19. Mai 2024 // Lutherische Stadtkirche zu Wien

Predigt am Pfingstsonntag 2024 in der Lutherischen Stadtkirche zu Wien

21. Mai 2024 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

Zu Hause vor meinem Fenster in Schwerin

sieht es jetzt sehr pfingstlich aus.

Sieben prächtig blühende Pfingstrosen

haben wir während der fünf Jahre,

die wir jetzt dort im Bischofshaus in Schwerin leben,

in unserem Garten versammelt.

Blüten in leuchtendem Rot,

der liturgischen Farbe des Heiligen Geistes,

sind ebenso dabei wie zartes Rosé und Weiß.

Ich liebe diese sieben Pfingstrosen,

ihre üppige Blütenfülle,

ihren wunderbaren Duft.

Zwei von ihnen erinnern mich an mein, an unser Ursprungs-Zuhause:

Sie stammen aus den Gärten

meiner Eltern und Schwiegereltern in Niedersachsen

und haben in Schwerin gut Wurzeln geschlagen.

 

Vielleicht kennen Sie das:

Mit Menschen, die uns sehr nah waren oder sind,

verbinden uns oftmals bestimmte Dinge.

Manche klein und unscheinbar wie eine Murmel.

Andere leuchtend schön wie Pfingstrosen in den Gärten.

Sie verbinden uns mit diesen Menschen,

auch wenn sie selbst nicht

oder nicht mehr da sind.

Sie helfen uns über Trennungen und Abschiede hinweg.

In ihnen liegt ein Trost verborgen,

der schwer in Worte zu fassen ist.

Denn über ihre bloße Gegenständlichkeit hinaus

verweisen sie uns in Räume und Zeiten,

in denen Abwesende für uns anwesend sind.

 

Auch Jesus wusste darum,

wie wichtig ein solcher Trost für die Zeit ist,

in der die Menschen ohne unmittelbaren Kontakt

mit ihm leben würden.

Deshalb hat er Trost versprochen für diese Zeit.

Ja, er hat versprochen,

einen regelrechten  Tröster zu senden -

den Heiligen Geist:

„Wenn ich gehe, will ich ihn zu euch senden.“ (Joh 16,7b)  

 

Gottes Heiliger Geist soll weiterhin mit Christus verbinden.

Soll erfahrbar machen,

dass er anwesend, präsent ist.

Die Kraft des Heiligen Geistes Gottes

wirkt darauf hin und beseelt Menschen,

sich an der Botschaft Jesu zu orientieren.

Seit zwei Jahrtausenden stärkt sie Menschen im Glauben

an Gottes Gegenwart und verbindet sie zur weltweiten Kirche.

An Pfingsten gibt Gott von dem Geist weiter,

der in ihm und in Jesus Christus ist.

An Pfingsten feiern wir,

dass uns die Energie und Kraft des Heiligen Geistes

mit Christus und mit Gott verbinden.

So, dass wir die Welt sehen mit den Augen Jesu Christi.

Mit ihm am Zustand der Welt leiden

und uns mit ihm freuen,

wenn Nächsten- und Gottesliebe

sich durchsetzen gegen Haß und Verblendung.

Eines Geistes sein mit Gott und Christus,

darum geht es an Pfingsten.

 

Dieser Geist setzt Menschen in Bewegung.

Äußerlich wie innerlich.

Denn immer wieder bringt dieser Geist Gottes etwas im Gang

Schon in der Schöpfungsgeschichte ist das so:

Als der erste Lichtstrahl am Schöpfungsmorgen

auf die kalte, wüste und noch leere Welt traf,

da brachte Gottes Geist, der Hauch des Lebens,

Bewegung und Lebendigkeit.

Machte einen Anfang.

Ließ alles Leben beginnen.

Auch als nach Jesu Tod am Kreuz

ein neuer Anfang nötig ist,

wird Gottes Geist aktiv:

Verwirrt, traurig,

sitzen die Jünger nach Jesu Tod zusammen.

verlassen von dem,

der sie begleitet und inspiriert,

der sie begeistert hat,

fragen sie sich,

wie es nun weitergehen wird.

Ob es ohne ihn überhaupt weitergehen kann.

 

Und genau da erleben sie,

wie es dennoch weitergehen kann.

Jesus wird nicht mehr körperlich bei ihnen sein.

Aber sie erfahren:

sein Geist des Friedens, der Liebe, der Barmherzigkeit,

der ist weiterhin bei ihnen,

mitten unter ihnen,

und inspiriert sie auch zukünftig.

So wie in allem Anfang der Schöpfung 

Gott die Menschen mit seinem Atem anbläst,

sie geradezu lebendig macht,

So macht nun die Kraft des Geistes

die Jünger in neuer Weise lebendig.

Inspiriert, animiert, belebt sie neu.

Und schenkt ihnen eine neue Aufgabe.

Der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit

bestärkt sie wie uns,

weiter davon zu erzählen,

was für eine große Macht die Liebe ist -

größer und stärker als alle Mächte des Todes.

Damit wir nicht aufhören,

Ausschau zu halten nach Frieden und Versöhnung.

Damit wir einander immer wieder zeigen,

wie sehr Barmherzigkeit und Vergebung

alles verwandeln,

wie sie Menschen neu machen können.

 

Dieser Geist des Friedens, der Barmherzigkeit und der Liebe

verbindet seitdem die unterschiedlichsten Menschen.

Die Jünger damals,

uns heute und hier,

Christenmenschen weltweit in der Ökumene,

hinweg über die Grenzen verschiedener Konfessionen,

hinweg über Sprachbarrieren und kulturelle Kontexte.

Wo dieser Geist wirkt,

ereignet sich,

was wir weltweit so dringend brauchen:

Verständnis füreinander,

Aufmerksamkeit und Respekt,

Verständigung über so viele Unterschiede und Ängste hinweg.

