Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt: Ein persönlicher Schutzraum für menschliche Verletzlichkeit ist unerlässlich
19. November 2024
Die Nordkirche feiert das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes mit einem Gottesdienst in Kiel. Schwerpunkt ist Artikel 13, der die Unverletzlichkeit der Wohnung schützt. Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt predigt und Jurist Prof. Dr. Peter Unruh gibt einen Impuls zum Thema.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) befasst sich anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes in einem Gottesdienst am Dienstag (19. November 2024) in der Kieler Pauluskirche mit dem Artikel 13, dem Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung. Dieses dient dem Schutz der räumlichen Privatsphäre vor Eingriffen von staatlicher Seite.
Teil einer bundesweiten Gottesdienstreihe
Der Gottesdienst ist Teil einer bundesweiten Gottesdienstreihe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Jubiläum des Grundgesetzes. Jede der 20 evangelischen Landeskirchen widmet sich einem Verfassungselement. Die Reihe begann am 26. Mai 2024 in der Bonner Lutherkirche und endet morgen (20. November 2024) in Bremen.
Angstfreies Wohnen macht Frieden deutlich erlebbar
Die Predigt in der Kieler Pauluskirche (Niemannsweg 16, 25105 Kiel) hält die Landesbischöfin der Nordkirche Kristina Kühnbaum-Schmidt. Wie aus vorab veröffentlichten Auszügen ihrer Predigt hervorgeht, verbindet für die Leitende Geistliche der Nordkirche die Vision des Propheten Micha öffentlichen und persönlichen Frieden: „Niemand wird sie schrecken“ beschreibt einen geschützten Rückzugsort, wie die eigene Wohnung. „Keine Angst haben müssen. Wohnen im Schatten eines mächtigen Baumes, der wohlschmeckende Früchte liefert und unter einem Weinstock, dessen Trauben zum Festgetränk werden, zu wohlschmeckendem Wein. Genug zum Leben haben und sicher wohnen. So wird Frieden deutlicher erlebbar“, so die Landesbischöfin in ihrer Predigt.
Eine sichere Wohnung ist kein selbstverständliches Gut
Eine sichere Wohnung aber ist ein zerbrechliches Gut, heißt es weiter. „Viele Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR können Geschichten darüber erzählen, wie sie fürchten mussten, zu Hause von der Staatssicherheit abgehört zu werden. Wer zu Hause Dinge von politischer Bedeutung besprechen wollte, sorgte für reichlich Störgeräusche, drehte das Radio laut und dergleichen“, erklärt Kristina Kühnbaum-Schmidt. „Und konnte sich alles andere als sicher sein, dass ihre oder seine Wohnung während eigener Abwesenheit wirklich unverletzt blieb. Der innere Friede im Staat beginnt bei den eigenen vier Wänden. Wo sie nicht sicher sind, ist der Friede in Gefahr.“ Der Prophet Micha zeichne, so die Landesbischöfin, „das ureigenste menschliche Bedürfnis nach einem geschützten und sicheren Ort zum Wohnen in seine endzeitliche Friedensvision ein. Damit beschreibt er, wie sehr es Gott nicht nur um Frieden zwischen Staaten und Völkern, sondern auch um unseren persönlichen Frieden geht. Ein persönlicher Schutzraum für unsere menschliche Verletzlichkeit ist dafür unerlässlich.“
Grundrecht auf Unverletzlichkeit entspricht christlichem Menschenbild
Der Präsident des Landeskirchenamtes der Nordkirche, Prof. Dr. Peter Unruh, gibt einen Impuls aus juristischer Perspektive. Wie aus vorab veröffentlichten Auszügen seines Impulses hervorgeht, erklärt Prof. Dr. Peter Unruh: „Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Menschenwürde aus Art. 1 GG, und damit natürlich auch mit dem christlichen Menschenbild. Es garantiert, dass der Mensch in einem Raum der geschützten Privatsphäre zur Ruhe und damit ungestört zu sich selbst kommen kann. Es liefert nicht zuletzt die räumliche Voraussetzung für die Ausbildung und Ausübung der je eigenen Religion.“ Eingeladen zum Gottesdienst sind unter anderem die Abgeordneten des Landtages von Schleswig-Holstein.
Hintergrund: das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
Das Grundgesetz ist die Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland. Es wurde vom Parlamentarischen Rat am 8. Mai 1949 beschlossen, von den Alliierten genehmigt und am 23. Mai 1949 verkündet. In einer Sondersitzung in der Nacht vom 22. auf den 23. August 1990 beschloss die Volkskammer mit 294 Stimmen, bei 62 Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen den Beitritt der damaligen DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Artikel 23 GG zum 3. Oktober 1990.