Der Kirchenreformer unter den Reformatoren

Predigt anlässlich der 450. Wiederkehr des Todestages von Johannes Bugenhagen im Generalkonvent der Pommerschen Pastorinnen und Pastoren

05. März 2008 von Hans-Jürgen Abromeit

Lukas 22, 19-23 Und Jesus nahm das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird, das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird! Doch siehe die Hand meines Verräters ist mit mir am Tisch. Denn der Menschensohn geht zwar dahin, wie es beschlossen ist; doch weh dem Menschen, durch den er verraten wird! Und sie fingen an, untereinander zu fragen, wer es wohl wäre, der das tun würde.

Liebe Geschwister,

mit diesem Generalkonvent für alle Pastorinnen und Pastoren, auch alle interessierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkündigungsdienst unserer Pommerschen Evangelischen Kirche beginnt eine Reihe von Veranstaltungen, mit denen wir in diesem Jahr des 450. Todestages von Johannes Bugenhagen, unserem Reformator, der sich nicht umsonst durchgehend „Pomer“ nannte. Auf seinem Epitaph steht: „Johannes Bugenhagen aus Pommern, Pastor der Kirche zu Wittenberg für 38 Jahre, gestorben im Jahr des Herrn 1558, am 20. April, im Alter von 73 Jahren starb der verehrungswürdige Mann.“ In diesem Jahr 2008, wir nennen es Bugenhagen-Jahr, wollen wir uns fragen: Warum ist Johannes Bugenhagen „verehrungswürdig“? Ist er uns Erbe, Erinnerung, Tradition? Liegt er unserem Wirken heute nur im Rücken oder auch voraus? Wie hat uns Bugenhagen geprägt?
Wir alle wissen von den vielen Kirchenordnungen, die Bugenhagen entworfen hat. In einer ganzen Reihe von freien Reichsstädten und Territorien hat Bugenhagen als Reformator gewirkt. Besonders seine Fähigkeit, für praktische Fragen Antworten und Regelungen zu finden, hat ihn zum Reformator des Nordens gemacht. Es ist nicht übertrieben zu sagen: Ohne ihn, den Reformer unter den Reformatoren, sähe Norddeutschland und Nordeuropa anders aus, ja, wäre die Geschichte im 16. Jahrhundert anders verlaufen. Zu Recht hat ihn Martin Luther nicht nur als „Bischof von Wittenberg und Kursachsen“ bezeichnet, sondern auch die Pommern und die Dänen haben ihm die Bischofswürde angetragen. Er schuf nicht nur die Kirchenordnung für Pommern, sondern auch für Braunschweig, Hamburg, Lübeck, Schleswig, Hildesheim und schließlich für ganz Dänemark, was im 16. Jahrhundert in Personalunion auch Norwegen einschloss.
Vielleicht aber hat er Frömmigkeit und Kirchen noch mehr geprägt durch die Erarbeitung einer Passions- und Auferstehungsharmonie, mit der er sich sein Leben lang beschäftigte, und die eine unglaublich weite Verbreitung erlangte. Neben neun lateinischen, fünf dänischen, einer isländischen und einer polnischen Ausgabe sind 67 deutsche Drucke bekannt, 36 hochdeutsche und 31 niederdeutsche. Ohne Bugenhagens Kommentar ging der Kompilationstext der Passions- und Auferstehungsharmonie als Anhang in das Evangelische Gesangbuch ein und hat so z. B. im Pommerschen Kirchengesangbuch bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts eine bedeutende Rolle gespielt. Die entscheidende Ausgabe stammt aus dem Jahres 1530: „Historia des Leidens und Auferstehung unsers Herrn Jesu Christi aus den vier Evangelisten durch Johannes Bugenhagen Pomer aufs Neu fleißig zusammenbracht.“ In der Vorrede hat er einen Satz zentral in Großbuchstaben gesetzt: „Der gekreuzigte Jesus Christus ist mein einiger und ewiger Heiland.“
Aus der Harmonie lese ich den Bibeltext und Auszüge aus dem Kommentar aus dem Bericht über die Einsetzung des Herrenmahls: „Und indem sie aßen, in der Nacht, da er verraten ward, nahm der Herr Jesus das Brot, dankte, brachs, gabs den Jüngern und sprach: „Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankt, gab ihn und sprach: „Trinket alle daraus. Dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Solches tut, so oft ihr trinket zu meinem Gedächtnis. Und sie trunken alle daraus.“
Bugenhagen kommentiert (ich lese jeweils in Auszügen): „Christus, so er nun wollt sterben, setzet er nicht aus ein Opfer, sondern macht ein Testament, wie es sein sollt ein ewig Gedächtnis den Jüngern. Des einigen Opfers Christi, so einmal am Kreuze geopfert, das er seinen Leib für uns in Tod gegeben und sein Blut für uns am Kreuze vergossen zur Vergebung der Sünden… Die betrübten Gewissen gebrauchen dieses Zeichens von Herzens gerne, denn damit werden sie getröstet und der Glaub gestärkt.“