Damit Frieden wird und Gerechtigkeit wächst.

 

Der Geist Gottes

hilft uns, klar zu sehen,

wie es um uns und die Menschen,

wie es um uns, unsere Mitgeschöpfe und die Welt bestellt ist.

Denn die Geistkraft Gottes wird

„… der Welt die Augen auftun über die Sünde

und über die Gerechtigkeit und über das Gericht.“ (Joh 16,8)

 

Sünde, Gerechtigkeit, Gericht -

große, gewichtige Worte sind das.

Sie verweisen darauf,

was verkehrt ist in dieser Welt,

was zu Recht gebracht

und zum Guten gewendet werden muss.

Die Gabe des Heiligen Geistes soll helfen,

das besser zu verstehen.

Und sie soll helfen, zu unterscheiden -

zwischen dem, was Sünde ist und was nicht,

zwischen dem, was Gerechtigkeit ist und was nicht.

Gottes Heiliger Geist kann uns helfen zu verstehen,

wem unser Leben wirklich gehört,

welchen Mächten wir uns unterstellen und welchen nicht.

Deshalb wird der Heilige Geist auch der Geist der Wahrheit genannt.

 

Von diesem Geist erfasst und beflügelt zu werden,

kann unbequem sein.

Denn er lässt uns nicht einfach unseren Frieden machen mit dem,

wie es in unserer Welt zugeht.

Sondern der Heilige Geist ermutigt uns,

zu erkennen und zu benennen,

was Sünde, Ungerechtigkeit oder Anmaßung ist.

Bei uns selbst, in unserer Gesellschaft, in unserer Kirche.

 

Sünde zerstört Leben.

Sünde erkennt die Grenzen unserer Geschöpflichkeit nicht an.

Sie setzt sich selbst an Gottes Stelle,

meint über Leben und Tod selbstherrlich entscheiden zu können.

Sünde sieht Menschen nicht als zu achtende Geschöpfe Gottes,

sondern als Mittel für Zwecke,

die nichts mit Gott und seiner Liebe zu allen Menschen

und zu allen Geschöpfen zu tun haben.

 

Wo ein solcher, ein sündiger Umgang mit Menschen

und unseren Mitgeschöpfen vor Augen steht,

gilt es, ihn beim Namen zu nennen und nicht zu dulden.

Wer vor der Sünde nicht die Augen verschließt,

wird durch Gottes Heiligen Geist

auch deutliche Worte und klare Wege finden,

wenn es um Gerechtigkeit geht.

Denn sich an Gottes Gerechtigkeit zu orientieren,

heißt, barmherzig zu sein.

Weil Gottes Gerechtigkeit keine penible Kosten-Nutzen-Rechnung ist,

sondern Schenken und Verschenken aus der Fülle seiner Liebe.

Einer Fülle, die das Leben wachsen und aufblühen lässt,

und in den Mittelpunkt stellt,

was gut ist für die Menschen und alle Geschöpfe.

Gottes Geist lässt uns Worte und Taten finden,

um zusammenzustehen gegen menschenverachtende Ideologien

und Meinungsmache -

so wie wir es gerade in Deutschland erleben,

wo Rechtspopulisten und Rechtsextreme mit ihren Themen,

mit Hass und Hetze versuchen,

den öffentlichen Diskurs zu bestimmen.

Gut, dass demgegenüber dann auch Christenmenschen

klar und entschieden einstehen

für Wahrheit und Wahrhaftigkeit,

für gewaltfreie Diskurse,

für eine offene und vielfältige Gesellschaft,

für Menschenrechte und Menschenwürde

aller Menschen gleichermaßen.

 

„Wenn aber jener,

der Geist der Wahrheit, kommen wird,

wird er euch in alle Wahrheit leiten.“ (Joh 16, 13)

Mich berührt sehr, dass im Heiligen Geist

Trost und Wahrheit eng miteinander verbunden sind.

Und dass beide, Trost und Wahrheit,

uns als Christenmenschen auch weltweit verbunden.

Manche als einstmals große Kirchen,

die ihr kleiner-werden erleben

und sich gleichermaßen zu fürchten scheinen

vor Bedeutungsverlust wie vor wirklicher Veränderung.

Manche als kleine Kirchen in der Minderheit,

die aber dennoch stark ausstrahlen in die Gesellschaft,

die sie mitgestalten und mitprägen.

Und wieder andere als große und wachsende Kirchen.

Manche als Kirchen, die Verfolgung und Bedrohung erleben,

weit entfernt von Religions- und Meinungsfreiheit.

Manche als arme Kirchen mit wenig Ressourcen

und doch klar an der Seite von Benachteiligten und Flüchtlingen.

Und andere als reiche Kirchen der weißen Mittelschicht -

viel zu oft mit sich selbst und ihren Strukturen beschäftigt.

 

An Pfingsten erinnern wir alle einander:

Wir glauben an den einen Gott,

an den einen Christus,

verbunden in dem einen, dem Heiligen Geist.

Wir singen von der unbeirrbaren Liebe Gottes,

die allen Menschen gilt.

Wir seufzen mit Gottes Schöpfung,

bitten und beten um seine Gerechtigkeit und seinen Frieden.

Wir versuchen zu tun, was Not und Leid lindert.

Wir gehören zusammen über alle Grenzen hinweg -

als Schwestern und Brüder,

als Geschwister der einen Welt Gottes.

Und wir bitten:

Veni creator spiritus.

Komm Gott, Heiliger Geist,

lass kraftvoll und leuchtend wie eine Pfingstrose

in uns und durch uns aufblühen,

was Leben spendet,

neu schafft und stärkt.

Amen.

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