Mehr als 40 Jahre lang die Stimme der Kirchengemeinden Mecklenburgs
13. Juni 2024
Schwerin. Mehr als 40 Jahre war Marion Wulf-Nixdorf als Reporterin und Redakteurin der Kirchenzeitung in Mecklenburg unterwegs. Am 22. April hat Bischof Tilman Jeremias sie verabschiedet.
Liebe Marion, liebe Gemeinde,
der heutige Tag markiert einen tiefen Einschnitt für die evangelische Publizistik in Mecklenburg. Mit dir geht das Urgestein der Mecklenburgischen Kirchenzeitung in den Ruhestand. Über 40 Jahre lang hast du die Kirchenzeitung geprägt, seit 1983. Und du bist in all den gewaltigen Veränderungen, die es in dieser langen Zeit gegeben hat, dir treu geblieben, als bodenständige Autorin mit dem Herz am rechten Fleck, hoch engagiert und vernetzt, niemals abgehoben, nah dran den Gemeinden und den Menschen hier im Land.
Damit bist du, liebe Marion, so etwas wie die Verkörperung unserer evangelischen Kirche in Mecklenburg überhaupt: Du hast als Kirchen-Redakteurin gewissermaßen immer gelebt, was den Gegenstand deiner Texte prägt: Wir sind eine Kirche der Basis, der ländlichen Gemeinden, der flachen Hierarchien und der Gemeinschaft der Dienste. Du konntest, so hast du mir erzählt, eben auch, wenn es nötig war, deinen Bischof noch abends um 22.00 Uhr anrufen. Das gibt es so wohl kaum woanders. Nota bene: Es ist strukturell eigentlich völlig unmöglich, dass ich diese Verabschiedung gestalte, ist die Kirchengebietspresse doch eigentlich unabhängig von der verfassten Kirche.
Kirchengebietspresse ist unabhängig
Dein Interesse galt nicht den großen Events oder den staatstragenden Worten bedeutender Kirchenfürsten. Du warst und bist nahe dran an der ehrenamtlichen Küsterin, dem einsatzfreudigen Fördervereinsvorsitzenden oder der treuen Kirchenältesten. Du liebst unsere dick bemauerten Dorfkirchen, freust dich über eine Orgelrestaurierung oder eine Glockenweihe in den Weiten unserer Kirche. Du kennst die Geschlechter, die die Mecklenburgische Kirchengeschichte geprägt haben, die Freuden und Dramen der heutigen Mitarbeiterschaft, die Debatten der Synode und die Sorgen um die Zukunft. Deine Ekklesiologie passt in einen Satz: „Kirche ist Beziehung.“
Der Himmel hat es so gewollt, dass als Epistel dieser Woche von Jubilate Apostelgeschichte 17 dran ist, die Predigt des Paulus auf dem Areopag in Athen. Eine wahrhaft moderne Predigt von vor 2000 Jahren. Der Apostel stellt sich ins Herz des Sozialraums, auf den Markt. Er redet nicht über die Köpfe der Leute hinweg. Er steigt in seine Predigt ein, indem er von seinen Beobachtungen während seines Stadtspaziergangs erzählt. Damit holt er seine Hörerinnen und Hörer dort ab, wo sie sind.
Er überfällt sie nicht gleich mit der christlichen Botschaft, sondern sucht nach Anknüpfungspunkten. Diese Punkte findet er in den philosophischen und wissenschaftlichen Debatten in Athen und in dem Altar, der dem unbekannten Gott geweiht ist. Geschickt erklärt er den Athenerinnen und Athenern, dass sie mit diesem Altar niemanden anderen verehren als den Schöpfer des Universums. Und dass ihn zu verehren bedeutet, Abstand zu nehmen von der Idee, dass in irgendwelchen Statuen Gott selbst zu finden ist.
Bis dahin haben sie wohl alle genickt, die vielen, die gekommen waren, begierig, Neues zu hören. Doch Paulus kommt dann auch auf den Auferstandenen zu sprechen, anders kann er nicht. Nun scheiden sich die Geister, manche kommen zum Glauben, andere wenden sich ab.
Die Medien sind der Areopag unserer Tage
Der Areopag unserer Tage sind die Medien. Auch 2000 Jahre nach Paulus wollen die Leute Neuigkeiten lesen, hören und sehen. Aber sie blättern und klicken weiter, wenn sie merken, sie sind nicht gemeint oder angesprochen. Sie wollen abgeholt, gut informiert und berührt werden, so wie zu Paulus‘ Zeiten
Liebe Marion, dafür stehst du für Mecklenburgische Kirchenmenschen seit über vier Jahrzehnten. Niemand von uns kann sich vorstellen, dass dein Name jetzt seltener oder vielleicht sogar gar nicht mehr unter Artikeln der Kirchenzeitung steht.
