Das Thema Freundschaft
17. Juni 2024
Liebe Bikerinnen und Biker hier im Münster und draußen vor dem Bildschirm, liebe Gemeinde, ich freue mich sehr, heute hier sein zu können. Es ist sehr beeindruckend mitzuerleben, wie ihr von eurer Ausfahrt hier wieder ankommt, wohl geordnet, aufeinander achtend, eine äußerst friedliche Großgruppe, wenn auch nicht ganz leise. Und das Ganze heute das 25. Mal, ein stolzes Jubiläum! Dass wir dieses Jubiläum heute feiern können, ist neben der Doberaner Kirchengemeinde vor allem zwei Männern zu verdanken: Applaus für Olli und Axel für eure solide und professionelle Organisation, und das seit Jahr und Tag!
Im Pulk zu fahren hat mit viel Umsicht zu tun, aber auch mit Vertrauen. Vertrauen, dass die Maschinen vor, neben und hinter mir nicht plötzlich ausscheren, gefährlich überholen oder abrupt bremsen oder die Richtung wechseln. Als Sozius ist es genauso: Ich kann mich nur hinten drauf setzen auf ein Motorrad, wenn ich überzeugt bin, dass der Fahrer vorn besonnen und sicher unterwegs ist.
Das Thema Freundschaft ist dran in einer Ellenbogengesellschaft
Und damit sind wir schon mitten drin im Thema, das wie jedes Jahr Olli rausgesucht hat: „Freundschaft“, denn Freundschaft hat viel mit Vertrauen zu tun. Lieber Olli, ich bin dir für diese Wahl sehr dankbar, das habe ich dir auch schon beim Bier hier in der Kneipe in Doberan beim Vorbereitungsgespräch gesagt. Denn das Thema Freundschaft ist absolut dran in einer Gesellschaft, in der so viele Menschen einander beschimpfen und fertig machen, im Netz, aber auch in aller Öffentlichkeit. Wir leben in einer Zeit, die, Gott sei’s geklagt, von Hass und Hetze geprägt ist, vom Ellbogen- Ausfahren und brachialer Durchsetzung der eigenen Interessen. Wir setzen mit diesem Gottesdienst ein hilfreiches anderes Zeichen, und das heißt Freundschaft.
Dieses Wort ist eine Steilvorlage für so manche Geschichte aus der Bibel. Ich habe mir eine besonders dramatische biblische Freundschaftsgeschichte rausgesucht, die von David und Jonatan. Gerade bei der Lesung aus der Bibel haben wir einen Ausschnitt dieser Erzählung gehört. Ich muss dazu noch ein wenig weiter ausholen.
Davin und Jonathans Freundschaft als biblisches Vorbild
Jonatan ist Königssohn. Sein Vater sitzt auf dem Thron in Israel. Doch dieser Vater ist ein Choleriker, er kann in Minutenschnelle wütend aufbrausen und alles kurz und klein prügeln. Am Hof hat man ein gute Idee: Der Mann braucht einen Musiker, der schnell seine Harfe auspackt, wenn sich der nächste Wutausbruch ankündigt. So kommt David an den Hof von König Saul.
Und bei Jonatan und David passt es vom ersten Moment an wie Topf und Deckel. Sie werden unzertrennliche Freunde. Der zugehörige Bibelvers ist vielleicht die schönste Definition von Freundschaft überhaupt. Da steht: „Das Herz Jonatans verband sich mit dem Herzen Davids und Jonatan gewann ihn lieb wie sein eigenes Leben.“ (2x) Freundschaft ist, wenn zwei Herzen in Verbindung kommen und sogar Lebensbedrohliches die beiden nicht trennen kann.
Gerade das wird bei den beiden jungen Männern schon bald überlebenswichtig. Denn König Saul gewöhnt sich immer mehr an seinen Harfenspieler David und lässt ihn aufsteigen zu so etwas wie seinem Leibwächter. So kommt es, dass David mit Saul auch in den Krieg zieht. Dort geschieht es, dass David enorm erfolgreich ist. Vielleicht kennt ihr die Geschichte von David und Goliat, als der ehemalige Hirtenjunge mit seiner Steinschleuder den riesigen hochbewaffneten Gegner zu Fall bringt.
Bald singen die Frauen zu Hause: „Saul hat tausend erschlagen, David aber zehntausend!“ Ihr könnt euch vorstellen, dass König Saul über dieses Lied nicht eben amüsiert ist. Er kocht vor Eifersucht. Und da er in der Wut nicht der Typ für die große Verhandlungslösung ist, versucht er David umzubringen, und das mehrmals.
Hier setzt jetzt der Bibeltext ein, den wir gerade gehört haben. Jonatan ist in einer nicht eben komfortablen Lage. Er sitzt zwischen den Stühlen. Da ist auf der einen Seite sein Vater, der König, der Choleriker. Wenn Jonatan es sich mit ihm verscherzt, ist auch sein eigenes Leben bedroht, das weiß er. Und da ist auf der anderen Seite David, sein geliebter Freund. Jonatan hat Angst um ihn, und diese Angst ist nur zu berechtigt. Und niemals will er seine Freundschaft zu David aufgeben.
