Übergabe der Erntekrone durch den Landfrauenverband Hamburg an die Freie und Hansestadt Hamburg
01. Oktober 2024
Ansprache zu Lukas 17,11-19
Liebe Erntedank-Gemeinde,
der Sommer hat in den vergangenen Wochen noch eine wunderbare kleine Nachspielzeit gegeben. Und was für eine schöne! Die roten Ebereschen vor diesem besonderen Blau des Hamburger Spätsommerhimmels, die rot-gelb-grüne Ampel-Apfel-Pracht in den Bäumen, die blühende Heide, die ersten bunten Blätter an den Knicks, die Astern in den Gärten, die ersten Frühnebel. Die Spinnweben im Licht der untergehenden Sonne. Was für eine unfassbare Schönheit diese Zeit des Jahres doch hat!
Solche Bilder müssen wir uns in der Seele aufbewahren, liebe Geschwister! Weil sie ein Gegenmittel sind gegen all die Verunsicherung und Hässlichkeit, die wir gerade in dieser aufgerauten, friedlosen Welt erleben. Dahinein: diese Hoffnung, ja Gewissheit, „dass niemals aufhören wird Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (Gen 8).
Beständigkeit, sie trägt durch die Zeiten. Beständigkeit, wie wir sie ja gerade auch bei dem Trachtentanz gesehen haben: Mit den immer gleichen Liedern und Tänzen feiern die Menschen die Ernte seit Jahrhunderten. Beständigkeit – denn auch der Altweibersommer ist wieder da, der ja übrigens deshalb so heißt, weil die feinen grau glänzenden Spinnfäden an die Haare alter Frauen erinnern. Lebensfäden hat man sie genannt – fein gesponnene Lebensfäden, die die ganze Zerbrechlichkeit unserer Existenz ausdrücken. Aber auch zeigen: So kann man alt werden, Gott sei Dank. Wir leben in Hoffnung!
Der Altweibersommer also in seiner üppigen Schönheit, ein Segen, besonders in den Vier- und Marschlanden und im Alten Land, dieser wunderbaren Kulturlandschaft, die es nur gibt, weil es Sie gibt. Und so mischt sich meine Dankbarkeit für das herbstliche Wunder der Schöpfung Gottes mit dem tiefen Dank für all Ihr Tun, liebe Landfrauen, Majestäten und Kinder – auch heute wieder so schön gekleidet, wie Salomonis Seide – und liebe Landwirte.
Danke für all Ihr Tun, um diese Schönheit zu hegen und zu pflegen und aus dem, was Gott uns als Lebensgrundlage geschenkt hat, tatsächlich Lebens-Mittel, Überlebensmittel für uns alle herauszuarbeiten. Was für eine Mühe, wieviel Erfahrung, wieviel Fleiß und Können steckt in all dem, was wir hier am Altar und auf den Hamburger Märkten (und in den Supermärkten) derzeit sehen, riechen und schmecken können. Von Ihnen gesät, angebaut, begossen, geerntet, gekocht, gebacken. In Hülle und Fülle: Äpfel, Karotten, Mirabellen, Pflaumen, Honig, Marmelade, Brot, Blumenkohl, Feldsalat, Fenchel, Gurken, Kohlrabi, Kürbisse, Knubbelkartoffeln, Rucola … Jetzt höre ich auf – und könnte doch lange fortfahren und ein feines, langes Loblied singen auf jede Birne und jeden Wirsing. Was für eine Fülle! Was für eine Pracht! Ohne die wir nicht leben könnten.
Also zuallererst mein Ernte-Dank an Erntedank an Sie, liebe Landfrauen und Landwirte! Denn ich weiß sehr wohl, dass die Umstände widrig sind, unter denen Sie arbeiten und wirtschaften. Die steigenden Kosten, der viele Papierkram, die unvorhersehbaren Wetterkapriolen, die auf den großen herausfordernden Wandel des Klimas hinweisen. Dazu die immer neue Balance zwischen nachhaltigem und auskömmlichem Wirtschaften. Personalmangel. Zusammenlegung von Höfen. Konflikte zwischen den Generationen. Oha. Leicht geht anders. Dass Sie weitermachen, Tag ein, Tag aus, dafür danke ich Ihnen von Herzen. Denn wir brauchen Sie und Ihre Arbeit so sehr!
