Rückenwind für Anhänger der Homo-Ehe in Deutschland
28. Juni 2015
Von enthusiastisch bis entrüstet: US-Amerikaner reagieren gespalten auf die Zulassung der Homo-Ehe. Durch das Urteil aus den USA bekommen die Befürworter in Deutschland Rückenwind – und stellen eine Forderung.
Washington. Die US-Amerikaner haben geteilt auf die landesweite Zulassung der Homo-Ehe reagiert. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes rief unter liberalen Bürgerrechtlern Jubelstürme hervor. Konservative Gruppen äußerten sich am Wochenende dagegen entsetzt.
Am Freitag hatte der Oberste Gerichtshof der USA die Homo-Ehe mit fünf zu vier Stimmen landesweit erlaubt. Die Ehe sei ein Grundrecht, das schwulen und lesbischen Paaren nicht verweigert werden dürfe, urteilten die Richter in Washington. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen demnach künftig in allen US-Bundesstaaten heiraten. Vor dem Urteil war die Homo-Ehe bereits in 36 der 50 Bundesstaaten legal.
"Liebe hat gewonnen" und "Gleiche Rechte, gleiche Liebe" stand auf Plakaten von Aktivisten, die vor dem Gerichtsgebäude auf das Urteil gewartet hatten. Präsident Barack Obama twitterte: "Heute machen wir einen großen Schritt hin zur Gleichberechtigung." Er begrüßte die Entscheidung als "Sieg für Amerika". Die Bürgerrechtsorganisation "Human Rights Campaign" berichtete von gleichgeschlechtlichen Paaren im ganzen Land, die noch am Tag des Urteils zum Standesamt gegangen seien.
US-Bischofskonferenz: "ein tragischer Fehler"
Erzbischof Joseph Kurtz, Präsident der römisch-katholischen Bischofskonferenz der USA, äußerte sich hingegen empört über den Richterspruch. Das Urteil sei ein "tragischer Fehler" und "zutiefst unmoralisch", sagte er. Der Chef-Ethiker des Südlichen Baptistenverbandes, Russell Moore, beklagte, Christen seien nun "Fremde in der amerikanischen Kultur". Die Richter missachteten, dass die Ehe seit Tausenden von Jahren als Bund von Mann und Frau definiert werde.
Die öffentliche Meinung zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle hat sich in den USA innerhalb weniger Jahre drastisch verändert. Laut einer Umfrage des Instituts "Pew Research Center" in diesem Monat befürworten 57 Prozent der US-Amerikaner die Gleichstellung. 2005 hatten sich nur 36 Prozent für die Homo-Ehe ausgesprochen. Unter jungen Menschen liegt die Zustimmungsrate heute bei rund 70 Prozent.
Kommt jetzt die Verzögerungs-Taktik?
Wie die "Washington Post" berichtete, denken Gegner der Homo-Ehe nun über Verzögerungsstrategien nach. Sie erwägen demnach, in manchen Bundesstaaten auf Gesetze gegen eine Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben zu drängen. Gerichtliche Auseinandersetzungen darum könnten sich Jahre hinziehen. Der republikanische Justizminister des Bundesstaates Louisiana, James Caldwell, sagte der "New York Times", er finde "nichts in der heutigen Entscheidung, wonach das Urteil sofort rechtskräftig" ist.
In Deutschland, wo seit Wochen verstärkt über die Homo-Ehe gestritten wird, spüren die Befürworter nun Rückenwind. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte, nach den Vereinigten Staaten müsse nun Deutschland folgen: "Es ist an der Zeit, dass es endlich eine volle Gleichstellung gibt", forderte er. Die Union solle "schleunigst ihre ideologische Verbohrtheit aufgeben und die diskriminierende Gesetzeslage bei uns beenden", erklärte Hofreiter.
Die Folgen für Deutschland
Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), begrüßte die Entscheidung des US-Gerichtes. Er habe die Hoffnung, "dass wir auch in Deutschland zu einer kompletten Gleichstellung zwischen der Lebenspartnerschaft und der Ehe gelangen", erklärte er.
Das vom Bundesrat bereits beschlossene Gesetz zur Homo-Ehe wird im Bundestag indes wohl keine Mehrheit finden. Die für Familienpolitik zuständige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön (CDU), lehnte es im RBB-Inforadio ab, für diese Abstimmung den Fraktionszwang aufzuheben und plädierte - obwohl selbst Befürworterin der "Ehe für alle" - für eine Ablehnung des Gesetzes. Laut Koalitionsvertrag wäre dann auch die SPD-Fraktion gezwungen, mit "Nein" zu stimmen, obwohl sich die SPD dafür ausgesprochen hatte. Zur Begründung sagte Schön, sie fühle sich an das ablehnende Votum des letzten CDU-Bundesparteitages gebunden.