23. Januar 2018 | Nikolaikirche zu Rostock

Hüter der Orte christlichen Lebens

23. Januar 2019 von Gerhard Ulrich

Tischrede bei der Dankveranstaltung für Küsterinnen und Küster im Kirchenkreis Mecklenburg

Meine sehr verehrten lieben Küsterinnen und Küster,
sehr geehrte Anwesende,

I

ich freue mich sehr und bedanke mich herzlich, dass ich heute bei diesem großartigen Nachmittag dabei sein darf: dem symbolischen Dank für Ihre unverzichtbare Arbeit. Sie sind ein entscheidender Teil des Rückgrats unserer Kirche. Sie, liebe Küsterinnen und Küster, sind die Hüter der Orte christlichen Lebens hier in Mecklenburg.

Kirchen, Gemeindehäuser und Friedhöfe sind kostbare Schätze. Sie sind Gestalt gewordene Geschichte. Sie erzählen von den Menschen, die sich hier zusammengefunden haben, um Gottes Wort zu hören und sich Kraft zu holen aus dem Glauben für ihr Leben und das Sterben. Sie sind genauso  Zeugen von Gegenwart – der Gegenwart des christlichen Glaubens und des Lebens mit Gott. Orte der Begegnung: mit Gott und den Menschen.

Und Sie sind, wie ich zu Beginn sagte, die Hüter dieser Orte, ihre Wächter. Das Wort Küster leitet sich ab vom lateinischen 'custos'‚ Hüter, Wächter. Der Gottesdienst und andere Gemeindeveranstaltungen stehen unter Ihrer fürsorglichen Obhut.

Durch die von Ihnen organisierte sachkundige Instandhaltung und kompetente Pflege sind unsere Kirchen und Gemeindehäuser ansprechend und offen für die Menschen, die sie besuchen. Und die Friedhöfe laden so ein zur Ruhe und Besinnung.

Sie haben eine besondere Verantwortung dafür, dass Menschen, die unsere Kirchen betreten, die Erfahrungen machen können, von denen ein Gesangbuchlied erzählt und singt: „Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein. Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht.“

Ein Lied, das uns allen, die wir im Verkündigungs- oder im verkündigungsnahen Dienst stehen, auch selber Mut macht, wenn die Arbeit manchmal zur Last wird und schwer fällt.

So vielfältig wie Ihre Tätigkeiten als Küsterin und Küster sind, so vielfältig sind im deutschsprachigen Raum auch die Berufsbezeichnungen dafür. Das hängt sicher miteinander zusammen. Kirchendiener, Sakristan, Kirchner und Kirchwart heißt das Amt. Kirchenvogt und Glöckner, im süddeutschen Raum und in Österreich Messner (vom mittellateinischen mansionarius ‚Haushüter‘) und in der Schweiz Sigrist (vom mittellateinischen sacrista, was auch ‚Küster‘ bedeutet). Die lateinische Herkunft einiger der Bezeichnungen für den Küsterberuf weist darauf hin, dass es ein altehrwürdiger ist. Im frühen Christentum übernahmen Diakone neben ihren karitativen Aufgaben auch das Amt, im Gottesdienst für die kirchliche Ordnung zu sorgen. Sie öffneten und schlossen die Pforten der Kirche, bereiteten den Gottesdienst vor, unterwiesen die Taufbewerber und stimmten die Psalmgesänge an. Später kam auch das Läuten der Glocken hinzu. Weil das mit der Zeit alles zu viel wurde, entwickelte sich aus dem Diakonenamt das Küsteramt.

Und es hat lange Zeit dieses sehr breite Profil behalten. So übten Küster in Norddeutschland bis zum 19. Jahrhundert in aller Regel auch die Tätigkeit des Dorflehrers aus und waren für die Vorläufer der Volksschulen, die sogenannten „Küsterschulen“, verantwortlich. Als „Offermann“ (Plattdeutsch) wurden sie bezeichnet, wenn sie zusätzlich Organisten waren. Das Küsteramt, es war also schon immer ganz vielfältig, spannend und ging (und geht) oft bis an die Grenze dessen, was einer oder eine leisten konnte und kann.