Bugenhagen fügt nun aus Johannes 13 die Perikope von der Fußwaschung Jesu ein. Er kommentiert dazu: Er habe sie bewusst mitten in die Abendmahlsgeschichte hineingesetzt, sonst sei „die Historia des Evangelii Luce dawider“. In früheren Fassungen hatte Bugenhagen die Fußwaschung der Abendmahlsgeschichte vorangestellt. Er kommentiert nun, die das getan hätten, wollten nicht, dass Judas das Mahl empfangen habe.
Bugenhagen fährt dann im Wesentlichen mit dem Lukastext fort und schreibt: „Da solch’s Jesus gesagt hatte, ward er betrübt im Geist. Und zeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, sage ich euch. Einer unter euch, der mit mir isset, wird mich verraten. Siehe, die Hand meines Verräters ist mit mir über Tische. Und die Jünger wurden sehr traurig, sahen sich untereinander an und ward ihnen bange, von welchem er redete. Und sie fingen an zu fragen unter sich selbst, welcher es doch wäre unter ihnen, der das tun würde, und sagten zu ihm einer nach dem andern: „Herr, bin ichs?“, und der andere: „Bin ichs?“ Er antwortet und sprach: „Einer aus den Zwölfen, der mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich verraten.“

Lassen Sie uns im Anschluss Bugenhagens Passionsharmonie drei Gedanken näher nachgehen:
1. Die Kirche findet ihr Maß an der Geschichte Jesu Christi.

