19. Dezember 2021 | Lübeck - #liveline-Gottesdienst aus Lübeck live mit Bibel-TV

Predigt zum Vierten Advent zu Lukas 1, 26 - 56

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt bei der Predigt
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt bei der Predigt© Annelie Haack/Nordkirche

19. Dezember 2021 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

Im Namen Gottes,

der uns ansiehtund liebt,

dessen Kraft in den Schwachen mächtigist,

der Sarah und Abraham mit Hoffnung erfüllte

und Maria vor Freude singen ließ:

Im Namen Gottes, seines Sohnes Jesus Christus

und der Heiligen Geistkraftsind wir hier.

Was immer uns heute Morgen bewegt,

Freunde und Glück,

Angst und Klage,

Lob und Dank:

all das legen wir nun in Gottes Güte und Barmherzigkeit.

So segne Gott unser Sehen, Hören und Beten.

Amen.

Predigt 

Manchmal ist einem einfach nach Singen zu Mute – nach einem lauten Gesang voller Überschwang. Wenn unverhofftes Glück widerfährt, lang gehegte Hoffnung sich erfüllt, ein Traum Wirklichkeit wird – wenn einfach alles gut ist, und sei es auch nur für einen Moment.

Ein solcher Moment voller Überschwang ist festgehalten in der Bibel: Im Gesang der Maria. Maria singt ein Lied, nein: ihr Lied der Freude. Sie singt von großen Dingen, als sie ihre Cousine Elisabeth besucht. Vielleicht ist sie verunsichert ob ihrer Schwangerschaft, vielleicht weiß sie nicht so genau, ob das, was ihr widerfährt, auch mit rechten Dingen zugeht. Ob sie wohl wirklich, wie ihr der Engel gesagt hat, ein ganz besonderes Kind der Hoffnung in sich trägt?

Denn der Engel hat ihr gesagt, dass dieses Kind den Namen Jesus, auf Hebräisch Jehoschua, tragen soll. Jesus, Jehoschua, das heißt: Gott hilft, Gott befreit. Das kann nur bedeuten: Das Kind, das Maria erwartet, soll helfen und befreien. Soll Recht und Frieden bringen - besonders für die, denen immer wieder übel mitgespielt wird und die immer wieder übergangen werden. Die unter Ungerechtigkeit und Unfrieden leiden.

Bisher wusste Maria nur aus den Worten des Engels von diesem besonderen Kind. Aber jetzt, beim Besuch ihrer Cousine Elisabeth, geschieht etwas Entscheidendes: Als Maria sie begrüßt, spürt die ebenfalls schwangere Elisabeth ihr Kind in ihrem Leib – es bewegt sich. Elisabeth spürt, dass mit dem Kind Marias etwas Neues anbricht. Und so wird diese Begrüßung zu einem Zeichen für beide Frauen: das Kind, das Maria unter ihrem Herzen trägt, bewirkt schon vor seiner Geburt etwas bei anderen. Und die Erwartung wird groß: Dieses Kind wird retten, befreien. Dieses Kind ist ein Hoffnungsträger. Und auch, wenn es noch nicht sichtbar, noch nicht greifbar ist, so ist dennoch spürbar unterwegs auf dem Weg zu den Menschen.

II

Maria und Elisabeth - zwei Frauen, die große Erwartungen für und große Hoffnungen mit ihren noch ungeborenen Kindern haben. Und so singt Maria eine Weltrevolution herbei. Eine Weltrevolution der Gerechtigkeit, Wärme und Geschwisterlichkeit. Maria singt ein Lied voller Gotteslob und Dank, das zugleich ein kritisches, ein prophetisches Lied ist. Sie singt von einem Gott, der die Gewaltigen vom Thron stürzt und die Niedrigen groß macht. Einem Gott, der die Hungrigen erfüllt mir allem, was sie brauchen und die Reichen leer ausgehen lässt. So hört es sich an, wenn Gott die Welt auf den Kopf stellt! Wenn die Übersehenen zu Ansehen kommen, die Unscheinbaren plötzlich glänzen, heller als jeder Kerzenschein am heutigen Vierten Advent.

Jetzt endlich – davon singt Maria - jetzt endlich wird Gott wahr machen, was seine Prophetinnen und Propheten versprochen haben. In seinem Namen ist ein Kind unterwegs, das Liebe, Frieden und Gerechtigkeit bringt. Ein Kind, das von seiner Geburt an bis heute andere begeistert mit seiner Botschaft der Liebe gegen allen Hass, mit seiner unbedingten Zuwendung zu den Menschen, mit seiner Beharrlichkeit und Geduld, mit einer Hingabe, die lieber sich selbst preisgibt als andere ans Messer zu liefern.

