Analyse und Steuerung für eine sichere Zukunft
25. Februar 2021
Die "Königsdisziplin" des Finanzausschusses der Landessynode ist die Vorbereitung des Haushaltsentwurfs. Doch zum Arbeitsfeld gehören noch viele weitere Aufgaben. Im Interview erklärt Michael Rapp, Vorsitzender des Finanzausschusses, woran er arbeitet, was ihn dabei motiviert – und wo er Verbesserungspotenzial sieht.
Herr Rapp, Sie sind Vorsitzender des Finanzausschusses der Landessynode. Was genau sind Ihre Aufgaben beziehungsweise die des Ausschusses?
Der Finanzausschuss ist eines der wichtigsten Gremien der Synode. Er ist zuständig für alles, was man unter "finanziellen Auswirkungen" analysieren und einordnen könnte. Dazu gehört zuallererst die Vorbereitung der Abstimmung über den Haushalt, die "Königsdisziplin", die sich über einige Monate erstreckt.
Umfassendes Mitspracherecht bis hin zur Haushaltssperre
Wenn Sie die Königsdisziplin ansprechen, gibt es sicherlich auch noch andere. Was erarbeitet Ihr Gremium noch, was möglicherweise gar nicht von außen wahrgenommen wird?
Es gibt ja eine Vielzahl von Teilhaushalten, wie zum Beispiel die der Hauptbereiche. Dem Finanzausschuss ist von der Synode eine besondere Kompetenz erteilt worden, diese Haushalte final zu genehmigen oder außerplanmäßige Ausgaben gemeinsam mit der Kirchenleitung zu bewilligen bis hin zu einer möglichen Haushaltssperre. Wir sind etwa auch an allen Vorschriften zu Geld- und sonstigen Anlagen beteiligt, in Zeiten des "Nullzinses" durchaus eine Herausforderung, um Spekulationen von vornherein zu minimieren.
Und die Zusammensetzung des Aussschusses erfolgt wie genau? Wird man gewählt oder aufgrund seiner Erfahrung berufen?
Die Mitglieder werden aus der Mitte der Synode, mehrheitlich ehrenamtlich, gewählt, es folgt also keine Berufung. Nur der oder die stellvertretende Präses sind gesetzt. Sicher schaden Vorkenntnisse nicht, aber sie sind eben keine Voraussetzung. Ich selbst bin seit 2009 Mitglied des Finanzausschusses.
2020/21 sind besondere Jahre: Die Pandemie sorgt unter anderem durch gestiegene Arbeitslosenzahlen und Insolvenzen für sinkende Kirchensteuereinnahmen. Aus Ihren Erfahrungen gesprochen: Vor welche Herausforderungen stellt die Krise die Nordkirche auf lange Sicht?
Es muss gelingen, verfassungsgemäße Aufgaben unserer Kirche mit den aktuellen Anforderungen zu verknüpfen, auch Regeln zu ändern. Die befürchtete Entwicklung aus der Freiburger Studie hat uns leider durch die Pandemie bereits zehn Jahre früher erreicht. In wenigen Jahren wären zum Beispiel die Rücklagen im Bereich Leitung und Verwaltung verbraucht, wenn wir nicht gegensteuern. Und uns fehlt an manchen Stellen auch der Mut, um dieser Entwicklung entschiedener entgegenzutreten.
Gefordert ist ein langer Atem
Sprechen Sie damit härtere Sparmaßnahmen an – oder sehen Sie noch andere Möglichkeiten, den sinkenden Kirchensteuern effektiv entgegenzutreten?
Es gilt beide Seiten im Blick zu halten, die Einnahmen und die Ausgaben. Um neue Einnahmequellen zu erschließen oder zu verstärken, bräuchten wir einen langen Atem, ganz neue Wege, auch Investitionen, um unsere Mitglieder und Kirchennahe wieder mehr an uns heranzuführen.