2. Die Kirche ist die Gemeinschaft der gerechtfertigten Sünder.

3. Die Botschaft von der Rechtfertigung durch Christus gibt auch dem pastoralen Dienst seine innere Mitte.

1. Die Kirche findet ihr Maß an der Geschichte Jesu Christi

Natürlich wissen wir heute alle, dass man nicht die Überlieferung der vier Evangelien einfach so miteinander kompilieren kann, dass dadurch der wahre geschichtliche Ablauf entsteht. Zu sehr sind bei den einzelnen Evangelisten Darstellung der Geschichte Jesu Christi und ihr je eigene Verkündigung eins geworden. Häufig genug lässt sich im Einzelnen nicht mehr unterscheiden, wo Geschichte aufhört und Verkündigung anfängt. Trotzdem ist es wahr: Verkündigung steht nicht auf sich selber, sondern bezieht sich auf die konkrete Geschichte. Längst fragt darum auch die neutestamentliche Wissenschaft wieder nach dem geschichtlichen Jesus und hält das so Ermittelte für theologisch relevant.
Schon der Ludimagister Johannes Bugenhagen von der Lateinschule in Treptow an der Rega wusste, dass der Glaube Anschauung braucht. Und so hat er versucht, die Spannungen und Widersprüche, die dem aufmerksamen Bibelleser auffallen, durch eine entsprechende Zuordnung zum Ausgleich zu bringen. Bugenhagen war in dieser Zeit stark vom Humanismus und besonders von Erasmus von Rotterdam beeinflusst. In dessen Gefolge entdeckte er in den Evangelien die Philosophie Christi. In der ersten Fassung seiner Passionsharmonie fordert er immer wieder den Leser auf, dem Vorbild Christi zu folgen. Christus schenkt Erkenntnis. Sein Licht erhellt die verdunkelte menschliche Einsicht. Dann wird Bugenhagen aufmerksam auf zwei Lutherschriften. Offensichtlich hat er schon in Treptow die Schrift von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche und die Freiheitsschrift, beide von 1520, gelesen. Der 35- jährige Rektor der Lateinschule und Lektor des Klosters Belbuck versteht, dass mit der Lehre Martin Luthers etwas völlig Neues auf dem Plan tritt, das er so aus seinen Studien der scholastischen und humanistischen Theologie noch nicht kennt. Diese neue Lehre will er unbedingt kennen lernen.
Er gibt seine gesicherte Stellung in Treptow auf und schreibt sich an der Wittenberger Universität neu ein. Dieser Schritt war schon ungeheuerlich. Aus dem Rektor der Lateinschule und dem Lehrer der Mönche zu Belbuck wird wieder ein Student. Hatte er zuvor schon selbst exegetische und dogmatische Vorlesungen gehalten, so will er nun wieder Vorlesungen hören. Im März 1521 trifft Bugenhagen in Wittenberg ein. Es kommt wohl noch zu einer ersten Begegnung mit Martin Luther. Der bricht dann aber schon am 2. April 1521 zum Reichstag nach Worms auf. Wie wir wissen, wird Luther sobald nicht nach Wittenberg zurückkehren. Zu seinem eigenen Schutz lässt ihn sein Kurfürst Friedrich der Weise kidnappen und auf die Wartburg bei Eisenach bringen. Immerhin findet Bugenhagen Unterkunft im Haus des anderen großen Reformators, Philipp Melanchton. Von da an verbindet die beiden ein freundschaftliches Verhältnis. Gespräche und Studium bei Melanchton sowie weitere Schriften Martin Luthers vertiefen Bugenhagens Erkenntnis der Bibel, besonders der Evangelien.
Von Treptow hatte er das Manuskript einer vollständigen Passions- und Auferstehungsharmonie mitgebracht. An ihr arbeitet er ununterbrochen weiter. Nicht mehr die Orientierung am Vorbild Christi und die durch ihn geschenkte Erleuchtung der Vernunft stehen nun im Zentrum. Im Kommentar zum Abendmahl streicht er die Bemerkungen zum durch den Priester zu vollziehenden Messopfer Christi und betont stattdessen, dass Christus seinen Leib für uns in den Tod gegeben und sein Blut für uns am Kreuze vergossen hat „zur Vergebung der Sünden.“ Viel stärker als vorher betont er, dass im Abendmahl sich der Herr für seine Menschen hingibt. Christus ist nicht mehr nur Vorbild, sondern in erster Linie Erlöser. Mit dem „neuen Bund“ beginnt eine neue Art von Gottesverhältnis. Jeder Mensch ist unmittelbar zu Gott. Christus schenkt sich seinen Leuten aus freier Gnade. Es bedarf keiner Vermittlung, weder durch einen Priester, noch durch einen Papst, auch nicht durch ein immer aufs Neue zu vollziehendes Messopfer. Einmal, ein für alle Mal, hat sich Jesus Christus am Kreuz geopfert und damit den Weg zu Gott frei gemacht. Für Bugenhagen war das eine Grund stürzende Erkenntnis. Eine zweite tritt dazu.

2. Die Kirche ist die Gemeinschaft der gerechtfertigten Sünder

Die Kirche ist die Gemeinschaft der gerechtfertigten Sünder. Judas, der Jünger Jesu, der so etwas wie der Schatzmeister des Jüngerkreises war, und der auch später „gegen Bares“ Jesus verriet, fand von Anfang an das besondere Interesse Bugenhagens. Er fand es wohl anstößig, dass ein solcher Jünger, der seinen Herrn verriet, zum engeren Jüngerkreis gehörte.
Bugenhagen hat die Textfassung der Passionsharmonie, wie er sie im pommerschen Treptow angefertigt hatte, bis auf eine Ausnahme nicht verändert. Die zahlreichen Überarbeitungen beziehen sich alle auf den Kommentarteil. Die Ausnahme bezieht sich auf Judas Teilnahme am Abendmahl.
Wer die synoptische Darstellung der Einsetzung des Abendmahls durch Jesus mit dem Johanneischen Bericht kombinieren will, steht vor folgendem Problem. Bei Johannes gibt es überhaupt keine Abendmahlsgeschichte. Stattdessen bietet Johannes die Geschichte von der Fußwaschung Jesu. Jesus wäscht allen Jüngern – auch Judas – als Zeichen der Demut die Füße. Danach verlässt Judas den Jüngerkreis (Joh. 13, 30). In der frühen Fassung der Passionsharmonie schildert Bugenhagen zuerst die Fußwaschung und schließt dann die Abendmahlsgeschichte an. In den späteren Fassungen setzt er die Fußwaschung mitten in die Abendmahlsgeschichte hinein – so wie ich Ihnen zu Beginn im kurzen Ausschnitt gelesen habe.
Sehr interessant ist nun, dass Bugenhagen diesen Umschwung mit einem genauen Datum kennzeichnet. In seinen Manuskripten findet sich an dieser Stelle eine Fußnote, die auf den 28. März 1522 verweist: „Wittenberg, im Jahr des Herrn 1522, Freitag vor Lätare“. Bis zu diesem Datum hatte Bugenhagen – mit den Humanisten seiner Zeit – die Meinung vertreten, dass am Tisch des Herrn kein Platz für Unwürdige sei. Was hatte ihn zur Änderung seiner Meinung gebracht?

