02. März 2025 | Haus der Kirche Raisdorf

Predigt anlässlich der Entwidmung des Hauses der Kirche in Raisdorf als gottesdienstlich genutzter Raum

02. März 2025 von Nora Steen

Lukas 10, 38-42

38Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. 39Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. 40Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! 41Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 42Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.
Lukas 10, 38-42

 

Liebe Gemeinde,

seit 1977 sind diese Mauern Herberge. Ist das Haus der Kirche mal andächtiger Gottesdienstraum, mal Festzelt, mal Spielplatz.

Die Mauern haben vieles beherbergt: Freude und Leid, Tränen und Glück.

Menschen haben hier Gott begegnen können.

Ich möchte heute Morgen gemeinsam mit Ihnen fragen:

Was geschieht in einem Haus, das sich für Jesus öffnet?

Anders und etwas alltagstauglicher gefragt: Was ist, wenn Jesus auf einmal im Wohnzimmer sitzt?

Jesus trifft auf Maria und Marta. Schwestern, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Die eine saust emsig um ihn herum. Ich stelle mir vor: Sie kocht Tee, bietet dem Gast Gebäck an, sie schaut, dass alles sauber ist. Stress – sie will alles schön machen für den Gast und ihm zeigen: Du bist hier willkommen. Du bist mir wichtig. Und die andere: Setzt sich, hört zu. Ich stelle mir vor: Sie vergisst alles um sich herum und sieht gar nicht, was alles noch zu tun ist.

Marta.

Ich kann das sofort nachfühlen, wie es Marta wohl gegangen ist. Würde auf einmal Jesus bei mir im Wohnzimmer sitzen, dann würde ich den Kram auf dem Wohnzimmertisch schnell wegschieben – Kinderzeichnungen, Stifte, und was sich so sammelt. Und ich würde schnell fragen – Kaffee oder Tee – und nach ein paar Keksen suchen in der Hoffnung, dass sie nicht schon zu alt und trocken sind. Und dann würde ich hektisch überlegen – ist das Gäste-WC einigermaßen okay? Hängt ein Handtuch da?

Ich kann mich sehr gut reinfühlen in Marta.

So wie Marta sind auch hier im Haus der Kirche viele emsig gewesen. Fast 50 Jahre lang Leben. Generationen haben Gemeindefeste vorbereitet, Gruppen organisiert, Gottesdienste gefeiert, gespielt, gelacht, getanzt. Und dann, wenn das Fest vorüber ist, dann war es gut. Aber auch – eine hohe Belastung. Besonders für die Ehrenamtlichen. Die Stühle schleppen, Tische stellen, Einkäufe erledigen, noch schnell abends was basteln, kochen oder backen, weil sich zu wenig auf die Liste eingetragen haben.

Es braucht viele Martas, um so eine Kirchengemeinde am Laufen zu halten, das steht fest. Ohne die Martas keine Kirche. Nicht nur damals bei Jesus, auch bei uns heute. Oft über die eigenen Kräfte – so ist das bei vielen Ehrenamtlichen in unserer Kirche. Aber – dahinter steht ja eine ganz schöne Motivation: Wir wollen es schön machen für die Gäste. Ihnen zeigen: Du bist hier willkommen. Du bist uns wichtig.

Im Kern, das sagen die Ausleger dieser Geschichte von Maria und Marta: Hier geht es um das so genannte Doppelgebot der Liebe. Also: Liebe deinen Nächsten – wie dich selbst.

Und Martha steht da eben ganz besonders für den ersten Teil: Liebe deinen Nächsten.

Nächstenliebe ist die Essenz christlicher Liebe. Eine Liebe, die nur um sich selbst kreist, ist im christlichen Sinn, im Sinn Jesu, keine Liebe. Liebe muss immer auch auf den Nächsten – auf ein Du ausgerichtet sein. Muss dem Anderen das Gefühl geben – ich lasse mich auf dich ein. Ich sehe dich.

Insofern ist das Handeln Martas ganz konkrete Nächstenliebe.

Und somit ist auch all das quirlige Leben in einer Kirchengemeinde tätige Nächstenliebe. Ohne das ganz konkrete Tun können wir keine Kirche sein, die vor Ort präsent und ansprechbar ist. Danke dafür!

Nochmal zurück zu unserem Gedankenspiel. Wie wäre das, wenn Jesus auf einmal in Ihrem Wohnzimmer sitzt?

Vielleicht würden Sie ja nicht wie ich erstmal überlegen, ob auch alles einigermaßen aufgeräumt ist. Vielleicht würden Sie ja sagen: Was für eine Chance! Unordnung hin oder her – Jesus ist da! Ich will das jede Sekunde auskosten, ihm zuhören.

Vielleicht wären SIE ja die Maria.

Maria.