Aus einem Kämmerlein irgendwo am Ende der Welt, in einem Winkel der Weltgeschichte, singt sich ein Lied in die Welt, das nicht mehr wegzudenken, und nicht mehr totzukriegen ist: das Lied der Hoffnung gegen Leid und Tod. Das Lied der Liebe gegen Gemeinheit und Hass. Das Lied der Gerechtigkeit gegen Unterdrückung und Verzweiflung. Das Lied des Friedens gegen Brutalität und Krieg.

III

In der Wirklichkeit, wie sie Maria erlebt hat und wie auch wir sie erleben, sind die Überheblichen nicht zerstreut. So viele Arme sind noch immer hungrig. So mancher mächtige Diktator ist noch immer an der Macht. Noch immer horten die Wohlhabenden die ihnen erreichbaren Güter und andere gehen leer aus. An den Grenzzäunen unseres reichen Europas kampieren, frieren und hungern Menschen in Not und Elend, in Folterkellern schreien und verstummen Verfolgte - in Äthiopien, Afghanistan, in Syrien hungern Kinder und Erwachsene. Wie können wir da einstimmen in die Worte der Maria?

Marias Worte ziehen ihre Kraft und ihre Macht auch daraus, dass sie gesungen werden. Jeden Abend als Gesang zur Vesper in christlichen Klöstern, als jubelndes Magnificat von Johann Sebastian Bach und in unzähligen Vertonungen in so vielen Sprachen der Erde. Ein Gesang, der in Konzerten erklingt. Ein Gesang, der zuweilen nur leise, kaum hörbar gesummt wird, und doch wie ein Ohrwurm in Kopf und Herz bleibt. Ein Gesang, der unaufhaltsam und ein für alle Mal in der Welt ist. Und der nur darauf wartet, von einer, von einem angestimmt zu werden, um dann immer lauter und kräftiger zu erklingen. Ein Lied, das Gottes Hoffnung für uns Menschen wach hält. Ein Lied, das unsere Hoffnung und damit uns selbst am Leben hält.

IV

Maria singt von Gottes Hoffnung für uns, für unsere Welt. Sie singt davon, dass Gottes Hoffnung unterwegs ist. Am Heiligen Abend feiern wir, dass sie wirklich und lebendig wurde und wirklich und lebendig bleibt. Denn wir sind die, die sich heute öffnen für Gottes Hoffnung. Die dafür stehen, dass die Welt sich ändern kann. Die davon singen, dass Gott über Leid und Tod triumphiert. Die darum beten, dass sein Friede Wirklichkeit wird und unsere Hoffnung nicht vergebens ist. Wir sind die, die das Lied der Maria weitersingen. Die heute mit dafür Sorge tragen, dass Gottes Liebe Wirklichkeit wird – wie lang es auch dauern, wie klein die Schritte dazu auch sind, wie viele Rückschläge es auch bedeuten mag.

Heute sind wir es, die singen, mal leise und verzagt, mal laut und voller Überschwang. Heute sind wir es, die den Gesang und die Worte der Maria weitertragen. Lasst uns ihr Lied nicht vergessen. Und lasst uns auch das nicht vergessen: In jedem Akt der Güte, der Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit bauen wir mit an der neuen Welt Gottes, von der Maria singt. In jeder Hilfe, die wir anderen in Not gewähren, in jedem Moment, in dem wir verstehen, dass die Liebe, die zerbrechliche, verletzliche Liebe die eigentliche Macht auf dieser Welt ist, wirken wir daran mit, dass Barmherzigkeit und Gerechtigkeit sich Bahn brechen. Diese Liebe lässt uns unsere Verbundenheit und unsere Abhängigkeit voneinander spüren. Und sie lehrt uns unsere Verantwortung füreinander.

Das überschwängliche Lied der Maria erinnert uns:

„Auch du bist Prophetin
auch du bist Prophet
in dir tanzt das Licht
und machtvoll
erklingt uns dein Lied

Du erzählst von Unrecht und Schmerz
und vom kommenden Leben das leise
unaufhaltsam
unter uns
Gestalt annimmt. 

Amen."

(nach einem Text von Lisianne Enderli)


Schlussvotum

Ich bin im Licht
spricht Gott
und im Dunkel
in Leid und Glück
im Werden und Vergehen.
Ich bin bei dir.
Ich bin die Liebe
spricht Gott
der Frieden
das Erbarmen
die Gnade.
Ich schenke sie dir.


Segen 

Gott segne dich und behüte dich.
Gott lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig.
Gott erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

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