Der Text des Lukasevangeliums, der eindeutig die Anwesenheit des Verräters am Tisch des Herrn voraussetzt, war Bugenhagen doch schon früher bekannt. Man muss sich vor Augen stellen, was im März 1522 in Wittenberg passiert ist. Nach etwa einjähriger Abwesenheit Martin Luthers hatte sich Andreas Bodenstein zum Anführer der Reformatorischen Bewegung aufgeschwungen. Mit einigen Studenten und der Sympathie großer Teile der Bevölkerung forderte er revolutionäre Veränderungen, in der Umgestaltung des Gottesdienstes, der Kirche und der gesamten Gesellschaft. Am 6. März kehrte deswegen Martin Luther von der Wartburg zurück und hielt täglich in der Stadtkirche in Wittenberg eine seiner berühmten Invokavitpredigten. Luther bewältigte die Situation und führte die Reformation wieder in geordnete Bahnen zurück.
Offensichtlich hatte Bugenhagen daraus gelernt: Die Kirche ist nicht nur von außen, sondern auch von innen bedroht. Es war ja nicht nur Judas, der immerhin einer von den Zwölfen war, der Jesus verraten hat. Auch Petrus hatte sich auf seine Weise von Jesus getrennt. In der Kombination der Evangelienberichte durch Bugenhagen ist nun Judas nicht mehr der absolute Außenseiter. Prinzipiell könnte jeder Jünger Jesus verraten. Noch einmal Bugenhagens Text: „Und die Jünger wurden sehr traurig, sahen sich untereinander an, und ward ihnen bange, von welchem er redete. Und sie fingen an zu fragen unter sich selbst, welcher es doch wäre unter ihnen, der das tun würde und sagten zu ihm einer nach dem andern: Herr, bin ich’s? Und der andere: Bin ich’s?“

Diese Kirche besteht nicht aus Würdigen und Reinen, sondern aus solchen, die dazu in der Lage sind, sogar ihren Herrn zu verraten. Die Kirche ist eben die Gemeinschaft von Sündern, aber gerechtfertigten Sündern. Es ist die Kirche des „simul justus ac peccator“, derjenigen, die Gerechte und Sünder zugleich sind. Es kommt Bugenhagen alles darauf an, diese Erkenntnis von der Rechtfertigung aus Glauben aufgrund des stellvertretenden Opfers Jesu als Grundlage allen Kircheseins herauszustellen.

3. Die Botschaft von der Rechtfertigung durch Christus gibt auch dem pastoralen Dienst seine innere Mitte

Wer Kirchenreform betreiben will, darf sich über sich selbst, die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Kirche und auch über die Menschen, für die er diese Reform betreiben will, nicht täuschen. Keiner kann für sich selbst die Hand ins Feuer legen. Wir sind alle miteinander Menschen, die in Situationen kommen können, in denen wir Christus verraten.
Die Zwölf aus dem Jüngerkreis Jesu haben jedenfalls nicht zu hoch von sich gedacht, als dass sie sich selbst darüber erhaben gefühlt hätten. Judas und Petrus, jeder auf seine Weise, haben Jesus im Stich gelassen. Es ist nicht unsere Professionalität und auch nicht unser Gottvertrauen, auf das wir uns verlassen können. Es ist die Annahme durch Gott „ohn’ mein Verdienst und Würdigkeit“, die mir das Gottvertrauen erst ermöglicht. Zutrauen zu Gott kann ich grade selbst nicht herstellen, dazu kann ich mich nicht selbst veranlassen oder aufrufen. Ich kann nur annehmen, dass ich von Gott wegen Christus angenommen bin. Es ist diese Rechtfertigungsbotschaft selbst, die auch dem pastoralen Dienst, ja jedem Dienst innerhalb der Kirche ihre innere Mitte gibt.
In wiefern? Drei kurze Antworten:

1. Die Rechtfertigungsbotschaft hilft, letzte von vorletzten Dingen zu unterscheiden.
Die Rechtfertigung durch Gott allein aus Gnade aufgrund des Glaubens wegen Jesus Christus ist das Letzte, was sich über einen Menschen sagen lässt. Es stellt jeden in eine umfassende Perspektive vor Gott. Alles andere ist von hier aus betrachtet vorläufig. Die Frage nach der Rechtfertigung ist die letztlich entscheidende Frage.

