Bischof Abromeit spricht bei Reformationskongress in Danzig
18. Mai 2017
Gdánsk (Danzig)/Greifswald. Jenseits von einer Glorifizierung oder Verdammung Martin Luthers plädierte Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit heute bei einem Vortrag in Danzig für eine ausgewogene Sicht auf den Reformator: „Sicher ist heute manches kritisch zu sehen, was Martin Luther gesagt und geschrieben hat. Doch wir müssen anerkennen, dass die moderne Welt ohne ihn nicht denkbar ist. Luther entdeckte die Gnade Gottes neu, aus der die Freiheit des Einzelnen erwächst. Gleichzeitig betonte er die Verantwortung, die der Mensch gegenüber Gott, dem Nächsten und sich selbst hat.“ Der Greifswalder Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche eröffnete heute Vormittag (18. Mai) einen Reformationskongress in der Danziger Universität.
Bei dem Kongress, der noch bis morgen dauert, wird auch Jerzy Buzek sprechen, der evangelische ehemalige polnische Ministerpräsident und Präsident des Europäischen Parlaments von 2009 bis 2012. Die Veranstaltung ist Teil der Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen. Eingeladen hatte Professor Marcin Hintz, der Bischof der Diözese Pomorsko-Wielkopolska.
Das Thema Eigenverantwortung spiegele sich vor allem in dem „gewaltigen Bildungsprogramm“ wider, dass durch die Reformation ausgelöst wurde. Bischof Abromeit führte aus: „Luther und die Reformatoren wurden nicht müde, für die Einrichtung von Schulen zu werben. Der Hintergedanke war, dass hier tatsächlich mündige Christenmenschen herangezogen und ausgebildet werden. Die Jungen und Mädchen sollten selber sprachfähig werden, was den eigenen Glauben betrifft.“
Es sei kein Wunder, dass gerade lutherisch geprägte Länder lange Schultraditionen hätten. „Die stark lutherisch geprägten Gesellschaften Skandinaviens gelten als vorbildlich in ihren Bildungssystemen. Die Menschen zum Lernen und zum Lesen bewegen, lag Luther sehr am Herzen. Gerade in den Städten wurde dies meisterhaft umgesetzt, sie wurden zu Keimzellen der geistigen Erneuerung“, so Bischof Abromeit. Doch die Absicht Luthers, durch Bildung eigenes Denken zu ermöglichen, sei im Laufe der Jahre auch verfälscht worden. So habe Luther beabsichtigt, dass die Kinder selbst Antworten auf die Fragen zu den zehn Geboten, dem Vaterunser oder den Sakramenten finden, die er in seinem Kleinen Katechismus stellt. „Nun waren aber Luthers Beispielantworten so klug, pointiert und zugleich allgemein verständlich, dass Katechismus-Unterricht später meist bedeutete, dass man Luthers Katechismus auswendig lernt. Es ist sicherlich auch gut, diesen wunderschönen und glaubenssatten Text im Herzen zu tragen. Doch die eigentliche Intention Luthers war, dass an den Schulen das eigene Denken und das eigene Glauben gelehrt und gelernt werden“, sagte Abromeit in der Aula der Danziger Universität.
Die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen, deren Wurzeln bis in die Reformationszeit im 16. Jahrhundert gehen, hat heute noch rund 70.000 Mitglieder und macht damit weniger als ein Prozent der 38 Millionen Polen aus. Neben Jerzy Buzek ist auch der Skispringer Adam Malysz ein prominenter Lutheraner.