Dialogpredigt zwischen Bischof Gerhard Ulrich und dem Architekten Gregor Sunder-Plassmann zu Mt 15, 15-19 im St. Petri-Dom zu Schleswig
06. Dezember 2009
Bischof Ulrich: Petrus, der St.Petri- Dom und das Fundament. Mein Fundament. Ein spannendes Thema, Ein wunderbarer Text im Evangelium, nicht wahr?! Ein schönes Fresko, das wir hier sehen können, mit den beiden Spruchbändern: Tu es Christus – Tu es Petrus, Du bist der Christus, der Gesalbte, der Sohn des lebendigen Gottes. Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.
Jesus fragte seine Jünger: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?
16 Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! 17 Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; [a]denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.
18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.
19 Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.
Bischof Ulrich:
Petrus, der St.Petri- Dom und das Fundament. Mein Fundament. Ein spannendes Thema, Ein wunderbarer Text im Evangelium, nicht wahr?! Ein schönes Fresko, das wir hier sehen können, mit den beiden Spruchbändern: Tu es Christus – Tu es Petrus, Du bist der Christus, der Gesalbte, der Sohn des lebendigen Gottes. Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.In diesen Tagen, nach dem Volksentscheid in der Schweiz, wird mehr über Türme als über Fundamente gesprochen, vor allem über Minarette… Klar: die Fundamente sind zwar da, aber unsichtbar, unter der Erde. Türme sind anders. Sie stechen ins Auge: hochaufragend stürmen sie den Himmel wie damals beim Turmbau zu Babel, sie prägen und beherrschen die Silhouette einer Landschaft, einer Stadt wie unser Domturm, sie demonstrieren überlegenes technisches Können und nicht selten auch überlegene Macht –auch deshalb sind wohl Türme wie die Twin-Towers in New York es waren, Ziele der Aggression, des Terrors.
Die große, imperiale Geste – der Kaiser schenkt seinen Schleswigern einen Turm, der – so sagt ja der Volksmund – auch ein wenig drohend den Zeigefinger erhebt gen Norden, in Richtung Dänemark. Klar, dass deshalb auch eher Türme zu Reizthemen werden, die Fundamente bleiben unbeachtet…
Und dennoch: So ehrfurchtgebietend die hohen Türme dastehen mögen – sie sind und bleiben doch etwas Irdisches: Erdgebunden und erdverhaftet ZEIGEN sie nur nach oben. ZEIGEN sie nur zum Himmel, ohne das Firmament jemals erreichen zu können. Sie sind mit all ihrer Macht doch seltsam begrenzt. Der Himmel ist und bleibt immer noch höher, leichter, lichter – genauso wie Gott immer noch größer ist und größer bleibt als unser Herz und alle unsere Versuche, ihn in Begriff und Bild dingfest zu machen.
Es stimmt schon, was die Religionswissenschaftler sagen: eine Religion wird an ihrem Kult erkannt, -- daran, wie sie ihren Gottesdienst feiert, und eben dies, der Kult, die Art und Weise des Gottesdienstes und der Gottesverehrung,--- das prägt naturgemäß auch die Gotteshäuser. Eine Pagode sieht eben schon von draußen anders aus als eine Moschee oder eine christliche Kirche, und drinnen passiert auch etwas anderes … Allerdings gibt es durchaus auch Verbindungslinien und sozusagen Familienähnlichkeiten in der Welt der Gotteshäuser, auch und gerade zwischen den Türmen unserer christlichen Kirchen und den Minaretten der Moscheen. Und das ist kein Zufall. Judentum, Christentum und Islam berufen sich schließlich auf denselben Abraham als ihren „Vater des Glaubens“ und kennen nur den einen und einzigen Gott des Himmels und der Erde. Die Türme und die Minarette als Ausdruck irdischer Macht verweisen doch beide auf die Macht, die höher ist als alle menschliche Machtunvollkommenheit: auf die Macht des Gottes Abrahams und Jesu! Keine Angst also: Erhebet eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht: Unser Turm hier in Schleswig verweist auf den, der sein Kommen ankündigt in diesem Advent: der kommt, vom Thron zu stoßen die Mächtigen und zu erhöhen die Niedrigen; der kommt zu richten mit Barmherzigkeit!