II

Die Kirchengebäude mit ihren Türmen – sie prägen die Dörfer und Orte in denen sie stehen. Sie werden von vielen – auch von vielen Konfessionslosen – als Ausdruck unserer  Kultur wahrgenommen. Sie werden – natürlich – auch angenommen als Orte des Gottesdienstes, des sonntäglichen und des die Lebensgeschichte begleitenden Gottesdienstes in Taufe, Konfirmation, Trauung und Trauerfeier. Sie werden genauso angenommen als Orte, an denen man Kultur begegnet, seien es Konzerte oder andere Aufführungen, sei es der Kirchraum selbst mit seinen Schätzen oder das Kirchgebäude als architektonisches Kunstwerk. Genauso werden sie aufgesucht und geschätzt als Besinnungsorte, besonders im Alltag. Aber die in den Kirchenräumen aufbewahrten Bilder und Symbole, genauso wie die Architektur dieses Raumes, die auf die Feier des Gottesdienstes als Gemeinde angelegt ist, sie sind in einer ebenso säkularen wie multireligiösen Gesellschaft für viele Menschen nicht mehr selbstverständlich zu entziffern, sondern bedürfen der Übersetzung.

Diese Übersetzung, die unsere Pastorinnen und Pastoren oft am Sonntag auf der Kanzel leisten, die vollbringen Sie, liebe Küsterinnen und Küster, im Alltag.

Küsterinnen und Küster werden oft von Menschen angesprochen, die zufällig auf eine Kirche gestoßen sind oder von ihrer Schönheit gehört haben und deshalb angereist sind. Gerade Touristen treffen beim Besichtigen einer Kirche als erstes auf Sie, die Küsterin oder den Küster.  Und hier erzählen Sie den Menschen von Ihrer Kirche: von deren Geschichte, den Schätzen, die sie birgt, und manche lustige oder schnurrige Geschichte sicher auch. Das ist für mich ein wichtiger Teil ihres Amtes. Denn wenn Sie von ihrer Kirche erzählen, erzählen Sie auch immer vom christlichen Glauben. Deshalb trifft es genau den Punkt, wenn die mecklenburgische „Rahmenordnung für den Dienst des Küsters“ mit den Sätzen beginnt: „Der Küster übt ein kirchliches Amt aus. Er dient und hilft der Verkündigung, insbesondere im Gottesdienst, bei Amtshandlungen und anderen Veranstaltungen der Kirchgemeinde“. Deshalb werden Sie in einem Gottesdienst unter Fürbitte der Gemeinde in Ihr Amt eingeführt.

Der Küsterdienst ist also Teil des Verkündigungsauftrages der Kirche. Ich würde noch weitergehen und sagen: Wenn Sie den Menschen von den Schätzen in unseren Kirchen erzählen, die ja alle Stein, Holz, Farbe und Bild gewordenes Evangelium sind, dann verkündigen Sie selbst. Wir haben eben in der Kirche nicht nur ein Bischofs- und ein Pastorenamt, sondern eine Vielfalt der Ämter und ‚Diakoniai’, der verschiedensten „Dienstleistungen“ also, die alle entweder direkt an der Verkündigung teilhaben oder auf sie hin als Ziel orientiert sind. Davon redet das Neue Testament in Epheser 4 und 1. Korinther 12-14. Gemeinsam bilden sie das eine Amt oder, wie unsere Verfassung sagt, den „eine(n) Auftrag der Kirche“ (Art. 14, 1).

