Säen und Ernten

Predigt zu Galater 6, 7-10 anlässlich des Landeserntedankgottesdienstes am 30. September 2007 in Born/Darß von Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald)

30. September 2007 von Hans-Jürgen Abromeit

Als die zweite Glocke für Born geweiht wurde, haben wir gehört, was als Weihespruch auf der Glocke steht: „Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ (Gal. 6, 7). Dieser Spruch wurde auch zur Bauzeit der Fischerkirche in Born im Jahre 1935 an der Westseite der Kirche aufgeschrieben und findet sich heute hier als Spruchband im Gottesdienstraum. Säen und ernten sind ein jährlich sich wiederholender, lebensnotwendiger Vorgang und werden zum Bild für den Erfolg menschlichen Lebens schlechthin. Was gemeint ist, verstehen wir besser, wenn wir diesen Vers im Zusammenhang hören, wie der Apostel Paulus ihn Mitte der fünfziger Jahre des ersten Jahrhunderts nach Christus an die frühchristlichen Gemeinden in Galatien, im Gebiet der heutigen Zentraltürkei, geschrieben hat: Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten. Wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. (Gal. 6, 7-10)

Liebe Gemeinde!

Unser ganzes Leben ist ein Säen. Geerntet wird am Ende der Tage, in Gottes ewiger Welt. Erntedank lehrt uns die Dankbarkeit Gott gegenüber:
„Wir pflügen, und wir streuen den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand:
Der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf.
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!“ (Matthias Claudius)

Die Sensibilität für die Natur lehrt uns mehr und anderes als das, was der Erntebericht des Landwirtschaftsministers als Ergebnis der diesjährigen Ernte nüchtern berichtet. Jahr für Jahr wird dort aufgeführt, wie sich die Erträge entwickelt haben. Ja, wir haben die extreme Trockenheit vom April dieses Jahres und die insgesamt unbeständige Witterung noch gut in Erinnerung. So hat es eine geringere Ernte als in den Vorjahren gegeben. Aber die Landwirte werden entschädigt durch etwas höhere Preise. Was lehrt uns der so nüchtern kapitulierte Sachstand?

Wir können uns mühen und sorgen, aber wir haben es nicht allein in der Hand, was aus unserem Leben wird. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist: Trotzdem sind wir verantwortlich für unser Leben und die Folgen, die wir zeitigen. Und: Wir werden uns vor Gott dafür verantworten müssen, was wir aus unserem Leben gemacht haben, welche Ernte aufgegangen ist. Genauso sagt es auch unser Bibelwort. Es mahnt uns: „Bedenke, was du säst; du wirst nichts anderes ernten!“ Paulus redet von der Verantwortung vor Gott. Ihm haben wir eines Tages Rechenschaft zu geben, was wir mit unserem Leben, mit unserem Gaben und unseren Belastungen gemacht haben. Hier wird Paulus ganz leidenschaftlich: „Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Gott kann man nicht austricksen. Er wird uns eines Tages messen an den Zielen, an denen wir unser Leben ausgerichtet haben.

Paulus sagt: Diese Ziele lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die eine Kategorie heißt in seiner Sprache „Fleisch“, die andere „Geist“. Mit „Fleisch“ bezeichnet Paulus Ziele, die der Mensch sich selbst gesetzt hat, Ziele, die aus seinem Willen gewachsen sind und sich allein auf die vorfindliche Welt beziehen. Mit „Geist“ bezeichnet Paulus Ziele, die vernunftmäßig einleuchten, aber gleichzeitig auch mit dem offenbarten Willen Gottes übereinstimmen. Der Geist legt die Maßstäbe der Ewigkeit an die Zeit. Fleisch zielt auf die Befriedigung der menschlichen Triebe, auf die Durchsetzung des eigenen Willens und das Suchen nach dem eigenen Vorteil. Ziele des Geistes haben immer die Gemeinschaft mit den anderen im Blick. Geistliche Ziele sind: „Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung“ (vgl. 5, 22 f.).

