„Erzähl mir von Gott“
18. März 2017
Tischrede bei der Wegzehrung auf der KirchengemeinderatsMesse Mecklenburg
Liebe Schwestern und Brüder,
wir sind hier zusammen als Menschen, die Leitungsverantwortung übernommen haben. Es berührt mich, in diesen Tagen zu erleben, wie engagiert Sie sich einbringen! Sie schultern Probleme und denken darüber nach, wie das Gemeindeleben ausstrahlen und auch für andere anziehend sein kann.
Im Alltag unserer Gemeinden ist unsere Aufmerksamkeit oft beansprucht durch die Herausforderungen, die zu bewältigen sind. Doch – Gott sei Dank – es hängt nicht alles von uns ab! Entsprechend bekamen Missionare früher den Rat mit auf den Weg:
„Denkt nur nicht, ihr brächtet Christus irgendwo hin!
Macht vielmehr die Augen auf und schaut, wo er bereits am Werk ist.
Ein schöner Gedanke: Ausschau halten, wo Gott schon am Wirken ist! Wo sein Geist vielleicht schon längst Menschen berührt hat! Schauen, wo Christus bereits am Werk ist – was kann das heißen?
Von Franz von Assisi wird erzählt:
Franziskus hatte angefangen, in allen Dingen Gott zu lieben. Eines Tages kam er zur Quelle und sprach: „Schwester Quelle, erzähle mir von Gott!“ Die Quelle sprudelte auf, als ob sie reden wolle. Dann wurde sie ruhig, und auf dem Grunde des Wassers sah Franziskus das Bild der Klara – der Frau, der er liebte.
Franz ging weiter und kam zu einem Mandelbaum. „Bruder Mandelbaum, erzähle mir von Gott!“, bat er ihn. Er hörte ein Rauschen in den Zweigen des Mandelbaums, und der Baum stand plötzlich in Blüten, obwohl es nicht seine Zeit war.
Franziskus traf endlich auf einen alten Mann, und auch ihn bat er: „Erzähle mir von Gott!“ Der alte Mann nahm ihn mit durch eine Stadt zum Quartier der Armen, wo die Frauen die Wäsche wuschen, wo ihre Kinder spielten und wo die Ärmsten um Brot bettelten. Der alte Mann öffnete seinen Sack und verteilte Brot an die Armen, und die Armen verteilten es untereinander. Und je mehr sie untereinander teilten, desto reichhaltiger wurde das Brot. Da sprach der Alte: „Unser Vater!“ Und nach einer Weile wiederum: „Unser Brot!“
Schwestern und Brüder, so zerrissen die Welt auch ist – für den, der aufmerksam zu sehen weiß, kann sie „gottfarben“ werden, wie die Mystiker sagen. „Erzähl mir von Gott“, ist die Haltung, mit der Franziskus durchs Leben geht; und weil er damit rechnet, überall auf Gott zu stoßen, entdeckt er Gott in vielen Dingen:
- in der liebevollen Verbundenheit mit anderen Menschen,
- in den Schönheiten der Natur,
- wenn Mitmenschlichkeit gelebt wird.
Da ist Gott. Da ist er am Wirken – auch in unseren Tagen:
Kurz nach der friedlichen Revolution kam ein Mädchen in unser Pfarrhaus, vielleicht 9 oder 10 Jahre alt, und erklärte entschlossen: „Ich will getauft werden!“ Ihre Eltern, bis vor kurzem Genossen, verstanden die Welt nicht mehr. Das Kind hatte einfach eine Kinderbibel gelesen, und nun glaubte es und setzte seinen Taufwunsch bei den Eltern durch.
Da sind Menschen, die wollen nicht länger zusehen, dass es immer weniger Gemeinschaft vor Ort gibt. Sie tun sich zusammen. Sie bereiten ein Fest vor oder üben ein Theaterstück ein oder schmieden Pläne für ein Dorfgemeinschaftshaus – und viele machen mit, Christen wie Nichtchristen.
Da sind Leute, die früher vom Sozialismus überzeugt waren. Aber nun hat sich für sie etwas verändert: Sie engagieren sich im Förderverein für die Kirche oder für die evangelische Schule. Manche wollen auch zur Kirchgemeinde dazugehören
Da nutzt eine Kirchgemeinde drei ihrer 14 Dorfkirchen nicht mehr, weil niemand mehr kommt. Aber nach einiger Zeit der Brache rufen in der Adventszeit Vertreter zweier Dörfer die Pastorin an, ob sie nicht in die Kirche könnten zum Weihnachtsliedersingen.
Da sind Menschen, die sich nicht als Christen verstehen. Aber dass sie sich in der Telefonseelsorge engagieren, ist für sie eine Herzensangelegenheit.
Da sind Menschen im Iran, als Muslime aufgewachsen. Träume treiben sie um – Träume davon, dass sie Christen werden. Es verschlägt sie nach Deutschland. Sie lassen sich unterweisen und erleben ihre Taufe als Befreiung.
Da sind nach wie vor viele Leute, die ein Herz haben für Menschen in Not – seien es Einheimische oder Geflüchtete. Auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit eher den Sprücheklopfern und Brandstiftern gilt – sie arbeiten weiter im Geist Jesu und stehen ihren Nächsten bei.
Nach einem Fest sitzt du noch allein an der Feuerschale und beobachtest die Glut. Ein unglaublicher Sternenhimmel wird sichtbar. Ein großes Gefühl von Dankbarkeit erfüllt dich – für die Freunde, die mit dir gefeiert haben, für das Leben, das Gott dir schenkt. Wie groß das All doch ist und wie winzig jeder Mensch! Und doch fühlst du dich geborgen – wegen Gott. Seine Zuneigung gilt auch dir.
Ja, Gott ist da. Was die Zukunft auch bringen wird – er ist mit auf unserem Weg. Gott stärkt uns durch das, was wir in den Quellen unseres Glaubens erkennen. Mit jeder Mandelblüte nährt er unsere Zuversicht auf neue Lebendigkeit. In jedem Brot, das wir teilen, ist er uns nah. Wir können auf Gottes Gegenwart bauen.
Amen.