Ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christen

Landesbischof Ulrich: „Recht und Gerechtigkeit für alle nachjagen“

Landesbischof Gerhard Ulrich
Landesbischof Gerhard Ulrich© Marcelo Hernandez / Nordkirche

21. Januar 2019 von Maren Warnecke

Würzburg. Die Zukunft der Kirche entscheidet sich nicht zuerst an Zahlen, Statistiken und medialer Aufmerksamkeit, sagte Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), heute (21. Januar) in Würzburg.

„Die Gemeinschaft von Christen und ihre Zukunft entscheiden sich daran, dass Menschen, die erfasst sind von Gottes Wort, den Mund auftun für die Schwachen und Elenden; die streiten für Wahrheit und Gerechtigkeit; die einander und den Fremden begegnen mit Respekt; die tatsächlich die Würde jedes Menschen unangetastet lassen“, sagte Ulrich in seiner Predigt in einem Gottesdienst der christlichen Gemeinschaft Sant’Egidio. Diese hatte dazu im Rahmen der alljährlichen ökumenischen Gebetswoche für die Einheit der Christen (18.- 25. Januar) in die Marienkapelle in Würzburg eingeladen.

Ulrich rief die Christen der verschiedenen Konfessionen dazu auf, nach Recht und Gerechtigkeit als einer Grundlage für das Zusammenleben der Menschen zu trachten: „Wir ziehen in den Frieden: wir geben nicht auf und ruhen nicht, bis es für alle Menschen reicht. Wir geben uns nicht zufrieden mit Hass und Gewalt und Ungerechtigkeit. Wir folgen nicht der Politik der Angst, dass andere uns etwas wegnehmen könnten oder streitig machen, weil sie fremd sind und sich auf die Menschenrechte berufen. Weil sie sich sehnen nach Heimat, Wohlergehen, Wertschätzung, Achtung, Respekt. Wie wir es auch tun, zu Recht.“

Grundlage für das Zusammenleben der Menschen

In einer zerrissenen Welt mit einer Vielfalt an Kulturen seien Recht und Gerechtigkeit keineswegs selbstverständlich, so Ulrich weiter. „Wir sehen den tiefen und breiten Graben zwischen den wenigen, die mehr als genug haben und denen, die nicht wissen, wie sie ihr Leben gestalten sollen. Wir erleben, wie in den sozialen Medien und durch sie der Respekt vor den Menschen verlorengeht, wie der Hass-gesteuerten Kommunikation Tür und Tor geöffnet werden.“

Flüchtlinge und Migranten würden zum Teil behandelt wie Bauklötze, die sich nach Belieben hin- und herschieben lassen. Ulrich: „Sie werden denunziert als ‚Migrationstouristen‘. Für die Bibel ist der Gedanke zentral, dass Menschenliebe und Gottesliebe zusammen gehören. Das ist die Grundlage der unantastbaren Würde, dass jeder Mensch Gottes geliebtes Geschöpf ist. Die Liebe zum Nächsten wächst aus dieser Liebe, die Gott schenkt. Hier sind wir als Kirche, nein, als Christinnen und Christen gerufen, auf den zu verweisen, der das Leben schafft und in den Händen hält – auch das der Politikerinnen und Politiker.“

Die Gemeinschaft Sant‘Egidio bemühe sich dabei in besonderer Weise um Recht und Gerechtigkeit. „Ich bin der Gemeinschaft dankbar, dass sie nicht aufhört, dem Recht der Menschen nachzujagen. Dass sie da hingeht, wo es wehtut und wo die Not groß ist; dass sie Menschen ihre Würde zurückgibt; dass sie vorlebt, dass diese Menschenliebe, die in der Gottesliebe wurzelt, nicht ärmer macht und auch keine rechtsfreien Räume schafft, sondern ins Recht setzt, was Menschen sich ersehnen: Sicherheit, wirtschaftliches Wohlergehen, Brot und Frieden und Liebe“, würdigte Ulrich das Engagement der Christinnen und Christen von Sant’Egidio. „Das ist unsere Aufgabe: denen nahe zu sein, die niemanden haben. Aufzurichten die Niedergeschlagenen; für Recht zu sorgen für die, die ohne Recht am Rande leben. Zu widersprechen, wo Recht mit Füßen getreten wird.“

Hintergrund:

Sant’Egidio ist eine 1968 in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstandene christliche Gemeinschaft, die von Andrea Riccardi an einem Gymnasium im Stadtzentrum von Rom gegründet wurde und ihren Sitz im Kloster Sant'Egidio in Rom hat. Mittlerweile gehören dem Netzwerk aus Gemeinschaften in über 70 Ländern der Welt etwa 60.000 Mitglieder an. Der Gemeinschaftsgedanke ist geprägt von einer besonderen Aufmerksamkeit für Menschen am Rande der Gesellschaft. Aus der Nähe zu den Armen vor Ort entstand das Engagement von Sant'Egidio als Vermittlerin in Bürgerkriegs- und Krisengebieten. Auch der ökumenische und interreligiöse Dialog ist ihr ein wichtiges Anliegen.

Seit 1987 werden jährlich Vertreter der christlichen Kirchen und der Weltreligionen sowie Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft zu internationalen Friedenstreffen eingeladen. Mit Prof. Andrea Riccardi, Gründer von Sant'Egidio, erhielt die Gemeinschaft als Auszeichnung u.a. im Mai 2009 den angesehenen Internationalen Karlspreis zu Aachen. In Deutschland entstand Sant’Egidio 1981.

 

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