Sie bewahrt uns, vorletzte Fragen – mögen sie noch so wichtig sein – für letzte zu halten. Bei allen Gestaltungsaufgaben und in allen ethischen Fragen geht es nie um dieses Letzte. Es sind immer Fragen des abwägenden, vernünftigen Urteils, bei dem man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Solange wir im Grundsätzlichen einig sind, haben wir in der Kirche auch die Kraft, uns mit unterschiedlichen Standpunkten in ethischen Fragen nebeneinander stehen zu lassen.

2. Die Rechtfertigungsbotschaft hilft, Menschen nicht auf ihre Erscheinung und die mit ihnen gemachten Erfahrungen festzulegen, sondern offen zu sein für die Möglichkeiten, die Gott schenkt.
Wir erfahren in der Ausübung unseres Dienstes vieles über die Menschen, mit denen wir zu tun haben. Die einen offenbaren sich uns in der Seelsorge, andere erzählen uns etwas über Dritte. Und schließlich begegnen wir Menschen in ihren schwachen Stunden. Als Gerechtfertigter weiß ich: Der Mensch, den ich vor mir sehe, ist nicht der ganze Mensch. In ihm sind noch Möglichkeiten verborgen, die Gott entwickeln kann. In jeden Fall ist er ein Mensch, der sich nicht selbst zu rechtfertigen hat, sondern den Gott in Christus gerechtfertigt hat.

3. Das Wissen um die Rechtfertigung durch Gott hilft mir, mein unvollendetes, fragmentarisches Leben auszuhalten.
Die Herausforderungen an die Pastorinnen und Pastoren scheinen sich immer mehr zu vergrößern. Wie können wir dem noch gerecht werden: Unsere Gottesdienste und Andachten gut vorzubereiten, im Unterricht nicht nachzulassen (auch wenn die Gruppen kleiner werden), die Kasualien gut vorzubereiten, die Gemeinde intensiv zu besuchen, die Sitzungen nicht zu vernachlässigen. Und schließlich die ganze Verwaltungsarbeit zu leisten – ganz abgesehen von den tausend Bauprojekten, die wir zu begleiten haben. Wer ist unter uns, der nicht befürchtet, es irgendwann nicht mehr zu schaffen? Dazu tritt dann die Angst, Menschen zu enttäuschen, die sich etwas von uns erwarten. Was werden sie dann von uns denken?

Wer als Pastor auf sich, seine Kraft und Möglichkeiten schaut, wird irgendwann an einem Burnout leiden. Zu schaffen ist das einfach nicht mehr. Aber die Rechtfertigungsbotschaft befreit uns auch dazu, unsere unvollendete pastorale Existenz einfach auszuhalten. Am schönsten finde ich diese von der Rechtfertigung durch Gott geprägte Lebenshaltung immer noch zusammengefasst in der Schlusszeile von Bonhoeffers Gedicht „Wer bin ich?“. Bonhoeffer, der sich im Gefängnis in Tegel hin und her gerissen fühlt zwischen Selbstverurteilung und Überschätzung durch andere kann das nur aushalten, indem er das Urteil über sein Leben Gott überlässt: „Wer ich auch bin – dein bin ich o Gott!“

Weil Johannes Bugenhagen diese grundlegende Bedeutung der Rechtfertigungsbotschaft den Pommern, den Wittenbergern und allen anderen, wo er gewirkt hat, vor Augen gestellt hat, deswegen ist er für uns nicht nur ein großer Mann der Vergangenheit, sondern auch jemand, der heute zeigt, was Zukunft eröffnet. So wie er es in der Vorrede zur Passionsharmonie herausgestrichen hat: „Der gekreuzigte Jesus Christus ist mein einiger und ewiger Heiland.“ Auf diesem Grund steht der Kirche der Freiheit auch heute die Zukunft offen. Amen.

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