Predigt zu 130 Jahren Berufsfeuerwehr Greifswald
29. April 2006
Liebe Gemeinde,
wer am Sonntag vor vier Wochen gegen Mitternacht hier in Greifswald noch wach war, konnte ein ungewöhnliches Schauspiel erleben. Alle Lichter in den Häusern gingen plötzlich aus. Aber es war nicht stockfinster. Denn draußen war es ein, zwei Minuten lang taghell am Himmel. Ein merkwürdiges Leuchten. Irgend etwas mußte passiert sein. Irgend etwas Größeres.
Viele Leute schauten aus den Fenstern, manche kamen auch auf die Straße. Die meisten wunderten sich wohl und fragten sich genau wie ich nach der Ursache. Instinktiv wartete ich auf das Sirenengeräusch der ausrückenden Feuerwehr. Und das ließ auch nicht lange auf sich warten.
Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, muß ich sagen, ich war im ersten Moment unruhig, nicht besorgt; aber das Signal der Feuerwehr gab mir so etwas wie Sicherheit. Da gibt es Menschen, die mitten in der Nacht bereit stehen, damit den Bürgern, damit der Stadt nichts passiert, damit Schaden von allen abgewendet wird. In dieser Nacht, habe ich nicht mehr erfahren, was die wirklich geschehen war. Etwa eine halbe Stunde später habe ich mich schlafen gelegt. Wohl auch, weil ich mich darauf verlassen konnte, es gibt fähige, ausgebildete Leute, die diese Sache im Griff haben, so dass ich - wie Tausende andere Bürger auch – Ruhe finden können.
Erst später habe ich gehört, dass in der Transformator- Station Feuer ausgebrochen war und der Brandstifter dabei ums Leben gekommen ist.
Dennoch ist ein hoher Sachschaden entstanden und der Einsatz war für die beteiligten Feuerwehrleute sehr gefährlich.
Das ist nur eine kleine, aufs Ganze gesehen sicher eher unbedeutende, Episode aus den 130 Jahren Berufsfeuerwehr in der Hansestadt Greifswald, auf die wir heute zurückblicken und die wir heute feiern wollen.
Wer einen Blick in die Festschrift, die anlässlich des Jubiläums erschienen ist, wirft, der sieht, dass die Aufgabe der Feuerbekämpfung natürlich so alt wie die Stadt selbst ist. Und das gilt nicht nur für unsere Stadt: Wir haben heute viele Feuerwehren und andere Hilfskräfte hier versammelt aus umliegenden Ortschaften und Ämtern bis nach Loitz.
Überall, wo Menschen zusammenleben, besteht seit jeher auch die Notwendigkeit, dieses Zusammenleben zu schützen. Überall werden Menschen gebraucht, die sich dafür in den Dienst nehmen lassen, ob bezahlt oder freiwillig im Sinne von ehrenamtlich.
Heute ist dieser Dienst hochmodern ausgestattet. Die Einsatzbereitschaft ist teilweise in Sekunden hergestellt. Brandbekämpfung, Brandschutz sind professionell geordnet. Wenn man von den Signalhörnern absieht, geschieht der Dienst oft unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit.
Als ich in der Festschrift geblättert und die Chronik der Brandbekämpfung durch die Jahrhunderte gelesen, habe ich mir versucht vorzustellen, wie das im Mittelalter gewesen sein muß. Eine dramatische Überschwemmung gab es nur alle paar Jahrhunderte, die Pest und Kriege waren verheerend, aber keine dauerhaften Heimsuchungen. Es war das Feuer, das Leben ermöglichte in unseren Breitengraden, aber gleichzeitig das Leben auch am meisten bedrohte. Wenn ich richtig gezählt habe, waren es allein sechs große Stadtbrände. Viele Male ist der Blitz in die Türme der großen Kirchen eingeschlagen. Das bedeutet: das Feuer hat unser Stadt teilweise auch das Gesicht gegeben. Denn was zerstört wurde, wurde meist anders wieder aufgebaut. Manches aus früheren Jahrhunderten blieb bis heute bewahrt, wurde verändert, anderes ist unwiederbringlich verloren.
In dieser Chronik sind nur die größeren Brände vermerkt, die Trompete des Turmwächters hier hoch über uns, wird - bedenkt man Bauweise und Umgang mit offenem Feuer und die Häufigkeit von Gewittern – aber fast regelmäßig ertönt sein. Die Angst, durch das Feuer alles zu verlieren, muß ein ständiger Begleiter der Menschen gewesen sein.
Die Abläufe bei einem Brand zu ordnen, war deshalb auch schon immer eine wichtige Aufgabe. In der alten Feuerordnung von 1736 heißt es sinngemäß, wenn es nun brennt und die „Feuer=Instrumenta“ wie Leitern und Eimer herangeschafft werden müssen, so verlässt man sich außer auf Gott auf die getreue Bürgerschaft, womit damals wohl die Bürger im Allgemeinen gemeint waren.
Nun sage ich als Bischof, es ist immer gut, sich auf Gott zu verlassen und ihm zu vertrauen, aber die Eimer und Leitern wird er wohl nicht herangeschafft haben, so dass diese Arbeit wohl doch von den Bürgern geleistet werden mußte.
Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es mehr als eine Floskel ist, dass Gott in diesem Zusammenhang erwähnt wird. Vom Prinzip her ist es übrigens nichts anderes, als der Spruch auf vielen Feuerwehrfahnen: „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“. Unsere Vorfahren haben da einen Zusammenhang gesehen und ich meine, den gibt es bis heute. Die Rede von Gott in diesem Zusammenhang ist mehr als eine historische Ausmalung oder ein volkstümlicher Ausdruck.
Die Bibel erzählt, das Gott will, dass die Menschen diese Erde bebauen und bevölkern. Ihr Leben wird von Gott gesegnet. Das schließt den Schutz der Menschen mit ein, denn sonst ist all’ das andere nicht möglich. Die biblischen Geschichten erzählen davon, wie Gott dieser Erde und dem menschlichen Zusammenleben eine Ordnung gibt, damit das Leben gelingen kann und bewahrt bleibt.
Man muß kein eifriger Kirchgänger sein, um beispielsweise die meisten der zehn Gebote zu kennen: Du sollst Vater und Mutter ehren, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst kein falsches Zeugnis ablegen - um nur einige davon zu nennen. Das sind genaugenommen keine Verbote, sondern Gebote, die menschliches Leben nicht nur regeln, sondern überhaupt ermöglichen. Gott schützt uns damit gewissermaßen vor uns selbst. Denn die Realität zeigt, dass nicht jeder zu jeder Zeit jedes Gebot einhält und eine ständige Verletzung das menschliche Leben nachhaltig stören würde. Unsere heutige Gesetzgebung ist genaugenommen in weiten Teilen nichts anderes als eine moderne Fassung dieser Gebote.
Vor all’ diesen Geboten, steht aber das erste Gebot, das allerdings oft vergessen wird: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus der Sklaverei befreit hat. Jesus wusste, wie schwer es ist, alle Gebote zu halten, deshalb hat er auf die Frage nach dem höchsten Gebot gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit allen deinen Kräften. Und dann sagt er noch: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.
Das Motto: „Gott zur Ehr, dem nächsten zur Wehr“, meint eigentlich nichts anderes. Ich liebe meinen Nächsten, deshalb schütze ich ihn. Weil ich nicht will, dass ihm etwas passiert, genau so wenig wie mir. Damit gebe ich Gott die Ehre, erfülle sein Gebot.
Aber noch ein Aspekt ist dabei wichtig. Indem nicht nur von meinem Nächsten, sondern auch von Gott die Rede ist, wird das, was wir tun, in einen größeren Zusammenhang gestellt. Es wird sozusagen über unserer menschliches Vermögen hinaus bei Gott verortet.
Für den Dienst der Feuerwehr – und ich möchte alle einschließen, die einen ähnlichen Dienst tun, Katastrophenschutz, Rettungsdienste aller Art, Technisches Hilfswerk – bedeutet das: wir können unsere Technik, unsere Einsatzpläne, unsere Dienstordnungen verbessern und perfektionieren – und wir sollen das auch - , aber dennoch haben wir letztlich nicht alles in der Hand, steht nicht alles in unserer Macht, kommen wir an Grenzen. Manches gelingt nur bruchstückhaft oder unvollkommen, trotz aller Anstrengung.
Das bedeutet nun nicht, Gott springt dort ein, wo die Menschen nicht weiter wissen, versagen oder für den Moment keine Lösung haben. Er trägt nicht die Wassereimer von hier nach da. Das müssen wir selber tun.
Sondern, liebe Feuerwehrleute, Rettungsdienstler, Katastrophen- und andere Helfer: Gott ist mitten im Leben, in diesem Dienst bei euch: bei denen, die als erste am Unfallort sind und noch nicht wissen, was sie erwartet; bei denen, die das Feuer in den Griff bekommen müssen, aber Angst haben, trotz aller Übung und Routine; bei den Bergungsmannschaften, die noch nicht wissen, ob es gelingt, jemanden lebend aus einem Auto herauszuschweißen; bei den freiwilligen Helfern, die sich in der Nacht vielleicht lieber umdrehen würden, statt sich einen Ruck zu geben, in die Stiefel zu springen und zum Feuerwehrhaus zu laufen.
Gott ist bei euch, wenn ihr euch freut, weil etwas gelungen ist. Wenn ihr erschöpft einen Einsatz überstanden habt, aber wohlbehalten und unversehrt seid. Gott ist auch für euch da, wenn ihr vielleicht einmal versagt habt, wenn ihr nur ein paar Minuten zu spät gekommen seid, wenn ein notwendiger Handgriff mal nicht gesessen hat oder wenn schreckliche Bilder in euch hochkommen.
Das sind oft ganz persönliche Augenblicke, das ist nur ein Moment und in denen sich oft nicht gleich unterscheiden lässt, ob Gott ganz nah oder ganz weit weg ist.
Aber Gott ist da. Er lässt sich von uns finden, denn er hat jeden von uns längst gefunden.
Gott weiß um alles Menschliche und hat deshalb diesen Dienst gesegnet. Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr.
Heute an diesem Jubiläumstag ist das vor allem ein Grund zum Feiern und zum Dank sagen. Dank gegenüber Gott und Dank gegenüber den menschlichen Leistungen, die täglich vollbracht werden. Amen