Stefan Schmidt erhält die Bugenhagenmedaille
24. Oktober 2023
Dettmannsdorf. Stefan Schmidt erhält für sein jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement für evangelische Bildung die höchste Auszeichnung der Nordkirche: Am Reformationstag (31. Oktober) überreicht Bischof Tilman Jeremias dem Initiator und Geschäftsführer des Evangelischen Bildungscampus Dettmannsdorf die Bugenhagenmedaille
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Durch Stefan Schmidts ausgeprägten Teamgeist und seine bemerkenswerte Fähigkeit zum vernetzten Denken und Handeln gelang es, aus einer kleinen Schule in Trägerschaft eines eingetragenen Vereins den heutigen Evangelischen Bildungscampus Dettmannsdorf in Trägerschaft einer gGmbH zu entwickeln.
"Das Vorhaben wurde über zahllose erhebliche Hindernisse hinweg mit unendlicher Ausdauer und liebevoller Sorgfalt vorangetrieben“, schreibt die Kirchenleitung in ihrer Begründung. Medaille und Urkunde überreicht Bischof Jeremias bei einem Gottesdienst im Rahmen des Reformationsempfangs der Nordkirche in der Dorfkirche Kölzow.
Stefan Schmidt ist im Erzgebirge aufgewachsen in einer kirchlich engagierten Familie, „mit Tischgebet, Kindergottesdienst und Konfirmation“, wie sich der 73-Jährige erinnert. Nach einem Landwirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Tierhaltung an der Berliner Humboldt-Universität zog er Mitte der 1970er Jahre mit seiner Ehefrau, einer Lehrerin, und kleinem Sohn nach Dierhagen, um beim VEG Zingst zu arbeiten, und wurde knapp zehn Jahre später Vorsitzender der LPG in Dettmannsdorf südwestlich von Ribnitz-Damgarten.
Selbstwirksamkeit von Menschen ermöglichen
Bereits in den Wendejahren 1989/90 zeigte sich, dass Stefan Schmidt mit einem weiten Blick und einem großen Zutrauen in Menschen gesegnet ist. „Anders als in den meisten anderen Dörfern haben wir unsere LPG aufgelöst und nicht versucht, das irgendwie weiterzuführen. Wir wollten, dass jeder die Chance zu einem Neuanfang hat und die Möglichkeit, sich neu zu erfinden.“ Auch wenn es zu seinen schwersten Aufgaben gehört habe, 260 Entlassungen zu unterschreiben, habe der Fortgang der Geschichte ihm Recht gegeben: „Langfristig sind unsere Hoffnungen in Erfüllung gegangen und wir sind als Gemeinschaft zusammengewachsen, eben weil wir so früh an die Selbstwirksamkeit der Leute appelliert haben. Heute gibt es in Dettmannsdorf an die 70 Selbstständige und Gewerbetreibende.“
Seit 1995 ist Stefan Schmidt ehrenamtlicher Bürgermeister des Dorfs mit seinen rund 1100 Einwohnern. Selbstwirksamkeit, die wollte er auch Kindern und Jugendlichen vermitteln. In den Nachwendejahren drohten gerade Hauptschüler als schwache gesellschaftliche Gruppe unter die Räder zu kommen. „Damals wuchs in mir der Wunsch, in freiheitlich demokratischen Verhältnissen eine eigene Schule betreiben zu können, in der das christliche Menschenbild im Vordergrund steht.“
Als die Kreisverwaltung ein paar Jahre später beschloss, die Dettmannsdorfer Schule zu schließen, war das der Startschuss dafür, diese Träume gemeinsam mit seiner Frau, den Pastoren Uwe Bobsin und Petra Bockentin sowie Mitgliedern der Kirchengemeinde und Freunden in die Tat umzusetzen: „Wir wollten eine Schule, in der Kinder und Jugendliche mehr Aufmerksamkeit und Fürsorge bekämen.“
Genehmigung drei Wochen vor Beginn des Schuljahrs