Gott wird uns an dem Maßstab messen, ob wir uns lediglich von vergänglichen, aus vermeintlich menschlicher Klugheit gesetzten Zielen haben bestimmen lassen oder von den ewigen Zielen des Geistes Gottes. Vor Gott bestehen können wird nur der, der sich an den Zielen des Geistes orientiert und sein Leben von ihnen bestimmen lässt. Sie alle überwinden die Ausrichtung an den Wünschen des isolierten Einzelnen. Sie suchen das Miteinander in der Gemeinschaft. Deswegen ist auch die Liebe „Die Größte unter ihnen“ (1. Kor. 13, 13). In diesem Sinne redet Paulus davon, dass einmal, vor Gott, jeder seine eigene Verantwortung tragen wird.

Die Kirche in Born gehört zu den wenigen Kirchen, die in der dunklen Zeit Deutschlands errichtet wurden, als die Nationalsoziallisten an der Macht waren. Es macht mich nachdenklich, was die Menschen sich im Jahr 1934/1935 wohl dabei gedacht haben, als sie an der Westseite, der Eingangsseite der Kirche diesen Spruch angebracht haben: „Was der Mensch sät, das wird er ernten.“

Natürlich war für alle, die sehen wollten, 1934/1935 schon zu erkennen, worauf das Handeln der Nationalsoziallisten hinaus lief. Auch in Born auf dem Darß waren nationalsozialistische Größen präsent. Sie verbrachten hier ihren Urlaub. Sie sahen dann wohl auch dieses Bibelwort: „Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Ja, was hat der Nationalsozialismus nicht ausgesät? Zuerst einmal rassistischen Hass auf alles Fremde, vor allem auf alles Slawische und Jüdische. Dann waren eben nicht Versöhnung der Völker und Bereicherung durch die verschiedenen Gaben der unterschiedlichen Menschen aus verschiedenen Kulturen im Blick, sondern man säte Zwietracht unter den Völkern Europas durch die Arroganz von Macht und Gewalt. Auf jeden Fall haben die Nazis nicht „Liebe, Friede, Freundlichkeit und Sanftmut“ gesät. Wir alle wissen: Diese Saat von Hass und Gewalt ist aufgegangen und hat auch das deutsche Volk, auch die Leute auf dem Darß Unglück, Leid, Not und Vernichtung ernten lassen.

Es ist noch einmal gut auf den ganzen Vers zu hören: „Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. War der Mensch sät, das wird er ernten!“ Auch heute ist dieses Wort denen zur Warnung gesagt, die mit rechtsextremer Gesinnung liebäugeln und meinen, so ein paar neue Nazis täten unserem demokratisch gewählten Vertretungen wie Bürgerschaften und Landesparlament ganz gut. Sie würden diese etwas aufmischen und frischen Wind in die etablierte Politikerszene bringen.

Irret euch nicht! Hass und Gewalt und Zerstörung wird auf unser Gemeinwesen zurückschlagen. Wenn die rechte Gewalt zum Zuge kommt, wird sie alles in den Untergang hinein ziehen.

An der Altarrückwand der Kirche sehen wir vier merkwürdige Figuren, die ursprünglich vom Architekten der Kirche, Bernhard Hopp aus Hamburg, als Ständer für das aufliegende Tonnengewölbe geschnitzt wurden. Schon zwei Jahre später wurden sie entfernt. Offensichtlich haben sie nicht gefallen. Sie wurden ersetzt durch im Auftrag des damaligen Reichskultusministeriums gefertigte neuen Figuren, die wir heute noch als Stützen des Gewölbes sehen. Die Figuren von Bernhard Hopp wurden entfernt und gerieten in Vergessenheit. Erst 1984 kehrten sie in die Kirche zurück. Diese Figuren stellen Leid, Not, Verbitterung und Resignation dar, wie es in einem zeitgenössischem Text heißt: „der in der Ferne verstorbenen Dorfeinwohner“, nämlich der Soldaten, der Seeleute, der Frauen und der Kriegsgefangenen.

