Bischof Magaard: "Der Glaube trägt sich nicht selbst"
12. Juli 2019
„Was macht christliches Leben aus?“ – zu dieser Frage sprach Bischof Gothart Magaard in der Vortragsreihe „Religion in der Nachbarschaft – Leben und Glauben im Alltag“ in der Eckernförder Nicolaikirche, in der auch gerade die Ausstellung #Religramme zu sehen ist.
„Der feinste Humor zeigt sich in unserer Fähigkeit, über uns selbst lachen zu können. Wie wurden wir jüngst in der Abschlusspredigt des Kirchentages bezeichnet? ‚Gottes geliebte Gurkentruppe’. Ich finde mich darin wieder. Sie vielleicht auch?“
Humor gehört zum christlichen Leben dazu
Der dies vor dem Publikum in Eckernfördes Nicolaikirche fragte, wollte die Ernsthaftigkeit eines christlichen Lebens beileibe nicht weglachen. Doch Gothart Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein, sollte die Frage beantworten, was christliches Leben für ihn ausmache – und dazu gehört in seinen Augen auch der Humor, „diese feine und feinsinnige Weise, zu sich selbst in Distanz zu gehen“.
Veranstaltungsreihe "Religion in der Nachbarschaft"
Magaard war der dritte Redner in der Veranstaltungsreihe „Religion in der Nachbarschaft“. Sie begleitet über vier Wochen hinweg die Ausstellung „#Religramme“ in St. Nicolai, die mit 20 Porträts von 20 Glaubensrichtungen buchstäblich Gesicht zeigt und den Dialog zwischen ihnen stärken soll. Walter Joshua Pannbackers Gedanken zu „Jüdisch leben“ eröffneten die Reihe, Ursula Hegger setzte mit „Buddhistisch leben“ fort, kommenden Donnerstag wird sie Abu Ahmed Jakobi mit dem Thema „Muslimisch leben“ beschließen. Diese Woche nun also: der evangelisch-lutherische Bischof.
"Gesang und das gemeinschaftliche Gebet gehören zu seinem Christsein"
Er wollte das Thema „Christlich leben“ aus seiner persönlichen Perspektive erörtern, als Christ, als Bischof und in der heutigen Zeit. Und daher wob Gothart Magaard mehrere Beispiele aus seinem eigenen Leben und Erleben ein. So müsse er „wieder und wieder erzählen von der Musik – vom Hören und Mitsingen und davon, dass verschiedene Stimmen erst den ganzen Reichtum der vielfältigen Weisen christliches Leben zu gestalten erfahrbar machen“. Der Gesang und das gemeinschaftliche Gebet gehörten zu seinem Christsein, so Magaard, seit er Mitte der 1970er Jahre als Zivildienstleistender anderthalb Jahre im französischen Taizé verbracht habe. „Verschiedene Stimmen machen erst den ganzen Reichtum der vielfältigen Weisen erfahrbar, christliches Leben zu gestalten.“
Vom Mut, unkonventionell zu sein
In den Sterbehäusern Kalkuttas wiederum habe er gelernt, „dass ein christliches Leben nicht auf Inseln der Glückseligen geführt werden kann, wenn rundherum das Leben abgründig ist. Für viel zu viele Menschen. Bis heute. Mitten unter uns.“ Christliches Leben benötige daher auch „den Mut, unkonventionell und, wo es um des Evangeliums willen nötig ist, auch politisch zu sein, das Wagnis zu wagen, christlich, anders, wo nötig gegen den Strom zu leben“, sagte Magaard. Die Lektüre der Bibel ermutige dazu.
Kein abgeschlossener Akt starrer Rituale
Das christliche Leben ist überdies kein abgeschlossener Akt voller starrer Rituale. Es bedürfe der ständigen und bewussten Vergewisserung, sagte Magaard: „Der Glaube trägt sich nicht selbst.“ Wir könnten uns eine solche Vergewisserung nicht verordnen, ihr aber Raum geben. Und dann spreche Gott uns an: „durch vertraute Melodien, durch gute Worte, durch einen Segen, durch diesen einen Satz in einer Predigt, der uns eine neue Welt öffnet“.
Gemeinschaft und das Für-Sich-Sein gehören zum christlichen Leben
Zum christlichen Glauben gehöre Gemeinschaft wie etwa beim Singen oder auf dem Kirchentag – doch eben auch das Für-Sich-Sein, so Magaard: „Es ist nötig, dass ich mich vor Gott spüre, als Individuum, als Geschöpf, ganz unverstellt: ohne Maske, ohne Scham, ohne Schauspiel oder Fassade.“ Er denke da „an die Menschen, die ganz für sich eine Kerze entzünden, an die, die sich im Gottesdienst ein wenig abseits hinsetzen, oder an die vielen Pilgerinnen und Pilger, die Gott und sich selbst im Gebet und in der Meditation, im Gehen und Schweigen auf die Spur kommen.“
"Gott ist ein Freund des Lebens"
Als Tourismuspastorin Brigitte Gottuk ihn fragte, wie er sich denn verabschieden wolle, da lächelte Gothart Magaard. Drei Strophen von „Der Mond ist aufgegangen“ konnten alle auswendig. Für die meisten war das Lied im weiten lichten Raum von St. Nicolai sicher der gute Ausklang eines lehrreichen Abends – und dem Einen oder der Anderen wohl auch eine Vergewisserung. Wie hatte Magaard zuvor festgestellt? „Gott, meine Damen und Herren, ist ein Freund des Lebens.“