Abschluss der Ausbildung zur Geistlichen Begleitung

Bischof Jeremias: „Wir brauchen innere Sammlung in einer orientierungslosen Gesellschaft“

Bischof Jeremias (von links) mit Pastor Frank Puckelwald und Erika Fischer von der Schwesternschaft Ordo Pacis sowie Pastorin Magda Hellstern-Hummel. Sie sind für die Ausbildung der Geistlichen Begleiterinnen und Begleiter zuständig und freuen sich über 14 Abschlüsse.
Bischof Jeremias (von links) mit Pastor Frank Puckelwald und Erika Fischer von der Schwesternschaft Ordo Pacis sowie Pastorin Magda Hellstern-Hummel. Sie sind für die Ausbildung der Geistlichen Begleiterinnen und Begleiter zuständig und freuen sich über 14 Abschlüsse. © Howe, Nordkirche

03. Mai 2022 von Annette Klinkhardt

Die Nordkirche hat 14 neue Geistliche Begleiterinnen und Begleiter: Am Wochenende feierte Bischof Tilman Jeremias den Abschluss der Langzeitausbildung dieser Frauen und Männer mit einem Gottesdienst im Güstrower Dom. Sie seien ein sehr wichtiger Bestandteil dieser Kirche, betont er.

Zur Ausbildung gehören zehn Tage Schweigeexerzitien, Kurstage zum Segnen oder zum Körpergebet und ein Praxisprojekt in der eigenen Kirchengemeinde. Es sei ein  „Weg in den Kern des christlichen Glaubens“, so der Bischof beim festlichen Gottesdienst. 

„Wir brauchen betende Menschen“

Im Namen der Nordkirche dankte er den haupt- und ehrenamtlich Engagierten: „Wir brauchen so dringend innerliche Sammlung in einer orientierungslosen und zerstreuten Gesellschaft, wir brauchen Stille in einer durch Kriegslärm verseuchten Welt, wir brauchen betende Menschen in unserer Kirche.“

Dabei fand der Bischof auch kritische Töne gegenüber mancher Schwerpunktsetzung der Nordkirche: „Wir sind stark aufgestellt im Einsatz für den Klimaschutz oder den Frieden. In diesem Engagement geht uns nach meinem Eindruck immer wieder einmal die Mitte verloren. Und diese Mitte kann niemand sein als Jesus Christus.“

So wirkt der Heilige Geist                                        

Bereits zum fünften Mal hat Pastor Frank Puckelwald vom nordkirchlichen Amt für Gemeindedienst die Fortbildung mitgeleitet. Bei diesen Kursen, so der Pastor, könne man dem „Heiligen Geist bei der Arbeit zuschauen“.

 „Für mich ist der stärkste Moment immer, wenn am Ende der Ausbildung deutlich wird, was in den Einzelnen an Verwandlung geschehen ist, wie mutig sie geworden sind. Wenn etwa eine Bürokauffrau sagt, ich kann mich jetzt vor eine Gruppe stellen und die Menschen segnen. Sie hat in sich diesen Schatz, den Zugang zu dieser Kraft gefunden, weil sie sich selbst gesegnet fühlt.“

Geistliche Begleiter stehen in langer Tradition

Geistliche Begleitung, so der Pastor, habe es im Christentum seit den ägyptischen Wüstenvätern vor fast 2000 Jahren über die Mystikerinnen des Mittelalters bis heute immer gegeben. Nach 12 Jahren als Seelsorger in der Stiftung Das Rauhe Haus und fünf Jahren als Leiter des Kirchencafés Kreuz und Quer an der Hauptkirche St. Petri in Hamburg ist er heute als Pastor im Gemeindedienst der Nordkirche zuständig für geistliches Leben, insbesondere für Meditation und Körperarbeit.

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Sandra Limke hat die Ausbildung zur Geistlichen Begleiterin absolviert. Im Ehrenamt hat sie auch schon vorher sehr gerne seelsorgerisch gearbeitet. © Privat

Die Fortbildungen in Güstrow leitet er gemeinsam mit Erika Fischer von der Schwesternschaft Ordo Pacis und seiner Kollegin Pastorin Magda Hellstern-Hummel.

Wenn das alte Gottesbild nicht mehr trägt

Im Gegensatz zu einer Psychotherapie sei der Anlass für eine Geistliche Begleitung nicht unbedingt eine Lebenskrise: „Am Anfang steht oft eine Sehnsucht: Menschen wünschen sich Begleitung, wenn ihr altes Gottesbild nicht mehr trägt, etwa weil der liebe Gott aus Kindertagen nicht mit erlebtem Leid zusammenpasst. Dann kann diese Form der Wegbegleitung über einen längeren Zeitraum einen neuen Horizont eröffnen. Dabei geht es darum, wie die Mystiker es genannt haben, dass Christus in uns Gestalt gewinnt.“

Die Nachfrage sei ungebrochen: „Für den nächsten Ausbildungskurs haben wir schon mehr Anmeldungen als Plätze. Das hat auch damit zu tun, dass zunehmend mehr Menschen in unserer eher verkopften evangelischen Kirche sagen, es muss etwas geben, was mich in meiner Seele erreicht und hilft, meinen Glauben auch im Alltag zu leben“, so der Theologe. 

Dies funktioniere nicht, indem man dem anderen sagt, wie es richtig geht. „Sondern, indem wir Räume schaffen, in denen das Heiligste erfahren werden kann.“ Zunehmend mehr Menschen interessierten sich für den Kurs, die nicht hauptamtlich für die Kirche arbeiten.

Wie gut es tut, wenn jemand für einen betet

Eine von ihnen ist Sandra Limke: Die 53-jährige Maschinenbauingenieurin für Energietechnik aus der Nähe von Flensburg engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Kirchengemeinde Nieharde. Sie leitet dieses Jahr zum wiederholten Male eine Pilgergruppe in Norwegen auf dem Olavsweg und hält nach einer dreijährigen Ausbildung zur Prädikantin (Laienpredigerin) ehrenamtlich Gottesdienste.

Eine Motivation, sich zur Geistlichen Begleiterin ausbilden zu lassen, sei gewesen, dass Menschen immer wieder auf sie zugekommen seien: „Ich habe eigentlich schon lange Menschen seelsorgerlich begleitet und war auf der Suche nach einer fundierten Ausbildung, in der ich das Handwerkszeug dafür erhalte. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie gut es tut, jemanden zu haben, der ein Stück mitgeht, einfach zuhört und mit einem und für einen betet.“

Raum für Erfahrungen bieten

Sie ist überzeugt: „Unser christlicher Glaube besteht nicht nur aus Denken und der Predigt, sondern aus vielen anderen Formen, die uns in Kontakt zu Gott bringen können. In Güstrow konnten wir ausprobieren, welche Formen zu uns passen. Ich habe das meditative Tanzen für mich entdeckt, was mir davor sehr fremd war.“

Geistliche Begleitung habe sehr viel mit Vertrauen in den Heiligen Geist und Zutrauen zu den Menschen zu tun: „Obwohl es in unserer Gesellschaft einen Hunger nach Spiritualität gibt, trauen viele den Kirchen solche Angebote gar nicht mehr zu, was sehr schade ist. Auf der anderen Seite trauen die Kirchen ihren Mitgliedern oft zu wenig zu: Wir regeln so viel und lassen so wenig Raum für Erfahrungen.“

 

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