Vor 25 Jahren feierte Hamburg seinen ersten Aids-Gottesdienst
11. Juli 2017
Das erste Mal war ein großes Ereignis: Am 12. Juli 1992 wurde in Hamburg ein evangelischer Aids-Gottesdienst gefeiert. Prominenter Gast war Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Dennoch war die Stimmung angespannt. Aids galt als Krankheit von Homosexuellen, Drogensüchtigen und Prostituierten.
Der Gottesdienst fand in der Hauptkirche St. Katharinen statt. Andere Gemeinden hatten das nicht gewollt. Es sang der "Schwule Chor Hamburg". Das Motto war "Celebrate your life".
Mittlerweile werden Aids-Gottesdienste regelmäßig in der St. Georg-Kirche am Hauptbahnhof gefeiert, im März war es der 275. Gottesdienst. Seit 2004 leitet sie Detlev Gause, Pastor der Aids-Seelsorge. Sein Vorgänger Rainer Jarchow, der seit seiner Verpartnerung den Namen Ehlers trägt, hatte 1994 als bundesweit erster Aids-Pastor seine Arbeit in Hamburg aufgenommen.
Abendmahl aus einem Gemeinschaftskelch
Gauses Themen orientieren sich an dem, was HIV-Positive bewegt, zum Beispiel "Werde ich noch einen Partner finden?". Drei Elemente gehören zum Gottesdienst: Jedes Mal berichtet jemand aus seinem Leben, die Fürbitten schreiben die Besucher während des Gottesdienstes auf kleine Zettel, und alle feiern zusammen Abendmahl. Der Wein wird aus einem Gemeinschaftskelch getrunken. "Da fühlen gerade die Betroffenen: Wir gehören dazu", sagt Gause. Im Alltag sei das oft anders, da viele Menschen nicht wissen, wie HIV eigentlich übertragen werde - und wie nicht.
Heute haben HIV-Positive Menschen eine normale Lebenserwartung
Auch medizinisch hat sich vieles verändert. Vor 25 Jahren glich eine Aids-Diagnose einem Todesurteil. Die Erkrankten starben innerhalb weniger Jahre. 1996 kamen die ersten wirksamen Medikamente auf den Markt, mussten aber alle paar Stunden geschluckt werden und schränkten das Leben sehr ein. Heute reichen ein oder zwei Tabletten pro Tag, damit HIV-Positive auf eine normale Lebenserwartung hoffen können.
HIV und Aids verschwindet aus den Medien
Als die akute Todesgefahr zurückging, verschwand das Thema auch aus den Medien. Es führt aber auch dazu, dass die Gesellschaft sehr wenig über HIV und Aids weiß - und erst recht ausgrenzt. "Früher gab es die Haltung: Ich muss bald sterben, da kann ich es auch sagen. Heute reden viele nicht mehr über HIV", sagt Gause. "Man lässt die Leute damit vereinsamen."
Auch an den Gottesdienstbesuchern merkt er das. Zu Anfang kamen 200 bis 300, jetzt sind es nur noch 50 bis 80. Dabei müsste die Zahl der HIV-Positiven größer geworden sein, seit die Betroffenen länger leben. Das größte Risiko, an HIV zu erkranken, haben nach wie vor homosexuelle Männer. Die Aidsseelsorge ist darum besonders wichtig für sie. "Sie hat einen guten Namen in der Szene", sagt Gause. "Als Aids-Pastor gehen mir überall die Türen auf."
Nächster AIDS- und Gemeidegottesdienst
Der nächste AIDS- und Gemeindegottesdienst findet anlässlich des Hamburger Christopher Street Day am 30. Juli (18 Uhr) in der St. Georgskirche am Hauptbahnhof statt. Das Thema: "Alternativen zur Diskriminierung - die Welt grenzenlos menschlich gestalten". Den Gottesdienst feiert Pastor Detlev Gause.