Die Nordkirche arbeitet ihre NS- und Nachkriegsgeschichte auf
29. Januar 2016
In der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi ist am Freitag die Wanderausstellung „Neue Anfänge nach 1945?” eröffnet worden. Damit will die Nordkirche ihre Nachkriegsgeschichte in Hamburg und Schleswig-Holstein weiter aufarbeiten. Es bleibe die Frage, ob die evangelische Kirche nach 1945 einen echten Neuanfang gewagt habe, sagte Landesbischof Gerhard Ulrich vor knapp 200 Gästen. Der Blick auf die eigene Geschichte sei oft „mühsam und belastend”, könne aber auch befreiend sein.
Dabei wird die Ausstellung durch „lokale Fenster” der Gemeinden ergänzt. Die Landeskirchen in Hamburg und Schleswig-Holsten seien auch nach Kriegsende unfähig gewesen, sich kritisch mit dem eigenen Verhalten nach 1945 auseinanderzusetzen, kritisierte der Historiker Stephan Linck, der die Kirchengeschichte wissenschaftlich aufgearbeitet hat. Die Kirche habe sich nach Kriegsende mehr um NS-belastete Menschen bemüht als um die Opfer des Nationalsozialismus. Das Leid der Juden sei weitgehend ausgeblendet worden.
Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld fand kaum statt
So seien die evangelischen Christen jüdischer Herkunft, die die NS-Zeit überlebt hatten, von der Kirche kaum wahrgenommen worden, beklagte Landesbischof Ulrich. Er erinnerte an den Ostholsteiner Pastor Walter Auerbach, der nach 22 Jahren Dienst 1935 zwangsweise pensioniert und später mit der Betreuung Christen jüdischer Herkunft beauftragt wurde. Als er diese Arbeit nach 1946 fortführte, sei dies vom Landeskirchenamt nicht gewürdigt worden. Die Kirche habe damit die eigene Schuld vertuscht.
Friedensinitiativen gegen Wiederbewaffnung waren lange unerwünscht
Die „Stuttgarter Schulderklärung” von 1945 sei im Norden überwiegend auf Ablehnung gestoßen, sagte Linck. Wenig Resonanz habe im Norden auch der Protest gegen die Wiederbewaffnung in den 50er Jahren gefunden. Stattdessen seien einzelne Friedensinitiativen von den Kirchenleitungen scharf kritisiert worden.
Erinnert wird in der Ausstellung auch an den Streit von 1967 um das Kriegerdenkmal in der Flensburger Garnisonkirche St. Marien. Die Ansinnen der Marien-Pastoren, das Ehrenmal des Füsilier-Regiments 86 aus der Kirche zu entfernen, sorgte für überregionale Schlagzeilen und führte zu einer bundesweiten Debatte um das Traditionsbewusstsein der Bundeswehr.
Thema ist auch die heftige Auseinandersetzung zwischen evangelikalen und politisch engagierten Pastoren über Abrüstung und Atomkraft.
Linck hatte Ende 2013 sein Werk „Neue Anfänge? Kirche, Christen und Juden nach 1945” vorgestellt, das die Geschichte der evangelischen Kirche in Hamburg und Schleswig-Holstein von 1945 bis 1965 darstellt. Im Februar wird der zweite Teil vorgestellt, der sich mit der Zeit bis 1985 beschäftigt.
Info
Mit der Konzeption und Realisierung der Ausstellung war die Arbeitsgruppe Prof. Dr. Stefanie Endlich, Beate Rossié, Monica Geyler-von Bernus beauftragt.
<link http: www.bfgg.de _blank link-extern>www.bfgg.de
Weitere Stationen der Ausstellung sind unter anderem Itzehoe, Kaltenkirchen, Kiel und Lübeck.
<link http: www.nordkirche-nach45.de _blank link-extern>Zum Ausstellungskalender
Literatur-Hinweis
Stephan Linck
Neue Anfänge?
Der Umgang der evangelischen Kirche mit der NS-Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Judentum. Die Landeskirchen in Nordelbien.
Band 1: 1945 - 1965
Band 2: 1965 - 1985 (erscheint 2/2016)
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Band 1, Preis: 19,95 Euro
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