Mit „Brot für die Welt“ nachhaltig helfen
02. Dezember 2018
Eröffnung „Brot für die Welt“ am 1. Advent 2018, Predigt zu Jak 2, 1.5-9.14-17
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde!
In doppelter Weise ist dieser Sonntag heute ein besonderer: Die neue Aktion von ‚Brot für die Welt‘ wird eröffnet; und wir führen eine neue Ordnung der biblischen Texte ein, über die in den Gottesdiensten gepredigt werden soll. Mehr Geschichten aus dem Alten Testament sind dabei, was mich freut, und neue Texte, wie den heutigen Predigttext aus dem Jakobusbrief. Was Luther dazu wohl gesagt hätte – hat er den Jakobusbrief doch eine ‚stroherne Epistel‘ genannt… Aber hören wir erst einmal Ausschnitte aus dem 2. Kapitel in der Fassung der Basisbibel:
„Meine Brüder und Schwestern! Ihr glaubt doch an unseren Herrn Jesus Christus, der in Herrlichkeit regiert. Dann beurteilt andere nicht nach dem Ansehen der Person. …
Hört mir gut zu, meine lieben Brüder und Schwestern! Hat Gott nicht gerade diejenigen erwählt, die in der Welt als arm gelten? Sie sollen durch den Glauben reich werden. Und sie sollen das Reich erben, das er denen versprochen hat, die ihn lieben. Aber ihr verachtet die Armen. Dabei sind es doch die Reichen, die euch unterdrücken und euch vor die Gerichte zerren. Sie sind es auch, die den guten Namen in den Schmutz ziehen – den Namen, der bei der Taufe über euch ausgerufen wurde. In der Heiligen Schrift steht: ‚Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!‘ Wenn ihr dieses wahrhaft königliche Gebot befolgt, handelt ihr richtig. Wenn ihr dagegen andere nach dem Ansehen der Person beurteilt, macht ihr euch schuldig. Und das Gesetz deckt eure Übertretung auf. …
Meine Brüder und Schwestern, stellt euch vor: Jemand behauptet, an Jesus zu glauben. Was nützt ihm das, wenn er seinen Glauben nicht in die Tat umsetzt? Kann dann der Glaube ihn retten?
Und weiter: Ein Bruder oder eine Schwester hat keine Kleider. Ja, er hat nicht einmal das tägliche Brot zu essen. Einer von euch könnte nun zu ihnen sagen: ‚Friede sei mit euch, ihr sollt es warm haben und satt sein!‘ Was nützt das, wenn ihr ihnen nicht gleichzeitig gebt, was sie zum Leben brauchen? So ist es auch mit dem Glauben: Wenn er allein bleibt und nicht in die Tat umgesetzt wird, ist er tot.“ (Jak 2, 1.5-9.14-17)
Ja, das ist wichtig für unsere Zeit, dass wir nachdenken und reden über Ungerechtigkeit und dass das unterschiedliche Ansehen von Menschen uns den Blick nicht verstellen darf – für ihre Würde, für ihre Bedürftigkeit.
‚Kleider machen Leute‘, sagt der Volksmund. Angesagte Klamotten, modische Kleidung verfehlen ihre Wirkung nicht: Man wird nicht abschätzig angesehen, ist nicht so schnell ‚out‘. Aber oft genug machen Kleider Leute auch unglücklich: Wenn deine Kinder in der Schule angemacht werden, weil sie keine Markenklamotten tragen – als wären sie dadurch als Menschen auch nur ein bisschen weniger wert! Oder noch existentieller: Wenn Frauen und Kinder in Asien für Hungerlöhne unter unmenschlichen Bedingungen für uns immer billigere Tops, Jeans und Blazer herstellen müssen! Da gilt es, nachzufragen beim Einkauf, auf faire Handels-Siegel zu achten und Organisationen zu unterstützen, die sich für gerechtere Arbeitsbedingungen einsetzen! Zu Anfang mag es einem vorkommen, als würde es nichts bringen: So war es einst auch bei fair gehandeltem Kaffee und Tee. Doch inzwischen hat jeder anständige Supermarkt Fairtrade-Kaffee und -Tee im Angebot, und den Bauern, die dies produziert haben, geht es besser. Wir sind längst nicht so machtlos, wie es den Anschein hat: Was wir kaufen, entscheidet mit, ob Menschen ein Leben in Würde führen können.
All das hat etwas mit unserem Christsein zu tun. Ein Glaube, der tatenlos bleibt, kann nicht wirklich lebendig sein.
Zu Recht hatte Luther immer wieder eingeschärft: Unser Ansehen vor Gott hängt nicht ab von guten Taten. Wenn ihr vor Gott bestehen wollt, verlasst euch nicht auf eure Anständigkeit. Es wird nicht reichen! Setzt euer Vertrauen darauf, dass Gott euch bejaht, dass Gott euch liebt – wie gute Eltern ihre Kinder. Darum auch seine Zurückhaltung gegenüber dem Jakobusbrief, der gute Werke betont. Doch auch Luther sprach immer wieder davon, dass unser Glaube gar nicht anders könne, als tätig zu werden – in Barmherzigkeit, in einem Verhalten, das der Gerechtigkeit dient. So geht es heute auch um die Frage, was wir tun können. Damit die Verhältnisse nicht bleiben, wie sie sind! Weil Christus uns ermutigt, uns für Gerechtigkeit einzusetzen!
