Biografien politisch Verfolgter und Diskriminierter in Mecklenburg vorgestellt

Landesbischöfin: Aufarbeitung des Unrechts ist Aufgabe für die ganze Nordkirche

Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt hielt im Rahmen der Buchvorstellung in der Kirche St. Nikolai zu Rostock einen Impuls
Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt hielt im Rahmen der Buchvorstellung in der Kirche St. Nikolai zu Rostock einen Impuls © Christian Meyer, ELKM

05. November 2019 von Maren Warnecke

Rostock. Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt hat heute (5. November) in Rostock die Ergebnisse der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Biografien politisch Verfolgter und Diskriminierter in Mecklenburg gewürdigt. Das gemeinsame Projekt des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Mecklenburg, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und der Gesellschaft für Regional- und Zeitgeschichte e.V. trage die Kraft der Hoffnung in sich, so die Landesbischöfin: „der Hoffnung auf mögliche Versöhnung, die bei der Überwindung von Gewalt und Spaltungen helfen und Recht und Gerechtigkeit, Gemeinschaft und Frieden dienen kann.“

Ergebnis des Projektes ist ein Buch mit 148 Kurzbiografien, das auch als Arbeitshilfe für Erinnerungs- und Gesprächsveranstaltungen in Gemeinden und Einrichtungen vorliegt. Das Buch der Historikerin Rahel Frank trägt den Titel „Biografien politisch Verfolgter und Diskriminierter in Mecklenburg 1945 bis 1990“. Es wurde heute in der Rostocker Nikolaikirche im Beisein von Zeitzeugen und Angehörigen öffentlich vorgestellt und der Landesbischöfin sowie der Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, offiziell überreicht.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung im Rahmen eines Biografienprojektes hatte der mecklenburgische Kirchenkreis in Auftrag gegeben, der gemeinsam mit der Nordkirche und der Gesellschaft für Regional- und Zeitgeschichte e.V. zu den Herausgebenden des Buches zählt. Die fachliche Beratung lag bei Anne Drescher, der Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. In ihrem Impulsreferat hob sie hervor: „Aufarbeitung hat für die Betroffenen politischer Verfolgung neben den juristischen Fragen zu Rehabilitierungs- und Wiedergutmachungsleistungen auch eine moralische Dimension.“ Ziel des Projektes sei es, die Öffentlichkeit zu erreichen und die Bewältigung von Unrechtserfahrungen nicht dem Einzelnen zu überlassen.

Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt ermutigte dazu, über erlebte und erlittene Geschichte nicht zu schweigen, und lud dazu ein, darüber zu sprechen: „Behutsam, respektvoll, und ohne falsche Rücksichtnahme. Im privaten Kreis, in der Familie, und auch: öffentlich. Unsere Kirchengemeinden in Ost und West können Orte sein, an denen solche Gespräche stattfinden. In Gottesdiensten, in Seelsorge und Beratung, in Gesprächsgruppen. Damit die, die lange geschwiegen haben, die lange schweigen mussten oder die lange kein Gehör gefunden haben, endlich zur Sprache kommen.“

Die Landesbischöfin weiter: „An vielen Stellen und Orten, an die wir gerade 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution denken, war unsere Kirche ein Raum für Schutz und Freiheit, für offene Worte und freie Gedanken, für vertrauensvolles Miteinander und geschwisterliche Gemeinschaft. Wenn aber innerhalb der Kirche Menschen Verletzungen erlitten haben, wenn sie Solidarität oder Klarheit vermisst oder sich im Stich gelassen gefühlt haben, muss auch das zur Sprache kommen dürfen.“

Sie ermutigte, neue liturgische Formen zu finden und zu entwickeln, um die Erfahrungen und Fragen der Betroffenen in Gottesdiensten, Fürbitten und in der Bitte um und der Arbeit an Vergebung und Versöhnung mit aufzunehmen. Zugleich hob sie hervor: „Vergebung und Versöhnung setzen Schuldanerkenntnis, Schuldbekenntnis und Reue der Täter voraus. Auch 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution ist es noch nicht zu spät, dass die für Diskriminierung und Verfolgung Verantwortlichen, dass die, die an anderen schuldig geworden sind, sich heute ihrer Verantwortung stellen, das Gespräch suchen und vielleicht auch die Bitte um Versöhnung aussprechen.“

Die Landesbischöfin dankte allen Beteiligten, die das Biografienprojekt ermöglicht haben. „Ich wünsche diesem Buch sehr, dass es weite Verbreitung findet, dass es gelesen wird, damit an das erinnert wird, was geschehen ist, damit darüber gesprochen wird, was Menschen an Unrecht und Leid widerfahren ist..“

Hintergrund:

In ihrem Buch „Biografien politisch Verfolgter und Diskriminierter in Mecklenburg 1945 bis 1990“ stellt die Historikerin und Autorin Rahel Frank im Auftrag des Evangelischen Kirchenkreises Mecklenburg 148 Kurzbiografien Betroffener vor. Zu ihnen zählen auch zahlreiche Christen. In den kurzen Lebensberichten werden exemplarisch verschiedene Formen politischer Verfolgung und Diskriminierung dargestellt. Für Kirchengemeinden und Einrichtungen liegt es zudem als Ringbuch mit herausnehmbaren Biografien vor. Eine beiliegende Arbeitshilfe gibt Anregungen für erinnerungskulturelle Veranstaltungen.

Der Bezug des Buches ist über die Pressestelle des Kirchenkreises Mecklenburg möglich:  pressestelle@elkm.de

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