„Von der Würde und so manchem Widerstand“ – Eröffnung der Reihe „Mohltied-Kirche 2025“
12. Januar 2025
13Damals kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes. Er wollte sich von ihm taufen lassen. 14Johannes versuchte, ihn davon abzuhalten. Er sagte: »Ich müsste doch eigentlich von dir getauft werden! Und du kommst zu mir?« 15Jesus antwortete: »Das müssen wir jetzt tun. So erfüllen wir, was Gottes Gerechtigkeit fordert.« Da gab Johannes nach. 16Als Jesus getauft war, stieg er sofort aus dem Wasser. In diesem Moment öffnete sich der Himmel über ihm. Er sah den Geist Gottes, der wie eine Taube auf ihn herabkam. 17Da erklang eine Stimme aus dem Himmel: »Das ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude.« Mt 3
Liebe Gemeinde,
wie schön, heute bei Ihnen in Wesselburen zu sein. Ich freue mich sehr, Ihre besondere Mohltied-Woche mit zu eröffnen. Danke, dass Sie hier in Wesselburen so gastfreundlich sind. Dass so viele mitmachen, Essen kochen, Kuchen backen, Kaffee kochen, Tische decken, Geschirr waschen, Menschen begrüßen und Zeit haben für einen Schnack nebenbei. Gastfrei zu sein vergesst nicht – vielleicht habt ihr, ohne es zu wissen, einen Engel beherbergt. Frei übersetzt nach einem Bibelvers aus dem Hebräerbrief möchte ich Ihnen ganz viele wunderbare Begegnungen und Erlebnisse in der kommenden Woche wünschen – und denen, die sich viele Stunden pro Tag engagieren werden, wünsche ich Kraft und vor allem Freude an Ihrem Tun.
Nun aber zu unserem Predigttext, wir haben ihn eben schon gehört. Jesu Geburt ist ja noch nicht so lange her, wir sind ja auch noch in der Weihnachtszeit – und schon steht Jesus mitten im Leben. In der Welt. Und will getauft werden. Johannes ist erst skeptisch – wieso soll ER nun den taufen, der ja eigentlich doch selber taufen soll? Aber – klare Aussage von Jesus, wir haben es gehört: Lieber Johannes, wir machen hier jetzt einfach das, was Gott uns aufträgt –
Torfrock, eine Ihnen vielleicht bekannte Deutschrockband, hat ein wunderbares Lied über den Wikinger Rollo geschrieben, der ein wilder Heide ist. Verkatert hört er die Glocken vom Kloster und beschließt, sein Leben zu ändern und lässt sich taufen.
Der Refrain geht so:
Es ist so schön, getauft zu sein;
denn tut man keine Sünden,
man taucht nur in das Taufbecken rein
und tut Erlösung finden.
Künftig ist Rollo zwar aus lauter Nächstenliebe zu allen ganz lieb - das wird aber von seiner Umgebung schrecklich missverstanden und ausgenutzt. Schließlich (das passt hier dann aber auch gar nicht mehr) hat er alles den Armen gegeben, kann keine Kirchensteuer mehr bezahlen, wird exkommuniziert und lebt wieder als Wikinger-Heide
Tja, die Geschichte geht für uns als Kirche jetzt nicht so gut aus. Was aber daran spannend ist: Hier wird ja was auf die Spitze getrieben und damit der Finger in die Wunde gelegt. „Es ist so schön getauft zu sein, dann tut man keine Sünden“. Tja. Und wir wissen ja genau – so einfach ist das nun auch nicht.
Heilige sind wir auch nach der Taufe nicht. Wenn auch: geheiligt. Aber aus unserer Haut schlüpfen, auf einmal fehlerlos und rein durch die Welt schweben – das wird nicht funktionieren. Aber dennoch, und da haben Torfrock recht, das ist ein ziemlich verbreitetes Bild. Für die Taufe, da muss ich schon von vornherein irgendwie heilig und rein sein, um es danach nur noch mehr zu sein.
Es ist ja kein Zufall, dass besonders die Tauffeste, die es ja auch hier in Dithmarschen im Sommer gibt, besonderen Zulauf haben. Für viele Eltern ist es leichter, ihr Kind, oder Erwachsene sich selber – taufen zu lassen, wenn das im Rahmen eines großen Festes ist. Wenn andere mit dabei sind. Wenn man nicht so exponiert allein vorn in der Kirche steht, wo man sich ohnehin schon etwas fremd fühlt und wenig – heilig.