Will der Architekt nicht sagen: Das ist das Leid, dass die Nationalsozialisten mit ihrer Hasspredigt und ihren Gewalttaten auch über Born bringen werden. – Und wir wissen: Auch gebracht haben!

Liebe Gemeinde, Säen und Ernten, Ziele und Ergebnisse unseres Handelns stehen in einem unauflösbaren Zusammenhang. Die Dürftigkeit menschlicher Ziele entpuppt sich meist schon nach wenigen Jahren. Es kommt alles darauf an, dass wir unser Handeln nicht an eigensüchtigen Zielen, die aus dem Dunkel des menschlichen Herzens aufsteigen, ausrichten, sondern diese am ewigen Willen Gottes ausrichten. Geistlich, nicht fleischlich gilt es zu säen. Liebe, Friede, Freundlichkeit und Güte soll die Aussaat sein, dann werden wir Gottes Segen ernten. Was an Gottes Maßstab sich messen kann, ist entscheidend und nicht das, was die jeweils Regierenden sich wünschen. Deswegen ist der sog. „real existierende Sozialismus“ zusammen gebrochen, weil er eben nicht „Freiheit, Gleichheit oder Brüderlichkeit“ verwirklichte, sondern Bespitzelung und die diktatorische Einschränkung der Freiheit für notwendig hielt. Gesät wurde kleinbürgerliches Denunziantentum und Abschottung durch Mauern. Geerntet wurde der politische und wirtschaftliche Zusammenbruch.

Und wir heute? Was säen wir? Welche Ernte haben wir dementsprechend zu erwarten? Nur zwei Fragen möchte ich stellen:
1. Nehmen wir gesellschaftlich alle mit oder gibt es nicht eine erschreckend hohe Zahl an Verlierern? Zugegeben, viele sind an ihrer Lage nicht ganz unschuldig, aber manch einer oder manch eine hat durch soziale Herkunft, mangelnde Ausbildung, Lebensalter auch einfach schlechte Karten. Wenn es nun nicht gelingt, die Ausfälle aus dem gesellschaftlichen Zusammenhalt auf eine ganz kleine Zahl zu begrenzen, werden wir das Zerbrechen des gesellschaftlichen Miteinanders ernten.
2. Wir sind erschrocken über die ersten Auswirkungen des Klimawandels. Hier ist ein radikales Umdenken gefordert, gerade auch bei der Energieproduktion, sonst fliegt uns das Wetter um die Ohren.

Erntedank erinnert an den Zusammenhang von Ernten und Säen. Das gilt im gesellschaftlichen wie im persönlichen Leben.

Als junger Mann, mit 27 Jahren hatte ich dazu ein denkwürdiges Erlebnis. Ich kaufte mir damals ein neues, gebrauchtes Auto von einem zu der Zeit 37 Jahre alten Mann. Ganz stolz erzählte er mir: „Noch drei Jahre, dann habe ich es geschafft. Dann brauche ich nicht mehr selber arbeiten; dann kann ich nur noch andere für mich arbeiten lassen.“ Unwillkürlich musste ich an das Gleichnis denken, dass wir heute als Evangelium gehört haben (Lukas 12, 15-21). Da wurde uns ja von einem reichen Mann erzählt, der eine besonders gute Ernte einbringen konnte. Sein ganzes Trachten ging danach, viele Güter einzubringen und sich allein an seinem Reichtum zu freuen. Aber Gott trat ihm in den Weg: „Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du aufgehäuft hast?“ (V. 20) Wer nur noch der Sehnsucht nach dem „Immer mehr“ folgt, verliert die Maßstäbe und zum Schluss sich selbst. Darum fordert uns der Apostel auf, lieber unser Leben damit zu verbringen, Gutes zu tun. Wenn wir uns nun fragen, was denn gut sei, dann sollten wir auf das sehen, was wir in Jesus Christus, seiner Lehre und seinem Geschick erkennen können und wie es sich in den geistvollen Zielen, über die ich eben gesprochen habe ausdrückt. Von all diesen Zielen ist aber die Liebe die Größte und fasst alles andere zusammen. Amen.

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