Grußwort zur erstmaligen Frauen-Ordination
07. Mai 2022
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Festgemeinde,
und vor allem: liebe ordinierte Schwestern,
heute ist ein ganz besonderer Tag der Freude und der Festlichkeit. Ich freue mich sehr, hier im Lutheraneum als Landesbischöfin der Nordkirche, als Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes und als Stellvertretende Leitende Bischöfin der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands Worte an Sie richten zu dürfen. Seit dem letzten Jahr können in Ihrer Kirche Theologinnen durch die Ordination in das Amt der Verkündigung berufen werden. Und heute war es soweit.
In einem so feierlichen und würdevollen Gottesdienst sind Sie, meine lieben neun Schwestern, ordiniert worden. Bitte erlauben Sie mir, dass ich Sie als Schwestern in Christus mit Ihren Vornamen anspreche: Liebe Karina, liebe Małgorzata, liebe Beata, liebe Katarzyna und liebe Katarzyna, liebe Wiktoria, liebe Halina, liebe Izabela, liebe Marta - ich gratuliere Ihnen sehr herzlich und wünsche Ihnen Gottes Segen für Ihre pastorale Arbeit. Sie waren sich Ihrer inneren Berufung zu Pastorinnen gewiss geworden und heute ist die äußere Berufung in der Ordination dazugetreten, die jede Einzelne von Ihnen persönlich zugesprochen wurde.
Das biblische Zeugnis anerkennt die Gaben aller, die in der Taufe zu neuen Geschöpfen verwandelt worden sind. Die Einheit in Christus überwindet geschlechtsbezogene und andere Unterschiede. So beten wir den Herrn gemeinsam mit Freude an, kommen zusammen vor ihn mit freudigen Liedern und lassen uns als Frauen und Männer mit gleicher und gemeinsamer Verantwortung in seinen Dienst stellen.
Sie, liebe Schwestern und Brüder der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, ermutigen uns, dass wir in unseren Kirchen noch stärker für Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen eintreten. Gut zu wissen, dass wir gemeinsam dafür einstehen!
Dieser Tag mit seinem bewegenden Gottesdienst weist auch weit über die Grenzen Polens hinaus. Die Frage der Frauenordination wird in vielen Kirchen intensiv beraten und die Blicke richten sich insbesondere auf die Kirchen, die Entscheidungsprozesse voranbringen und dann zur Tat schreiten. In allen Teilen der Welt haben wir Kirchen, die sich auf die Frauenordination zubewegen wollen, aber auch solche, die deren Ablehnung geradezu zementieren. Da ist es ein wichtiges und schönes Signal, dass die Ordination der ersten Frauen in Polen noch vor der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Krakow im Jahr 2023 stattfindet.
Gemeinsam mit der weit überwiegenden Mehrheit der LWB-Mitgliedskirchen sprecht sich auch das Deutsche Nationalkomitee des LWB dafür aus, dass alle, die dazu berufen sind, auch ordiniert werden, Männer ebenso wie Frauen und das Sorge dafür getragen wird, dass sie im Pfarramt und in kirchenleitenden Ämtern gleich repräsentiert sind und Arbeitsbedingungen haben, die für beide Geschlechter eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.
Die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen und die lutherischen Kirchen in Deutschland verbindet auch die Erinnerung an Frauen, die ihre Berufung, im evangelischen Glauben zu wirken, erfassten und mutig, klug und kraftvoll ihren Weg gingen. Die erste dieser reformatorischen Frauen war Elisabeth Cruciger aus Meseritz in Westpommern. Nicht viel älter als 20 Jahre verließ sie das Kloster und ging nach Wittenberg. Dort gehörte sie zum Freundeskreis von Katharina von Bora und Martin Luther und schrieb das Lied "Herr Christ, der einig Gotts Sohn", das im Evangelischen Gesangbuch steht. Zu diesem Lied komponierte Johann Sebastian Bach eine Kantate. Der Text des Liedes und die Musik der Kantate fassen unseren lutherischen Glauben in wunderbarer Weise in Worte und Töne. Ihnen, liebe ordinierte Schwestern, möchte ich die Partitur dieser Kantate schenken als Zeichen unserer Verbundenheit an diesem ganz besonderen Tag.
Mein Wunsch für uns alle ist, dass von dem heutigen Gottesdienst eine Ermutigung für unseren weiteren Weg zu Kirchen mit einer vollen und versöhnten Gemeinschaft von Frauen und Männern ausgeht. Es stärkt uns, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen. Und deshalb ist dieser durchaus historisch zu nennende Tag heute auch ein Tag der Versöhnung und des Friedens - mitten in einem Europa und einer Welt, die beides so dringend braucht und sich nach beidem sehnt. Auch deshalb: Danke, dass ich ihn mit Ihnen feiern darf!
Gottes reicher Segen sei mit Ihnen allen!