"Halt an der Freundschaft mit mir fest, solange ich lebe"
David flieht erst einmal, um vor Saul sicher zu sein. Und jetzt trifft er sich mit Jonatan. Saul will, dass David zurückkommt. Und Jonatan soll herausbekommen, ob Saul dieses Mal Gutes mit David vorhat oder ihm gar wieder ans Leben will. In dieser extrem angespannten Situation bittet Jonatan David: „Halte an der Freundschaft mit mir fest, solange ich lebe. Und lass deine Freundschaft nicht abreißen, auch wenn ich sterben sollte.“ Vor Gott beschwören beide, dass sie einander die Treue halten, egal was kommt. Sie rufen Gott ausdrücklich als Zeugen auf für ihren Freundschaftsbund.
Und dieser Freundschaftsbund wird kurz darauf auf eine harte Probe gestellt. Saul vermisst David. Jonatan findet eine Ausrede nach der anderen, warum David nicht da ist. Da wird es seinem Vater zu bunt und er wird wütend auf Jonatan. Saul befiehlt ihm, David zu holen. „David ist ein Kind des Todes!“, ruft Saul in seinem Zorn. „Warum soll er denn sterben?“, fragt Jonatan seinen Vater. Das ist zu viel für Saul. Er schleudert seinen Spieß Richtung seines eigenen Sohnes, um Jonatan zu töten. Der entkommt der Waffe und läuft zum Versteck Davids.
Die beiden umarmen sich und weinen. Und sie erinnern einander an ihren Bund. Nichts soll sie auseinander bringen.
David kann nicht zu Saul zurückkehren. Aber Sauls Zorn gegen ihn verschwindet nicht. Saul zieht aus, um David zu suchen und David muss auf der Flucht bleiben. Doch er wird überleben- auch und vor allem wegen seiner Freundschaft zu Jonatan, der ihm treu bleibt, obwohl das für ihn selbst lebensgefährlich wird.
Freundschaft ist wichtiger als Gehorsam
Welch eine Freundschaftsgeschichte! Bei David und Jonatan geht es um Leben und Tod. Für Jonatan ist klar, dass seine Freundschaft ihm wichtiger ist als der Gehorsam seinem aufbrausenden Vater gegenüber. Und er hält diese Linie durch selbst an der Stelle, als sein eigenes Leben dadurch in Gefahr gerät.
Wir leben- Gott sei Dank- in einem sicheren, freien und demokratischen Land. Wir können uns hier friedlich versammeln, ohne Angst haben zu müssen. Aber der gesellschaftliche Friede unter uns ist durchaus bedroht. Die Gewalt nimmt zu, selbst Politiker, die Wahlkampfplakate aufhängen, werden ohne Ankündigung krankenhausreif geschlagen.
Diese aufgeheizte Atmosphäre hat ganz bestimmt mit den vielen Krisen zu tun, die uns gerade beschäftigen. Doch die Lösung dieser Krisen ist ganz sicher nicht, aufeinander los zu gehen, einander anzubrüllen oder mit Hass zu überschütten. Die Freundschaft von David und Jonatan zeigt einen anderen Weg auf. Und diese Freundschaft gibt David die Kraft, selbst auf Gewalt zu verzichten. Auf seiner Flucht hat er zweimal die Gelegenheit, Saul im Schlaf seinerseits umzubringen. Er verzichtet darauf. Gewalt löst kein Problem.
Wie hilfreich und tröstlich ist es dagegen, jemanden zu haben, auf den ich mich verlassen kann, gerade auch in brenzligen oder gar gefährlichen Situationen! Es ist eine große Illusion zu meinen, dass wir allein klarkommen. Wir brauchen einander. Jeder kennt die Situationen, wo er einmal Hilfe nötig hatte. Irgendwann werden die Kräfte von uns allen weniger und wir sind angewiesen auf Unterstützung.
Es könnte in unserem Land und auf unserer Erde um einiges wärmer und erträglicher aussehen, wenn wir- wie David und Jonatan- die Freundschaft neu entdeckten, mehr aufeinander achteten und füreinander da wären. Freude und Leid wollen geteilt werden.
Jesus hat auch viel von der Freundschaft gehalten. Er soll zum Schluss der Predigt zu Wort kommen. Jesus sagt, so lesen wir in Johannes 15: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich nenne euch hinfort nicht Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich Freunde genannt; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.“
Wie bei David und Jonatan geht Jesus so weit zu sagen, dass wahre Freundschaft einschließt, sein Leben für den anderen hinzugeben. Er selbst hat es so gehalten, ließ sich unschuldig hinrichten, um Frieden und Versöhnung zu bringen. Und er hat seine Jünger Freunde genannt und tut es durch sie auch uns gegenüber. Wenn wir auf seinen Wegen gehen, dann verheißt er uns, dass der Freund des Lebens schlechthin mit uns ist- Gott selbst.
Wir können und sollen füreinander Freundinnen und Freunde sein, wir können einander mit Respekt und Achtsamkeit begegnen, denn wir sind selbst Menschen, die geliebt sind- geliebte Geschöpfe Gottes.
So wünsche ich euch heute weiter ein friedliches Bikerfest und allezeit einen Schutzengel auf allen euren Fahrten! Amen.