Und auch deshalb gehört dieser Dank immer wieder ausgesprochen, weil viele Zeitgenossen ja gar nicht mehr ahnen, woher ihr Essen kommt und wieviel Sorgfalt, Mühe und Liebe darin steckt. Wie überhaupt sehr viele Menschen sehr wenig Sinn dafür haben, wie dankbar wir in unserem Land nach wie vor sein können. Trotz aller Probleme, trotz aller Krisen. Trotz aller Bedrohungen.
Es ist gerade in Zeiten wie diesen eine wichtige und heilsame christliche Lebenskunst, den Blick auf das Gelingende und Gute zu richten, auf das, was wir haben und genießen dürfen. Und das ist so viel! Dankbare Menschen stimmen innerlich zu, dass sie alles, was sie haben und sind, von anderen empfangen haben. Und wer wüsste das besser als Sie! Die draußen wirtschaften und seit Generationen erleben, dass Regen, Wind und Sonne, fruchtbare Böden und üppiges Wachstum ein Geschenk sind, keine persönliche Leistung.
Das Geheimnis der Dankbarkeit ist, dass nichts selbstverständlich und nichts gleichgültig ist im Leben. Menschen und Dinge sind etwas wert. Dankbarkeit macht uns immun gegen jede Form der Verachtung und Missachtung von anderen Menschen. Dankbarkeit erkennt den Wert und die Würde, das Bemühen und die Not aller Menschen. Egal woher sie kommen. Deshalb ist dieses Fest der Dankbarkeit heute so wichtig, weil der Undank und die Verachtung in unserer Gesellschaft, analog wie digital, in erschreckend bösartiger und aggressiver Weise um sich greift.
Wer dankbar ist für all das Viele, was einem geschenkt wurde im Leben – der Lebensfaden, der hält, die Liebe des Lebens, die Silberhochzeit feiert (herzlichen Glückwunsch, liebes Silberpaar) –, wer dankbar ist für Gesundheit und Freude, für freies Denken und Wasser und Wind, für Plattdüütsch und die Radieschen, hat es nicht nötig, andere anzufeinden und niederzumachen.
Das mit der Undankbarkeit ist übrigens auch kein richtig neues Problem. Es gibt ja diese Geschichte in der Bibel, da kommen zehn aussätzige, kranke Männer zu Jesus und bitten ihn um Hilfe. Jesus rät ihnen, zu den Priestern zu gehen und sich ihnen zu zeigen. Auf dem Weg dorthin werden alle zehn wunderbarerweise gesund. Aber nur einer von ihnen kehrt zu Jesus zurück. Von ihm heißt es: „Er lobte Gott mit lauter Stimme.“, „Er warf sich vor Jesus zu Boden und dankte ihm.“, „Und Jesus sagt zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube“ – und ich ergänze, deine Dankbarkeit – „hat dich gerettet!“
Für diesen einen war die Heilung ein Geschenk, keine Selbstverständlichkeit. Und er war sich bewusst, dass es gut ist, sich zu bedanken bei denen, die einem Gutes getan haben. Ein dankbarer Mensch ist ein glücklicher Mensch. Ein geretteter, ein heiler Mensch, der anderen viel schenkt: nämlich Dank.
Das wussten unsere Väter und Mütter im Glauben, es war ihre tiefste Überzeugung, dass neben aller (berechtigen) Klage und allem (notwendigen) Jammern, der Dank für alles Gute im Leben stehen muss. Gerichtet an die Quelle allen Lebens, an den Grund aller Hoffnung, an Gott. Wir haben es vorhin gebetet: „Lobe den Herrn meine Seele.“ Und in Psalm 103 heißt es „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Mit diesem Vers kommt man durchs ganze Leben.
Der Geheilte ist zu Jesus zurückgekommen. Wir wenden uns heute, an Erntedank, an Gott, dem wir unser Leben verdanken. Dieser Dank macht uns frei. Vom Wahn alles selbst machen und leisten zu müssen. Wir verdanken uns, unser Leben, unsere Kinder und unser Lachen, unsere Kraft und unsere Hoffnung Gott, unserem Schöpfer. Der Dank macht uns frei, Gott tatsächlich zu vertrauen, dass er bei uns ist und bleibt. Wir leben in Hoffnung! Weswegen wir uns nicht fürchten müssen, auch wenn die Zeiten schwer und wirr und unsicher sind, Gott bleibt bei dir.
Gott is bi di. Wees man nich bang! Sünd ok de Tieden swaar un drang. Gott is bi di, verlett di nich. He is dien Troost, dien Kraft un Licht.
Mit seinem Frieden, höher als alle Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.