Internationaler Tag gegen Rassismus

Kirche gegen Rassismus: „Unser Vorbild muss Jesus Christus sein“

Am 21. März ist Internationaler Tag gegen Rassismus. Der Kampf gegen Ausgrenzung und Diskriminierung ist ein Thema für die gesamte Gesellschaft und unser Zusammenleben.
Am 21. März ist Internationaler Tag gegen Rassismus. Der Kampf gegen Ausgrenzung und Diskriminierung ist ein Thema für die gesamte Gesellschaft und unser Zusammenleben.© melitas_istock

20. März 2024 von Claudia Ebeling

Kirche muss ein sicherer und lebendiger Ort für alle Menschen sein – egal welche Hautfarbe sie haben. Doch die Realität sieht anders aus. Auch in unserer Kirche sind Menschen von Rassismus betroffen und es werden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder vermeintlichen Herkunft ausgegrenzt.

Nicolas Moumouni ist seit Januar 2023 Referent für Interkulturelle Kirchenentwicklung im Ökumenewerk der Nordkirche. Mit seiner Stelle will er die strukturellen Veränderungen in der Nordkirche vorantreiben, damit sie zu einem Ort wird, an dem alle Menschen unabhängig von ihrer Sprache, Kultur, Herkunft oder religiösen Tradition eine Heimat haben.

Nicolas Moumouni, Referent für Interkulturelle Kirchenentwicklung
Im Januar 2023 hat Nicolas Moumouni sein Amt als Referent für Interkulturelle Kirchenentwicklung angetreten. Seine Stelle ist Teil des Gesamtkonzeptes der Nordkirche, eine offene Kirche für alle Menschen zu sein.© privat

Solidarität im Sinne von Jesus Christus

„Es geht hier um Solidarität unter und mit allen Menschen – im Sinne unseres allergrößten Vorbildes: Jesus Christus“, betont Nicolas Moumouni.

Internationale Wochen gegen Rassismus: Kirchen und Diakonie laden zu Veranstaltungen ein

Jesus habe sich wie kein anderer für marginalisierte Menschen eingesetzt und jede und jeden angenommen, wie er oder sie ist. Nicolas Moumouni:

Christus war selbst ein BIPoC und muss heute auch als solcher wahrgenommen werden.

Seit Jahrhunderten überlieferte Traditionen müssen heute hinterfragt werden, betont er. 

Anlauf- und Beratungsstellen nötig

Ein erster wichtiger Schritt wäre seiner Meinung nach eine Anlauf- und Beratungsstelle in unserer Kirche für Menschen, die von Rassismus negativ betroffen sind oder Vorfälle melden und aufklären wollen.

„Wir haben bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch gesehen, wie entscheidend solche Meldestellen sind." Er sagt weiter: 

Da wo keine Strukturen vorhanden sind, keine Zahlen erfasst werden, bleibt Rassismus unsichtbar.

Miteinander statt Nebeneinander

Eine weitere Möglichkeit Rassismus zu verlernen, sei ein Miteinander anstelle eines Nebeneinanders in der Kirche.

Wissensblog der Evangelischen Medienakademie zum Thema: Rassismus verlernen - ein Anfang

Die weiße Mehrheit und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte oder BIPoC müssen sich begegnen und Prozesse ihres Miteinanders aushandeln. Sonst gelinge es nicht, das Ideal eines „neuen Wir“ zu realisieren. „Schließlich leben wir in einer pluralen und superdiversen Gesellschaft.“

Denkanstoß: Worte und Begriffe überprüfen

PoC

Person of Color (Plural: People of Color) ist eine Bezeichnung für Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft als nicht-weiß gelesen werden, und die aufgrund ihrer ethnischer Zugehörigkeit Alltags- und anderen Formen von Rassismus ausgesetzt sind. In Deutschland wird der Begriff bisher eher im akademischen Kontext und als Selbstbezeichnung verwendet.

People of Color bezieht sich auf alle ethnisierten Menschen, die zu unterschiedlichen Teilen afrikanischer, asiatischer, lateinamerikanischer, arabischer, jüdischer, indigener oder pazifischer Abstammung oder Herkunft sind. Es verbindet diejenigen, die von der weißen Dominanzkultur ausgegrenzt werden, um antirassistische Interventionen und Allianzen zu stärken.

BIPoC

steht für Black, Indigenous, People of Color und ist eine politische Selbstbezeichnung. Sie verweist auf Menschen mit Rassismuserfahrungen. Der Begriff gibt Menschen mit Rassismuserfahrungen eine Community und Raum für Aktivismus, Schutz und Empowerment.