An anderen Stellen sind beherzte Maßnahmen erforderlich, ganz einfach mal zu verzichten auf manches Liebgewonnene, das wir uns wirklich nicht mehr leisten können. Wir "pflegen" eine sehr komplexe Verteilung unserer Einnahmen auf allen Ebenen der Nordkirche. Es gibt Zahlungsströme auf Ebene der Landeskirche, die sich auch Eingeweihten nicht immer erschließen, gegenseitige Verrechnungen etwa – aber so ist es eben in einer sehr föderal organisierten großen Landeskirche.
Können Sie ein konkretes Beispiel dafür nennen, was "straffer" organisiert werden könnte?
Es gibt auf etlichen Feldern unserer Kirche Doppelstrukturen, die sich teilweise aus einem zu teuren Selbstverständnis heraus über viele Jahre entwickelt haben. Zwei Beispiele: Wir haben eine ziemlich uneinheitliche IT-Landschaft und eine Vielzahl von nur in einzelnen Kirchenkreisen geltenden Satzungen und Verordnungen.
Ich wünsche mir ein durchgängiges Controlling und verbindliche Standards, um die Arbeitsaufteilung zwischen Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und der Landeskirche zu vereinfachen. Solche Änderungen sollten für alle Körperschaften verpflichtend sein. Das bedeutet mehr Mut zur Kompetenzverlagerung und weitere Budgetierung für Verwaltungseinheiten. Daraus folgt aber auch, dass die Kirchensteuern den Aufgaben folgend neu verteilt werden müssten.
Ich finde, dass Föderalismus, so wie wir ihn leben, in unsere Zeit passt, aber immer wieder entschlackt werden muss.
Einer, der sich unbequemen Wahrheiten stellt
Mal eine ganz persönliche Frage: Was motiviert Sie zur Arbeit im Finanzausschuss?
Hier kann ich meine beruflichen Erfahrungen aus einer Großbank sinnstiftend einbringen. Fäden zusammenbinden zwischen Synode, Landeskirchenamt und Hauptbereichen – das motiviert mich. Was mich als Ehrenamtlicher bindet, ist aber auch der wertschätzende Umgang miteinander und das professionelle Rollenverständnis zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. So wird es möglich, gemeinsam Weichenstellungen zu planen, Entscheidungen zu begleiten, auch unkonventionelle Fragen zu stellen – und somit als Organ die notwendige Freiheit zu behalten.
Das bringt Freude, erfüllt und lässt Verbundenheit wachsen. Zudem habe ich gelernt, dass man Konflikten und unbequemen Debatten nicht einfach ausweichen sollte. Denn wir brauchen in diesen Zeiten immer ein klares Profil, Geschlossenheit, vor allem aber Standhaftigkeit. Ich bevorzuge eher den leisen Ton, stehe aber auch dafür, mal deutlich nein zu sagen und Unangenehmes immer wieder anzusprechen.
Bessere Vernetzung ist das Ziel
Wenn wir gerade dabei sind, Unangenehmes zu thematisieren: Wo sehen Sie denn konkret noch Verbesserungspotenzial?
Wir könnten selbstkritischer sein. Gerade in dem Punkt "gegenseitige Unterstützung" gibt es noch zu viele Grenzen – etwa in der übergreifenden Zusammenarbeit von Landeskirche, Kirchenkreisen und Gemeinden. Dennoch: Die Pandemie hat gezeigt, dass wir uns vernetzen können – wenn wir es denn wollen.
Das Zweite ist, dass wir unsere öffentliche Wahrnehmung stärken müssen. Die Wahrscheinlichkeit eines Kirchenaustritts sinkt gegen null, wenn ein Kirchenmitglied den Pastor, die Pastorin auch nur namentlich kennt oder sie oder ihn schon mal von Ferne gesehen hat. Wir müssen also ein großes Interesse daran haben, diese Präsenz vor Ort dauerhaft zu stärken. Zur öffentlichen Wahrnehmung gehört meiner Meinung nach aber auch, dass wir mehr tun müssen, um diejenigen zu erreichen, die uns den Rücken zugekehrt haben oder gerade mit dem Austrittsgedanken spielen. Was hat Kirche Ihnen ganz konkret und heute zu bieten? Das müssen wir in den Vordergrund stellen.