‚Brot für die Welt‘ macht uns das leicht. Zum Beispiel in Sierra Leone. Das Projekt dort beschreibt ‚Brot für die Welt‘ wie folgt:
Die Armut ist so groß, dass Kinder oft zum Lebensunterhalt beitragen müssen. Kinderarbeit ist an der Tagesordnung. Ein Projekt ermöglicht Jungen und Mädchen, in die Schule zu gehen und hilft den Eltern, ihr Einkommen zu erhöhen. Mamorka ist ein Dorf wie viele andere: Es gibt keinen Strom, die mit Schilfrohr gedeckten Lehmhütten gruppieren sich um einen handbetriebenen Brunnen, gekocht wird auf offenen Holzfeuern. Und doch ist das Dorf alles andere als gewöhnlich: Fast alle Kinder gehen in die Schule. Und keine einzige Familie muss Hunger leiden. Das war längst nicht immer so.
„Früher gab es zu Hause nie genug zu essen. Deshalb mussten wir Kinder mithelfen, Geld zu verdienen“, erzählt Aruna. Der 19-Jährige ist ein Waisenkind, seine Eltern kamen während des verheerenden Bürgerkriegs ums Leben, der zwischen 1991 und 2002 in dem westafrikanischen Land wütete. Aruna wuchs deshalb bei Kleinbauer Ali Sesay und seiner Frau Ramatu auf. Die beiden haben insgesamt elf Kinder. Alle mussten mit anpacken, um das Überleben der Familie zu sichern.
Aruna zum Beispiel half den Nachbarn, ihre Ernte zum Markt zu tragen, packte Holzkohle in Säcke und verkaufte Papayas an der Landstraße. Deswegen konnte er als kleiner Junge nur selten in die Schule gehen. „Wer ständig fehlt, verliert im Unterricht schnell den Anschluss“, sagt Aruna. Der 19-Jährige hat miterlebt, was dann passiert: „Viele Schüler haben keine Lust mehr und bleiben irgendwann ganz weg.“ Dieses Schicksal hätte auch ihm blühen können. Doch er war fleißig – und hatte Glück.
Ebenso wie seine Stiefschwester Fatimata zählte Aruna zu den 115 besonders armen Jungen und Mädchen im Dorf, die von der Unterstützung der Siera Grass-roots Agency profitierten, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt. „Wir haben einen ganzen Stapel an Lehrbüchern und Heften bekommen, dazu etliche Stifte und eine brandneue Schuluniform“, erzählt Aruna stolz. Doch nicht nur das: Arunas Zieheltern lernten durch das Projekt, wie sie neue Reissorten erfolgreich anbauen. Sie legten einen Gemüsegarten an, züchteten Hühner und Ziegen. Heute hungert die Familie nicht mehr. Und alle Kinder gehen in die Schule.
Nach der sechsten Klasse erhielt Aruna ein Stipendium für eine weiterführende Schule. Jetzt steht er kurz vor dem Abitur. „Das muss ich unbedingt schaffen“, grinst er, „denn meine Schwester Fatimata ist mir dicht auf den Fersen.“ Für seine jüngeren Geschwister ist Aruna ein Vorbild. Am Nachmittag übt er mit ihnen und kontrolliert ihre Hausaufgaben. Lehrer werden möchte er aber nicht. Sein Traum: „Am liebsten würde ich später etwas mit Computern machen.“
All das kostet nicht die Welt. Mit einer Spende von 50 € kann einem Kind der Schulbesuch ermöglicht werden: zwei Schuluniformen, eine Schultasche, 24 Hefte, acht Bücher, Stifte… Für nur 50 € eine Chance fürs Leben! Mit 90 € bekommen fünf Familien Reis-Saatgut. Baut man den Reis richtig an, ist der Ertrag enorm. Fünf Familien müssen nicht mehr hungern! Ist doch großartig, welch erstaunlich positiven Wirkungen unsere Gaben haben können! Das Überschaubare, was wir tun können, bedeutet in manch anderen Weltgegenden unglaublich viel!
In den Sprüchen Salomos heißt es: „Der Gerechte weiß um die Sache der Armen.“ (Spr 29,7a) Schwestern und Brüder, das erhofft sich Christus von uns: Dass wir nicht wegschauen! Dass wir uns Menschen in Armut wichtig werden lassen – wie anderswo, so hier bei uns. Denn auch bei uns liegt einiges im Argen: Fast jedes dritte Kind in unserem Bundesland ist von Armut bedroht. Insbesondere für Alleinerziehende ist das Risiko besonders hoch. Und Kinder aus diesen Verhältnissen haben es ungleich schwerer, in unserem Bildungssystem zu bestehen.
Was können wir dagegen tun? Zum Beispiel, indem wir nicht Parteien wählen, die uns mehr Netto vom Brutto versprechen, sondern jene, die glaubwürdig etwas für mehr Bildungschancen tun wollen. Oder, wenn wir uns klarmachen: Manchen dieser Heranwachsenden fehlt es auch an Aufmerksamkeit und menschlicher Wärme. Lasst uns ihnen achtsam und zugewandt begegnen – sie leben mitten unter uns; und manchmal ist ihre Bedürftigkeit gerade unter Markenklamotten verborgen.
„Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit“, sagt Jesus, „denn sie sollen satt werden.“ (Mt 5,6) Dieser Hunger, diese Sehnsucht sind es, die uns helfen, lebendig zu bleiben. Gott stärkt uns dabei den Rücken.
Amen.
Und der Friede . . .