Gleichzeitig macht er die Vielfältigkeit von Rassismuserfahrungen unterschiedlicher Menschen sichtbar und ermöglicht solidarische Bündnisse über die Grenzen marginalisierter Communitys hinweg.

Mikro-Aggressionen

Mikroaggressionen sind kurze Bemerkungen oder längere Kommentare, Fragen sowie verbale oder nonverbale Handlungen, die überwiegend marginalisierte Gruppen treffen und negative Stereotypen verfestigen. Sie können sowohl absichtlich als auch unabsichtlich geäußert oder getätigt werden. Obwohl sie oft nicht verletzend gemeint sind, können sie dazu führen, dass sich Menschen unsicher und unwohl fühlen.

Mikroaggressionen mögen im Moment klein oder unbedeutend erscheinen, aber sie summieren sich, fühlen sich wie andauernde „kleine Stiche" an und können Menschen das Gefühl geben nicht dazuzugehören. Rassistische Mikroaggressionen können zugleich aber auch feindselige oder abfällige rassistische Beleidigungen und Kränkungen gegenüber BIPOC sein.

Othering

Der Begriff Othering (aus dem engl. other = “andersartig” - Andersmachung) beschreibt die Distanzierung und Differenzierung von anderen Gruppen, um seine eigene ›Normalität‹ zu bestätigen. Das Konzept des Othering ist aus dem Kontext der postkolonialen Theorie.

Othering bedeutet auch, dass Menschen oder Gruppen negative Eigenschaften zugeschrieben werden, die sie von der wahrgenommenen normativen sozialen Gruppe unterscheiden. Othering ist ein ständiger Akt der Kategorisierung und letztlich eine Unterscheidung zwischen "uns" und "den anderen".

Beispiele sind: „Wo kommen Sie her?“ „Wo kommen ihre Eltern her?“ „Ich war schon mal in Afrika….“

"Vor Gott sind alle Menschen gleich", heißt es in der Bibel. Deswegen muss unsere Kirche ein offener und sicherer Ort für alle Menschen sein.© annaspoka_istock

Missionsgeschichte aufarbeiten

Dafür brauche es in der Organisation Kirche auch Selbstkritik, Strukturen und Privilegien müssten hinterfragt werden.

Auf dem Campus Breklum des Ökumenewerks arbeitet Daniela Konrädi als Referentin für rassismuskritische Bildungsarbeit

Machtkritisch und aus einer postkolonialen Haltung müsste Kirche dringend ihre Missionsgeschichte aufarbeiten. Wo hat sie aktiv oder passiv am kolonialen Geschehen mitgewirkt? Wo sind die Kontinuitäten in kirchlichen Strukturen bis heute noch sichtbar?

Daniela Konrädi
Pastorin Daniela Konrädi erläutert, warum es nötig ist, dass Kirche sich selbst kritisch hinterfragt. © Hübner, Nordkirche

Wichtige Frage: Personalentwicklung

Es gebe zudem zu viele Beschränkungen, die People of Colour daran hinderten, sich in unserer Kirche zu engagieren oder hier zu arbeiten.

Eine Organisationsentwicklung, wie die Nordkirche sie mit ihrem Gesamtkonzept zur Interkulturellen Entwicklung anstrebt, sei auch eine Frage des Personals. „Die Diakonischen Werke sind aus unterschiedlichen Gründen da schon weiter“, erläutert Nicolas Moumouni, der bis 2022 im Diakonischen Werk Hamburg Referent für Migration und Integration war.

Examen und Zertifikate anerkennen

Pastor:innen in den vielen internationalen Gemeinden haben ihr Studium an theologischen Hochschulen in ihren Heimatländern absolviert oder hier im Land an verschiedenen Weiter- und Fortbildungen in unseren Akademien teilgenommen.

„Sie leisten enorm wertvolle Arbeit in der Seelsorge in den internationalen Gemeinden oder der Begleitung und Beratung von Geflüchteten – und das alles ehrenamtlich“, berichtet Nicolas Moumouni.

Sie hätten trotz Mitgliedschaft und Mitwirkung im Internationalen Kirchenkonvent keine Möglichkeit, eine reguläre Stelle in unserer Kirche für ihre Arbeit zu bekommen.

Räume teilen mit internationalen Gemeinden

Gleiches gelte für das Teilen von Ressourcen, zum Beispiel bei Räumen: „Unsere Kirche weiß seit langem, dass internationale Gemeinden nach Räumen schreien und teilweise zu Wucherpreisen vorhandene Räume in unseren Kirchen nutzen. Das müsste ein sofortiges Ende im Namen der Nächstenliebe finden“, fordert er.

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