Die sich gleich Jesus zu Füßen setzt und ihm zuhört. Die nicht rennt und macht und tut. Die einfach hört. Zuhört. Und ich kann auch nachfühlen, wie es Maria gegangen sein mag. Wenn ich mich selbst mich innerlich leer fühle, trotz voller Tage. Und ich merke: Meine Seele braucht Nahrung. Ich brauche irgendein Wort, Zuspruch, der mir Mut gibt und Kraft.

Auch die Marias wird es hier gegeben haben im Haus der Kirche. Die, die einfach zum Gottesdienst kommen. Die Nahrung brauchen für ihre Seele. Die sich nach Gott sehnen, nach Trost, nach Heilung. Und die hier willkommen waren. Nicht, weil sie besonderes leisten, sondern einfach nur, weil sie da sind.

Ohne Marias keine Kirche.

Manchmal erhalten die Marias vielleicht einen schrägen Blick – wieso hilft die eigentlich nicht mit? Könnte der sich nicht auch mal mit an den Grill stellen?

Aber so ist es, liebe Geschwister hier in Raisdorf. Es gibt die Martas und die Marias. Und das ist gut so. Es braucht ja immer beide. Die, die unruhig werden, weil sie sehen, was zu machen ist. Und die, die ruhig werden, weil sie hören, was zu hören ist. Die merken: ich brauche jetzt was für mich.

Deshalb ja auch: Das DOPPELGEBOT der Liebe. Beides zusammen ist wichtig. Die Liebe, die sich nach außen richtet, und die Liebe, die sich nach innen richtet.

Maria. Maria steht für den zweiten Teil: Liebe dich selbst.

Das Haus der Kirche war und ist ein Ort für beides. Und wird Ort für beides bleiben, solange hier Menschen ein- und ausgehen. Ob kleine oder große Menschen.

Es bleibt Ort für die Möglichkeit, dass auf einmal Jesus mit dabei ist. Unverhofft. Ohne Anmeldung – er kommt nämlich eigentlich immer ohne Anmeldung. Davon erzählt ja die Weihnachtsgeschichte. Da war einfach kein Raum in der Herberge für das Jesuskind – niemand war vorbereitet. Niemand hatte ihn eingeplant.

Heute werden wir Abschied nehmen vom Haus der Kirche als Ort, in dem Gottesdienst gefeiert wird.

Das tut weh. Und zugleich öffnen Sie mit diesem Abschied neue Räume: für die Kita, für große und kleine Menschen.

Sie haben sich als Gemeinde auf den Weg gemacht, genau zu überlegen: WIE wollen wir Kirche sein. Hier in Raisdorf. Hier im Pfarrsprengel Schwentinental.

Sie machen das genau richtig. Denn Sie verschließen nicht die Augen vor der Tatsache, dass es nicht einfach so weitergehen kann bei geringer werdenden Ressourcen. Sie sind auch mutig, denn Sie haben die richtigen Fragen gestellt: Was brauchen die Menschen hier in Raisdorf und im Pfarrsprengel? Was brauchen wir als Gemeinde, um auch in Zukunft Orte für die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bereitzuhalten? Und dazu gehört dann notwendig immer auch die Frage: Was brauchen wir für Gebäude?

Denn, und das ist mir wichtig: Wir werden als Kirche vor Ort mehr denn je gebraucht. Gerade jetzt in diesen politisch so aufgewühlten Zeiten. Wir werden gebraucht, um Menschen Stabilität und Halt zu geben. Wir sind da. Wir hören zu. Wir begleiten. Wir bieten Gemeinschaft und damit im besten Sinn Seel-Sorge.

Dankbar können wir zurückblicken auf fast 50 Jahre gelebtes Leben hier in diesem Haus. Die Steine sind zu lebendigen Steinen geworden, sie könnten viele Geschichten erzählen.

Das Schöne ist: Es werden ja neue Geschichten hinzukommen. Viel Kinderlachen, Gesang, auch Streit und Tränen, aber wahrscheinlich viele bunte Bilder an den Wänden.

Und wenn Jesus dann auf einmal mit im Morgenkreis sitzt – unangemeldet natürlich – auf den viel zu kleinen Stühlen. Zwischen jenen, die andächtig und mit offenem Mund lauschen und jenen, die unruhig auf dem Stuhl hin und her zappeln, weil sie viel lieber rumrennen. Dann ist ihnen gemeinsam, den kleinen Marias und Martas, dass sie sich freuen über den Gast. Und sie wollen es schön machen für ihn.

Dann wird sich Jesus freuen, dass so viel Leben in diesen Wänden möglich ist. Denn – wo das gelebt wird, was er gelehrt hat – Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – da wird Gottesdienst gefeiert. Mitten im Leben. Dann wird das ganze Leben zum Gottesdienst.

Amen

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