Predigt am Ostersonntag
20. April 2025
Johannes 20, 11-18
Χριστὸς ἀνέστη! Christus ist auferstanden! - Ἀληθῶς ἀνέστη! Er ist wahrhaftig auferstanden! Mit diesen Worten grüßen heute weltweit Christen einander - nicht nur in griechischer oder deutscher Sprache, sondern auch in vielen weiteren Sprachen. Es ist eine Besonderheit, dass wir alle das heute gemeinsam mit ihnen tun können. Denn in diesem Jahr fällt das Osterfest für alle christliche Konfessionen auf dasselbe Datum.
Ich werde Sie mit den Einzelheiten der Berechnung des Ostertermins in den orthodoxen Kirchen im Unterschied zu unserem Ostertermin jetzt nicht befassen. Nur so viel: schon seit dem Konzil von Nicäa vor 1700 Jahren will sich die Christenheit eigentlich auf einen gemeinsamen Termin zur Feier des Osterfestes einigen - und wer weiß, vielleicht führen die ökumenischen Gespräche auch hier nach so vielen Jahren nun bald zu Ergebnissen. Umso schöner und wichtiger ist aber, dass alle christlichen Kirchen heute gemeinsam Ostern feiern - was für ein gutes und wichtiges Zeichen der Verbundenheit, Einigkeit und Gemeinschaft im Glauben an den auferstandenen Christus in einer so zerrissenen und gespaltenen Welt!
Wobei der triumphale und laut-fröhliche Ruf „Christus ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden!“ nur bedingt zur Schilderung des Ostermorgens im Johannesevangelium passt. Dort geht es sehr viel verhaltener, stiller, leiser zu. Ja, man muss sogar sagen, der Ostermorgen beginnt, wie der Karfreitag aufgehört hat - mit Trauer, Schmerz und Einsamkeit. Eine trauernde Maria geht zum Grab, hört vielleicht das Zwitschern der Vögel am frühen Morgen und das Geräusch ihrer eigenen Schritte. Sie weint und weint und weint und kann damit gar nicht aufhören. Wie sollte das auch anders sein nach dem Verlust eines geliebten und nahen Menschen?
Dennoch - irgendetwas scheint anders zu sein als noch am Karfreitag. Ja, es ist heller Morgen und nicht mehr dunkler Spätnachmittag. Aber auch Marias Tränen scheinen seltsam aus der Zeit gefallen. Gleich zweimal wird sie geradezu erstaunt gefragt: „Frau, warum weinst du?“ - als ob das unverständlich, unangebracht oder gänzlich unnötig wäre. Dass ihr diese Frage auch von Jesus selbst gestellt wird, versteht sie erst, als er sie mit ihrem Namen anspricht. Am Klang seiner Stimme erkennt sie, dass er nicht der Gärtner ist, sondern ihr Rabbuni, ihr verehrter Lehrer. Was läge näher, als ihn völlig überrascht und sicher auch überwältigt zu berühren, vielleicht zu umarmen, jedenfalls ihn anzufassen und das wundersame Geschehen im Wortsinn zu be-greifen. Aber Jesus weist sie zurück: „Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“
Wie kann man diese merkwürdige, fast brüske Zurückweisung verstehen? Vielleicht so: Was am Kreuz geschehen ist, hat die Beziehung zwischen Jesus und Maria, und auch zwischen Jesus und den anderen Jüngern grundlegend verändert. Mag Jesus bis zu seinem Tod am Kreuz einer gewesen sein, der eindrücklich und bildhaft von Gottes Liebe und seinem nahe herbeigekommenen Reich des Friedens und der Gerechtigkeit erzählt hat, so wird mit seiner Auferweckung klar: Jesus und Gott gehören untrennbar zusammen. In diesem Jesus, in seinem Leben, seinen Worten und auch in seinem Sterben hat Gott sich erkennbar gemacht, sich gezeigt, sich offenbart. Jesus ist nicht mehr nur der Lehrer, der Vertraute oder Freund. Was er tut und sagt, ist nicht nur ein gutes Beispiel dafür, wie Menschen im Namen Gottes leben können und leben sollen. Sondern Jesus ist mehr als das: sein Leben, sein Sterben, seine Auferweckung, er selbst sind Heilszeichen - Jesus steht zeichenhaft für die die Wirklichkeit verändernde Macht der Liebe Gottes.