Gut. Heute soll es nun um Fundamente gehen. Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen. Petrus – ausgerechnet der. Mit dem Mundwerk immer voran – aber sonst nicht viel dahinter… Wenn es darauf ankommt, knickt er ein.
Das soll das Fundament sein, auf dem Jesus baut. Petrus, der Jünger. Und das ist ja keineswegs der, dessen Nachfolger in Rom für sich die Unfehlbarkeit in Anspruch nimmt. Für mich ist an dem Petrus viel wichtiger das andere: der Hahn, der kräht, weil Petrus zu feige ist, sich zu Jesus zu bekennen, als es ernst wird.
Petrus ist sicher der volkstümlichste Apostel. Der Himmelspförtner mit dem großen Schlüssel, Petri Heil, Schutzpatron der Angler usw. Im Evangelium erfahren wir mehr über ihn als über alle anderen Apostel. Er kommt uns auch menschlich nahe - mit seinen Stärken und Schwächen. Zuerst der total begeisterte "Fan" würden wir heute sagen, 150% dabei, und ganz vollmundig: "Herr, ich bin bereit, mit dir selbst ins Gefängnis und in den Tod zu gegen." Denn ich weiß: Du bist der, der da kommen soll, der Christus Gottes. Und dann, als es Ernst wird, der große Einbruch. Schwäche, Versagen, Feigheit. "Petrus, ich sage dir: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen."
"Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen." Ein Muster an Festigkeit ist er nicht, eher ein etwas unsicherer Kantonist. Petrus möchte gern der große Glaubensheld sein. Aber seine Bestimmung ist eine andere. Als Hirte, als Pastor wird er zum Felsen der Gemeinde. Als einer, der durch die Tiefe hindurch musste und dabei gereift ist. Darin liegt die Bestimmung des Petrus, und darum gibt Christus ihm den Titel "Fels" - Fundament, Grundstein, Basis. Er sagt ihm: Ja, du schwacher, in der Schule des Lebens und des Glaubens mühsam gereifter Mensch - ich brauche dich. So, wie du bist. Gerade so bist du richtig. Du bist das Fundament, auf diesen Grundstein will ich Gemeinde bauen.
So ist der Hahn auf viele Kirchtürme gekommen, um zu erinnern an die Schwäche des Glaubens. Das ist das Fundament, auf dem Jesus seine Gemeinde baut - der Glaube, der nicht ohne den Zweifel; der Mut, der nicht ohne die Verzagtheit zu denken ist. Also das Petrus-Fundament: verlässlich ja - aber keineswegs ohne Risse und Brüche! Das Haus, das Jesus baut, ist aufgebaut auf Realität. Auf unserer menschlichen Realität….Kein Traumhaus also wohl?!
Was, lieber Herr Sunder-Plassmann, bedeutet ein Haus für Sie, für den professionellen Baumeister, für den Architekten?
Ich weiß, (Sie haben es mir mal gesagt), dass Sie furchtbar gerne mal eine Kirche bauen würden: wieso, was reizt, was fasziniert daran? Wie erleben Sie den Dom, dieses großartige Gotteshaus hier?
Architekt Sunder-Plassmann:
Sie - liebe Anwesende - haben das Gebäude betreten durch einen Eingang /
Tür/ sammelndes / von einem 160m hohen Turm belasteten, folglich
entsprechend tief gegründeten Turm.
Als zweite Verdichtung / Pforte / innere Sammlung haben Sie abermals
eine Tür durchschritten. Bevor Sie in den erhabenen, aufatmenden, in sich stimmigen Kirchenraum kamen:
Proportionen / Lichteinfall / ein bisschen kalt, umso wärmer der
Sonnenstrahl / ein bisschen höher als die gewohnte Wohnraum- oder
Büroetage / kein Gipskarton, kein Edelstahl / kein Neon - kein LED-Licht
/ der Boden leicht holprig aber aus echtem der Erde entwachsendem
Material, die Statik aus dem Gesetzen des Lastabtrages geformt.
Vorne im Chorraum die Verfeinerung des Maßstabes: zierlichste Handarbeit
füllt der Mächtigkeit der Gewölbe. So, und nun das Unlogische, das Besondere: Die Unheiligkeit
und Ungeniertheit, mit der über Jahrhunderte an der guten Substanz
herumgebastelt wurde, die Pfeilerausflickungen, die unsymmetrischen
Zusatzmöbel, die Schenkungen... bis zurück zum eben beschriebenen
gesamten Eingangsturm, welcher Neuzeitlich zu Kaiser Wilhelms Zeiten
völlig überdimensional höher als jedes Minarett als Machtsymbol
dazugestellt wurde.