Wenn es beim Diakon, Gemeindepädagogen oder Katecheten spontan einsichtig ist, dass ihr Tun mit zum Verkündigungsauftrag gehört, so scheint das bei Küstern vielleicht auf den ersten Blick nicht immer so zu sein. Jedenfalls dann nicht, wenn einer vor allem die praktischen Seiten Ihres Berufes im Blick hat. Doch auch da haben Sie Anteil an der Verkündigung – nicht nur, wenn Sie Menschen die Kirche zeigen oder den Altar entsprechend des liturgischen Kalenders schmücken. Auch handwerkliche und technische  Arbeiten – die denen im weltlichen Raum der Gesellschaft absolut gleich sind und so erst einmal eben „weltlich“ erscheinen – sind auf die Verkündigung bezogen. Ohne heiles Kirchengestühl gibt es keinen Gottesdienst, und mit eiskaltem Wasser kann man kein Baby taufen.

Nach dem Neuen Testament ist klar: Der Küsterdienst hat einen manchmal direkten und manchmal indirekten geistliche Charakter. In den Worten unserer Verfassung: „Der eine Auftrag der Kirche wird in der Gemeinschaft der verschiedenen Dienste wahrgenommen.“ Priestertum aller Glaubenden an verschiedenen Orten im Dienst der einen Sache. Daran haben Sie teil. Martin Luther hat dafür gerne das Bild von der besenschwingenden Magd benutzt – den Besen schwingen Sie als Küsterin und Küster ja nicht selten! – und gesagt: Wenn die Magd ihren Besen schwingt, dann ist das ein Gottesdienst im Alltag, der genauso wertvoll ist wie der des Bischofs.

III

Sie sind eine Auskunftsstelle der Kirche. Wenn Küsterinnen und Küster durch ihre Kirchengemeinden gut informiert werden, können sie auch hilfreiche Auskünfte erteilen. Das weist auf die Voraussetzungen Ihrer Arbeit hin. So wie Sie in einem Gottesdienst unter Fürbitte der Gemeinde in Ihr Amt eingeführt wurden, sollen auch im Gemeindealltag die anderen Mitarbeiter und Pastoren hinter ihnen stehen, Sie auf dem Laufenden halten. Wichtig ist es, dass die Gemeinden ihre Küsterin oder ihren Küster in größere Vorhaben rechtzeitig einbeziehen. Und ihre Dienstvorgesetzten sollen ihnen Weiterbildung ermöglichen.

Apropos Weiterbildung. Auch hier bin ich von den mecklenburgischen Küsterinnen und Küstern schwer beeindruckt. Denn sie leisten auf diesem Gebiet ganz viel selbst. Seit langem sind Sie in der Arbeitsgemeinschaft der Küsterinnen und Küster organisiert. Diese Arbeitsgemeinschaft bietet eine Plattform für regelmäßigen Austausch, für Gemeinschaft, Zusammenhalt und für die berufliche Weiterbildung. Darüber hinaus berät und unterstützt sie die Küsterinnen und Küster bei arbeitsrechtlichen Fragen. Sie gibt Ihnen eine Stimme gegenüber dem Kirchenkreis und im Küsterarbeitskreis der Nordkirche. Und dann sind da noch die regelmäßigen Küsterrüsten, die eine ganze Woche dauern – zwei Mal bin ich gerne Gast dabei gewesen – und ein randvoll gefülltes geistliches und praktisches Programm haben. Dass Sie einen „Küster Pastor“ nicht nur haben, sondern haben wollen – das gehört auch dazu. Genauso, dass er – wie Pastor Flade zur Zeit – seine Arbeit ehrenamtlich tut, so wie die allermeisten von Ihnen auch. Nach meinem Wissen sind in Mecklenburg 80 Prozent der Küster ehrenamtlich, 20 Prozent in einem Arbeitsverhältnis tätig. Gleich ob Sie ehrenamtlich, nebenamtlich, in Teilzeit oder in Vollzeit tätig sind – Sie alle haben diesen Beruf aus Berufung ergriffen. Dafür und für alles, was Sie für unsere Kirchengemeinden tagein tagaus leisten, dafür danke ich Ihnen ganz herzlich!

Datum
23.01.2019
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Gerhard Ulrich
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