Drei Wochen vor Beginn des neuen Schuljahres erhielten Stefan Schmidt und seine Mistreiter im Jahr 2005 die Genehmigung zum Schulbetrieb. Tag und Nacht brachten sie das alte Schulgebäude zum Strahlen, ersetzten Fenster, brachten Lampen an und befreiten das alte Gebäude von Staub. „Mit 11 Kindern und einem Schulleiter ging es dann los. Lehrerinnen und Lehrer, die am Gymnasium nur Teilzeitstellen hatten, haben ein paar Stunden bei uns unterrichtet. Ich bin jetzt noch dankbar dafür, dass sie anfangs nahezu ehrenamtlich für uns gearbeitet haben, bis wir nach und nach immer mehr Lehrkräfte einstellen konnten.“
In der ersten Zeit sei es nicht leicht gewesen, die Eltern vom evangelischen Profil der Schule zu überzeugten: „Viele Eltern meinten, die Schule sei ja schön und lobten die kurzen Wege, das Evangelische sahen sie allerdings als notwendiges Übel“, erzählt Stefan Schmidt. Für ihn sei dies jedoch das entscheidende Kriterium, auf das er auch die Erfolgsgeschichte seines Bildungscampus zurückführt. „Wir reden nicht jeden Tag von der christlichen Nächstenliebe, aber es ist atmosphärisch anders als in vielen öffentlichen Schulen. Unsere Schüler grüßen, sind freundlich und aufgeschlossen und achten sich gegenseitig. Wenn sie ein Problem haben, vertrauen sie sich ihrer Lehrerin oder dem Lehrer an.“
Inzwischen besuchen 600 Schülerinnen und Schüler den Campus und pendeln dafür bis zu 25 Kilometer. Auf eine Grundschule samt Hort folgt eine Integrierte Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe. 2026 werden die ersten Dettmannsdorfer Schülerinnen und Schüler Abitur machen.
Von der Kita bis zur Erzieherinnenausbildung
Die Bildung mit evangelischem Profil beginnt seit 2018 im Kindergartenalter, in diesem Sommer wurde ein Kita-Neubau eröffnet. Und sie hört mit dem Schulabschluss nicht auf: Auf dem Campus werden Erzieherinnen und Erzieher praktisch ausgebildet. Inzwischen hat der Bildungscampus bereits verschiedene Preise eingeheimst: So hat der Grundschulbau 2019 den Nike-Preis der Deutschen Architektinnen und Architekten gewonnen übrigens zusammen mit der Elbphilharmonie, den Juroren gefiel unter anderem die „anmutige Bescheidenheit“, Die Kita ist eine von sechs deutschlandweit ausgewählten besonders geförderten Kindergärten.
Zehn Millionen Euro hat der Bildungscampus in den Kita-Bau und eine neue Sporthalle investiert. „Obwohl wir 600 Schülerinnen und Schüler und 400 Vereinssportler im Ort haben, gab es für die Sporthalle keinen Cent Förderung“, bedauert Stefan Schmidt.
Über die Jahre habe er von Seiten der Verwaltung weitaus mehr Gegenwind als Unterstützung erfahren. Doch statt zu resignieren, sei in ihm der Kampfgeist geweckt worden: „Von meinem Naturell her bin ich eher zurückhaltend und ergreife ungern öffentlich das Wort. Doch diese Widerstände haben mein Selbstbewusstsein gestärkt. Ich habe gelernt, dass man sich durchsetzen und Verantwortung für seinen Nächsten übernehmen muss, wenn etwas gut sein soll. Ich habe auch gelernt, für andere mitzukämpfen, ob es um eine Baugenehmigung geht oder um einen Schulplatz.“
Man muss auch mal anecken können
Dettmannsdorf sei inzwischen in Mecklenburg-Vorpommern als gallisches Dorf verschrien, erzählt Stefan Schmidt augenzwinkernd. „Von Martin Luther habe ich für mich übernommen, dass man seine eigene Meinung haben und verteidigen muss. Wir sind manchmal unbequem und gehen andere Wege als die ausgetretenen. Eben auch, weil wir Christen sind.“ Ein Segen seien dabei die vielen Menschen, die den evangelischen Schulcampus unterstützen. „Es strahlt aus. Wir haben in unserem Dorf viele aktive Kirchenmitglieder. Kirche gehört dazu. Daran hat die Schule großen Anteil dadurch, dass sie die Schwelle, eine Kirche zu betreten, deutlich niedriger gemacht hat.“
Stefan Schmidt hat drei Kinder und sechs Enkelkinder.