Dabei geht es in der Taufe genau darum, eben NICHT gemessen zu werden daran, wie wir so durchs Leben kommen. Wieviel oder wenig wir leisten, wie erfolgreich wir sind oder wie oft wir scheitern. Der Zuspruch von Gottes uneingeschränkter Liebe in der Taufe steht ALLEN offen. Ohne Vorbedingungen.
Das heißt nicht, dass wir danach vor allen Fehlern und allem Schlechten gefeit sind – da haben Torfrock nicht recht, die meinen, dann tue man keine Sünden. Was aber feststeht: DASS wir geliebt sind. Unverbrüchlich. Das ist uns mit der Taufe eingeschrieben, quasi mit dem Zeichen des Kreuzes auf die Stirn gezeichnet.
„Du bist mein geliebtes Kind – an dir habe ich Freude!“ Und dieser Zuspruch steht allen offen. Ohne Vorbedingung ohne vorher sündfreiem Leben. Genau in diesem Bild vom Menschen wird im christlichen Glauben die Rede von der Gottebenbildlichkeit des Menschen begründet. Genau in diesem unabdingbaren Geliebtsein sind wir Abglanz Gottes. Leuchtet durch uns die Liebe Gottes in die Welt und zu denen hin, die so nötig Beistand brauchen.
Und genau darum geht es in der Taufe. Wir werden ganz besonders in dieses göttliche Licht hineingestellt. Ermächtigt und ermutigt, in dieser großen Gemeinschaft der Christenmenschen aus dieser Liebeszusage Gottes heraus Taten folgen zu lassen. Nicht, weil wir Gutmenschen sein sollen oder immer mit moralisch erhobenem Zeigefinger unterwegs. Nein. Wir sind nicht die besseren Menschen! Aber: Wir leben aus einer ganz besonderen Zusage heraus, die uns viel Geistkraft und vor allem eine klare innere Haltung schenkt, deutlich Position in unserer Welt zu beziehen. Für die, die es nicht allein können. Für die, die am Rand stehen. Die nicht ohne weiteres teilhaben können an unserer Gesellschaft.
Und so kommen wir jetzt von Torfrock über die Taufe und die Gotteskindschaft zu – Mohltied.
Mohltied – eines der wichtigen kirchlichen Projekte in der Nordkirche, in denen ganz viel Gottesleuchten zu finden ist. Ich durfte ja schon bei der Verleihung des Nordkirchenpreises Nordstern für herausgehobene gemeindliche Projekte – im Herbst in Travemünde dabei sein. Weil auch hier bei Ihnen – wie bei der Taufe – nur eine ganz große und bedingungslose Einladung im Raum steht. Komm rein. Setz dich. Iss was. Wärm dich auf. Erzähle, was dir auf dem Herzen liegt.
Egal wie alt du bist, wo du herkommst, ob die Kirchenmitglied bist oder nicht. Hier bist du willkommen.
Und das, ihr lieben Menschen in Wesselburen, ist so kostbar, ihr ahnt es vielleicht selber nicht. Denn worüber kaum jemand spricht: Genau so eine Einladung gibt es sonst nur ganz selten in unserer Gesellschaft. Vorbehaltlos. Ohne Prüfung des Parteibuchs, der Vereinsmitgliedschaft, der Krankenversicherung. Und auch das: Ob getauft oder nicht getauft. Ob Kirchenmitglied oder kein Kirchenmitglied. Denn das ist unser Selbstverständnis unserer evangelischen Kirche. Wir sind eine große Solidargemeinschaft. Gerufen zu Allen, die etwas vom Glanz Gottes gut gebrauchen können – für ihre Seele oder für ihren Leib.
Liebe Menschen in Wesselburen. Ihr schenkt Menschen Würde. Ihr nehmt die Scham, vielleicht doch nicht gut zu passen. Vielleicht zu wenig Geld dabei zu haben. Vielleicht zu sehr anzuecken mit den eigenen Gedanken.
Mohltied heißt: Alle sind willkommen. Alle sind dazu berufen, Gottes Glanz in diese Welt zu tragen. Wir alle.
Amen