalb ist das Gemeinsame so wichtig. Gemeinsamer Religionsunterricht, gemeinsame Feiern, Begegnungen wie diese hier– und die Stärkung unserer gemeinsamen Tradition.

Und Gott wird abwischen alle Tränen. Dass wir diese tröstliche Vision in unserer gemeinsamen Bibel finden, macht mich mutig und froh. Was für ein Schatz! Ein fast trotziger Hoffnungsmut spricht daraus für dunkle und konfliktreiche Zeiten. Ermutigung auf dem Weg durch alle Umbrüche und unglaublichen Veränderungen unserer Zeit.

Faszinierend finde ich, in welcher Zeit dieser Text entstanden ist. Denn er ist heute vielleicht auch deshalb so tröstlich, weil der Text aus dem Jahr 95 nach Christus auf Nöte antwortet, die wir in Teilen nur allzu genau kennen. Wir erinnern uns, die Stadt Jerusalem und der Tempel waren zerstört. Juden und Christen waren, allzumal nach dem letzten verheerenden Aufstand gegen die Römer im Jahr 135 nach Christus, auf je eigene Weise zu heimatlosen Weltreligionen geworden. Kein Ort nirgends. Die Christen lebten in kleinen Gruppen verstreut im römischen Reich. Ein Leben im gesellschaftlichen Abseits. Bis die Obrigkeit doch aufmerksam wurde auf die wachsende Bewegung und sie zu Sündenböcken machte, erst Kaiser Nero, später Kaiser Domitian. Christen, die den Kaiserkult verweigerten, waren in akuter Lebensgefahr.

Das sind wir heute nicht, Gott sei‘s gedankt, wir leben in einem freien Land, mit Religionsfreiheit. Aber das ist ja wahrlich nicht überall so, in vielen Ländern werden Christen bis heute verfolgt; wir werden davon später noch hören. Auch das ein Grund, wach zu sein. Denn das gesellschaftliche Klima auch in unserem Land hat sich sehr verändert. Viele von uns/Ihnen spüren das. Es ist wieder in Mode gekommen, Sündenböcke zu finden für alle möglichen Probleme. Migranten, Minderheiten, auch religiöse, werden angegriffen. Das besorgt mich sehr.

In Hamburg haben wir nach wie vor ein sehr gutes, liberales Miteinander. Wir können uns gegenseitig vertrauen. Vertrauen, das über Jahrzehnte des Austauschs und der Begegnung wachsen konnte. Das hält auch aus, dass wir unterschiedlich geprägt sind und die Welt mit unterschiedlichen Augen sehen. So wichtig ist das! Denn wohin soll das führen, wenn Menschen andere Menschen als feindliche Bedrohung wahrnehmen?

Kamala Harris hat das in ihrem Wahlkampf so schön auf den Punkt gebracht: „People we disagree with are not the enemy!“ Menschen, mit denen wir nicht übereinstimmen, sind nicht der Feind. Damit ist alles gesagt, worauf es in einer demokratischen Streitkultur, im interreligiösen und im ökumenischen Miteinander ankommt: auf die Fähigkeit, einander auch in harten Auseinandersetzungen gelten zu lassen als Menschen, die um gute und tragfähige Lösungen ringen.

Eine der größten Gefährdungen unserer Zeit geht deshalb von politischen Populisten und auch von religiösen Fundamentalisten aus. Sie schüren Ängste, um sie dann mit einfachen Lösungen zu parieren. Gegen diese Angstmacherei konsequent die Vision des Gelingens, eines neuen Himmels und einer neuen Erde zu stellen, ist, so meine ich, der Auftrag aller Christinnen und Christen.

Dazu ermutigt die Offenbarung, des Johannes, der ganz gewiss nicht auf einer einsamen Insel seine Worte schrieb, sondern mitten im Weltgetriebe. Dort wo die Macht des Bösen und die Wucht der brutalen Verfolgung ihm ganz nah rückten. Aber er ist sich sicher, dass die Not ein Ende haben wird. Dass es nach allem Grauen für die Entwurzelten und Heimatlosen eine neue Heimstatt, einen sicheren Ort hier auf Erden geben wird, in einem tausendjährigen Friedensreich, in dem Not, Schmerz, Tod und Geschrei ein Ende haben werden. Bis dahin, so schreibt er, gilt es standhaft und widerständig zu sein, am eigenen Glauben und den eigenen Prinzipien festzuhalten und sich nicht von staatlicher Macht korrumpieren zu lassen.

Mehr davon! Mehr von dieser visionären Kraft, das wünsche ich mir für unsere Zeit. Denn die Vision des Johannes weist einen Ausweg aus unseren Zerrissenheiten und Konflikten. Denn das ist es, was uns Christen tatsächlich stark macht: eine gemeinsame Grundlage im Glauben an Jesus Christus und seinem Zeugnis in der Bibel. Auf diesem Grund stehen wir zusammen, fest gegründet mit dem Himmel über uns. Ein Zusammenstehen, liebe Geschwister, gegen die bösen Mächte unserer Zeit, die so viel Leid und Not verursachen.

Heute ist dafür ein guter Tag. Denn wir holen uns das himmlische Jerusalem für ein paar Stunden mitten in die HafenCity: mit unseren Gebeten und unserem Singen, unserer Neugier und unserer Offenheit füreinander, in unseren Begegnungen und unserem Austausch. Das ist schon der neue Himmel, ein Stück des Friedens, den wir so dringend brauchen: untereinander und in der Welt.

Gib Frieden Herr, gib Frieden – höher als Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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