Was bedeutet: Gott ist überall so gegenwärtig, wie Jesus es verkündigt und und durch sein Leben gezeigt hat: als bedingungslose, neuschaffende, barmherzige Liebe. Selbst am Kreuz und im Grab, den Orten von Sterben und der Todesruhe, bringt er seine Kraft der Liebe zur Wirkung: aus Tod schafft er neues Leben, aus Vergänglichkeit Zukunft, aus Bösem Gutes. Und das nicht abstrakt, sondern ganz konkret: immer geht es um die Gegenwart von Gottes Liebe im konkreten Leben eines Menschen - in Ihrem, meinem, unserem Leben. Immer geht es darum, dass in unserem menschlichen Leben, Sterben und selbst im Tod mehr und anderes geschieht, als wir sehen, erfahren und meinen - weil Gott auch da lebendig und schöpferisch tätig ist, wo wir denken, dass nichts mehr geht.
Davon soll Maria Magdalena den Jüngern berichten. Und als sie das tut, wächst aus ihnen langsam, aber beständig eine neue Gemeinschaft. Nicht mehr der Freund Jesus ist in ihrer Mitte, aber lebendig und gegenwärtig ist der Glaube an ihn als den, der aus ihnen, den von seinem Tod Versprengten und Verstörten eine neue Gemeinschaft macht,. Eine Gemeinschaft derer, die Zeugen und Zeuginnen der Liebe Gottes sind. Das Ostergeschehen führt Menschen in eine neu verstandene Beziehung zu Gott und zu einer neuen Gemeinschaft zusammen. Zu einer Gemeinschaft, die durch die Beziehung zu Jesus und Gottes schöpferische Liebe geschaffen wird. Eine Gemeinschaft, in der es keine Rolle spielt, woher man kommt, wer man ist oder wie viel man im Leben aufzuweisen hat. Eine Gemeinschaft, die sich nicht durch Abgrenzung und Ausgrenzung definiert, sondern als Hoffnungsgemeinschaft für alle Menschen. Eine Gemeinschaft, die darauf vertraut, dass Gott diese Welt von Grund auf verwandeln wird - so, dass Tod, Leid und Geschrei ein Ende haben.
Mit dieser Zuversicht können wir gelassen und ruhig dafür eintreten, dass unsere wundervolle, verwundete und verletzliche Welt für alle eine gute Zukunft bietet. Dabei soll das, was unser Leben wirklich menschlich, nämlich mitmenschlich macht, nicht verloren gehen: Respekt und Rücksichtnahme, Nächstenliebe, Empathie, Güte und Wohlwollen. Denn sie sind es doch, die unser menschliches Zusammenleben und unsere Gemeinschaft wirklich stärken und schützen. Ich setze darauf, dass wir an Ostern neu lernen: Nicht das, was wir haben oder womit wir andere klein machen und bedrohen können, macht uns zuversichtlich und gewiss. Sondern die Erfahrung, respektiert zu werden, die Fähigkeit, füreinander da zu sein und einander zu vertrauen, und nicht zuletzt die Liebe, die wir schenken und geschenkt bekommen.
Was das konkret in Ihrem Leben heißt? Finden Sie es heraus - denn das kann uns kein anderer, keine andere abnehmen. Machen Sie Erfahrungen damit, was es heißt, andere in Ihrem Umfeld vor allem als eines anzusehen: als geliebte Geschöpfe Gottes. Sehen Sie darauf, was es heißt, unsere nicht-menschliche Mitwelt als geliebte Geschöpfe anzusehen, ins Leben gerufen und auf unserem Planeten mit Heimatrecht versehen wie wir. Finden Sie heraus, was geschieht, wenn Sie mit dieser Haltung durchs Leben gehen. Erleben sie die Veränderung, die Transformation, den Blick für ein neues und anderes Leben, der sich dann auftut.
Ich jedenfalls möchte mich von Ostern und der Hoffnung auf neues Leben, die die Auferweckung Christi schenkt, überraschen lassen - und ja, auch verändern, transformieren lassen. Jetzt in diesem Leben und über sein Ende hinaus - im Vertrauen darauf, dass uns Gott in eine Zukunft ruft, auch lange nach unserem Tod.
Oder, mit den alten Worten der Kantate, die wir gleich hören werden: Merke, mein Herze, beständig nur dies, Wenn du alles sonst vergißt, daß dein Heiland lebend ist; Merke, mein Herze, nur dies.
Amen.