Sie sehen, alles eine Frage der Komposition...
Doch wann ist es Qualität und wann ist es hohl?:
Wenn es in Maßstäblichkeit, Materialität, Klang, Lautheit und Stille
richtige Relation zum Nutzer hat, zum Menschen -
Bischof Ulrich:
Darf ich noch weiter fragen ???
Woran denken Sie zuerst, wenn Sie ein Haus planen/bauen? Ist das wirklich das Fundament?
Hat so ein Haus, das Sie bauen, auch eine Seele, ein Klima?
Worauf kommt es an, wenn Sie ein Haus bauen?
Architekt Sunder-Plassmann:
da komme ich am Kernauftrag eines Architekten an: er muss es
schaffen, die Menschen in ihren Gefühlen zu erkennen und mitzunehmen,
durchaus zu neuen Ufern, das kann in städtebaulicher Dimension, in der
Dimension eines einzelnen Hauses oder in größe eines Kleinodes wie
dieser .. ( Gegenstand ) .. dort. Das unterscheidet gute Architektur von
selbstdarstellender Stararchitektur.
Bischof Ulrich:
Ich würde, wie Sie wissen, auch gern mal bauen - ein richtig schönes Haus. Und wenn ich nachdenke, dann treibt mich nicht irgendeine technische oder künstlerische Energie dazu, sondern ein Haus ist etwas, das meine Lebensgeschichte birgt. Viel mehr also, als ein Gebäude aus Stein.
"In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen", sagt Jesus an anderer Stelle. Das Haus des Lebens birgt die Geschichten der Menschen - da dürfen sie wohnen mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren "wunderbaren Eigenschaften", wie der Niedersächsische Ministerpräsident es ausdrückte bei der Trauerfeier für Robert Enke.
So baut Jesus seine Gemeinde - auf dem Fels Petrus: er reißt Zäune ab zuerst, sagt der Apostel Paulus im Epheserbrief. Und dann nimmt er all die lebendigen Steine, die Petri-Jüngerinnen und -jünger und fügt sie ineinander.
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern
Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein
ist, auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem
heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut
zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Toll, dieses Bild aus der Bautechnik: das weiß ich noch aus Zeiten, in denen ich mit Lego spielte: ineinander gefügt werden müssen die Steine, sonst halten die Wände nicht. Aneinander gereiht reicht nicht. Und dann entsteht ein Haus, ein Wohnhaus für die Vielen: nun seid ihr nicht mehr Gäste oder Fremdlinge, sondern Mitbewohner Gottes und Hausgenossen der Heiligen, sagt Paulus.
Das ist es, was auch der große Petri-Dom abbildet. Generationen haben daran gebaut, immer weiter, immer anders. Und doch ist das Haus irgendwie eine Einheit. Und bunt ist es darin. Schauen Sie mal an die Decken! Und da haben Särge Platz und Hinweise auf die wechselhafte Geschichte des Landes gibt es. Aber der Dom steht. Seit 875 Jahren. Er steht auf diesem Fundament, das Petrus selbst trägt: auf dem Glauben der Generationen. Und woher bekommt es seine Statik?
"Ihr WERDET miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist - auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst." Wichtig ist die Passivform. „Ihr WERDET miterbaut.“ Nicht menschlicher Aktivismus, nicht unser Machen und Tun, hat und wird die Kirche Jesu Christi durch die Jahrhunderte hindurch erhalten. Nein, wenn christliche Gemeinde lebt und wächst, auch in einer dürftigen Zeit wie dieser – dann ist das immer ein Geschenk, Schwestern und Brüder. Ein Geschenk des Geistes, der Wohnung nimmt in unserem Geist – und der unser Denken inspiriert, Funken der Kreativität entzündet, uns Gottes Wort verstehen lehrt und ihm vertrauen hilft. Dem Eckstein, der Jesus ist, der unser Friede ist.
Jawohl, ein Haus des Friedens ist der Petri-Dom.
Und ist das nicht die Vision eines jeden Häusle-Bauers: dass ein Haus des Friedens entstehe?