Dabei bist du eher zufällig zu dieser Arbeit gekommen. Du warst im Lehrerstudium. Und hast Gerhard Thomas bei einer Fete kennengelernt. Im Arbeitszimmer des Chefredakteurs hast du zunächst gewohnt. Wenn du erzählst, wirkt die Kirchenzeitung wie eine große Familie. Da gibt es die geistlichen Väter, über Jahrzehnte, sie heißen Ohse, Walter oder Raabe. Da gibt es das kleine Team vor Ort, die Türen stehen offen, man trifft sich, diskutiert, bespricht, trinkt Unmengen Kaffee. Da ist der Redaktionsbeirat, der Presseverband. Da sind vor allem aber die Redaktionsgruppen, für die Kinderseite oder Kirche weltweit. Engagierte Leute aus der ganzen Kirche denken und schreiben mit, eine Mitmach- Zeitung.
Und immer verwurzelt in Mecklenburg. Auch die Meinung und der Blick in die Welt haben oft Bezug zu den Vor-Ort-Themen.
Was hat sich alles verändert in den gut vier Jahrzehnten! Zu DDR- Zeiten waren es noch 15.000 Abos, vier Seiten war die Zeitung dick, viele Sitzungen waren zu Hause und alle wussten, was man schreiben konnte und was nicht. Jedes Jahr ein Pressefest in einer der Gemeinden.
Nach Gerhard Thomas kam Hermann Beste, bis heute der Kirchenzeitung eng verbunden, auch immer noch als Autor. Dann die Krisenzeit unter Kapiske, Stasi- Debatten, zwischenzeitlich warst du ganz allein, wurdest krank. Wie sollte alles weitergehen? Und gleich nach der friedlichen Revolution der neue Chef mit dem schönen Vornamen, Jahrzehnte lang wart ihr ein fantastisches Team, Tilman der Theologe und Denker, aber auch der Visionär und Chaot, du die bodenständige Stimme der Gemeinde- Basis, die Geschichten- Erzählerin, die Treue und Beständige.
Stimme der Gemeinde-Basis
1997 entsteht dann, zunächst zart, die Verbindung nach Pommern, und siehe- es klappt gemeinsam! Thomas Jeutner bereichert das Team. Und für dich heißt diese Verbindung über Recknitz und Trebel hinweg auch privates Glück, als du deinen Mann kennenlernst.
Spätestens die Nordkirche bringt den nächsten Schub an Veränderung, jetzt kommt die Evangelische Zeitung dazu, Ost und West rücken zusammen, müssen sich aber mit ihren unterschiedlichen Traditionen auch ganz schön zusammenraufen. Mittlerweile kann niemand mehr überschauen, wer noch alles mit im Boot sitzt, Hannover sicherlich, Bielefeld wohl auch, wirklich auch Berlin noch und/ oder Speyer?
Mit den Erweiterungen wachsen die Entfernungen, wird manches unpersönlicher, die Digitalisierung tut ihr Übriges. Und so kannst du erleichtert und dankbar auch sagen, dass es wohl dran ist, jetzt zu gehen. Und wir fragen heute nicht in erster Linie, wie denn alles weitergehen kann ohne dich. Wir sagen aus tiefstem Herzen „Danke“.
Die Weite von Mecklenburg verbindet sich mit der Liebe zu den kleinen Dörfern
Liebe Marion, du hast uns über Jahre und Jahrzehnte oft aus der Seele geschrieben, zuverlässig haben wir aus anderen Gemeinden gehört, manche Ideen geklaut und durch dein Erzählen, immer wieder das sichere Gefühl gewonnen, dass wir hier in Mecklenburg zusammengehören. Im Umgang mit dir hat uns geholfen, dass man bei dir jede Sekunde weiß, woran man ist, auch und gerade, wenn dir mal was gar nicht passt. Aber eben auch, wenn du begeistert bist. In dir verbindet sich die Weite unseres Landes mit der Liebe zu den kleinen Dörfern mit ihren alten Kirchen.
Wir drücken heute die Hochachtung vor deiner enormen beruflichen Lebensleistung aus. Und wünschen dir, dass Gott an deiner Seite bleibt und dass wir uns oft noch wieder treffen hier und da im Land. Schön, dass es dich gibt, liebe Marion! Amen.