Gedenkfeier zu Rostock-Lichtenhagen

Bundespräsident Steinmeier ruft zu "verbaler Abrüstung" auf

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am 25. August Rostock-Lichtenhagen. Er nannte die rassistischen Übergriffe vor 30 Jahren "eine Schande für unser Land" und mahnte zu mehr Frieden und Solidarität im Umgang miteinander.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am 25. August Rostock-Lichtenhagen. Er nannte die rassistischen Übergriffe vor 30 Jahren "eine Schande für unser Land" und mahnte zu mehr Frieden und Solidarität im Umgang miteinander. © epd-bild/Meike Böschemeyer

26. August 2022

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum zum 30. Jahrestag der rassistischen Ausschreitungen in Lichtenhagen die Hansestadt Rostock besucht. In seiner Rede anlässlich der Gedenkfeier forderte er, Konsequenzen aus den damaligen Ereignissen für hitzig geführte Debatten in der Gegenwart zu ziehen.

Die Ausschreitungen im August 1992 in Rostock seien „eine Katastrophe mit Ansage“ gewesen, sagte Steinmeier bei der Gedenkveranstaltung am 25. August in Rostock. Die Krawalle „gediehen auf dem Boden einer teils hasserfüllten Debatte“, sagte er. Staat und Zivilgesellschaft rief er dazu auf, Lehren zu ziehen.

"Eine Schande für unser Land"

Der Bundespräsident erinnerte daran, dass bereits vor den Ausschreitungen in Rostock, bei denen durch Brandanschläge auf ein Wohnheim 150 Menschen in akute Lebensgefahr gerieten, Angriffe auf Ausländer stattgefunden hatten. Die Ausschreitungen in Rostock bezeichnete er als „die schlimmsten rassistischen Übergriffe seit der Gründung unseres Landes“. Bis heute entsetze ihn, dass der Rechtsstaat, der die Pflicht hatte, die Menschen zu schützen, die Bedrohten alleingelassen habe. „Was in Rostock geschah, war eine Schande für unser Land.“

Steinmeier erinnerte auch an das damalige gesellschaftliche Klima, in dem rechtsradikale Parteien im Aufwind gelegen hätten. „Die Rhetorik auch der Parteien im demokratischen Spektrum war ressentimentgeladen“, sagte er. Als Konsequenz forderte er, zu erkennen, dass Worte Waffen sein könnten. „Es gilt also, verbal abzurüsten“, sagte Steinmeier und verwies auf kontroverse Debatten in sozialen Netzwerken.

Wunsch nach friedfertigem Umgang 

Zudem forderte Steinmeier den Verzicht auf Hetze und Gewalt in Auseinandersetzungen, und denjenigen Schutz zu bieten, die potenziell Opfer sind. „Es gilt für uns alle, wachsam zu sein für haarfeine Risse im Zusammenleben, wehrhaft gegen die Feinde dieser Gesellschaft und friedfertig im Umgang miteinander und solidarisch mit den Bedrohten“, sagte Steinmeier.

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Das "Sonnenblumenhaus" in Rostock-Lichtenhagen. Hier ist eine vietnamesisch-deutsche Begegnungsstätte untergebracht, die nach Angriffen auf Ausländer im Jahr 1992 eingerichtet wurde.© epd-Bild

Der Bundespräsident legte während seines Besuchs zusammen mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig Sonnenblumen vor dem elfstöckigen Gebäude ab, indem sich vor 30 Jahre die Aufnahmestelle für Asylsuchende befand. Das heute unter Denkmalschutz stehende „Sonnenblumenhaus“ ist seit den Ausschreitungen bundesweit bekannt. Steinmeier bezeichnete es als Mahnmal. 

Tempelbesuch in Lichtenhagen

Bei seinem Besuch traf Steinmeier im Stadtteil- und Begegnungszentrum Lichtenhagen unter anderem Schülerinnen Schülern und Anwohnender zum Gespräch. Danach besuchte er den vietnamesisch-buddhistischen Tempel „Loc Uyen“, ein Ort des Austausches aller Religionsgemeinschaften in Lichtenhagen.

Die Nordkirche nahm die Gedenktage in Rostock-Lichtenhagen zum Anlass, eine Infotour unter dem Motto "Menschenrechte auf der Flucht" durch Norddeutschland zu starten. Sie macht auf die prekäre Lage vieler Flüchtlinge in Europa und Europas Grenzen aufmerksam. 

Hintergrund

Vom 22. bis zum 26. August 1992 gab es im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen schwere rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Ausschreitungen. Im Verlauf der vier Tage gerieten dabei 150 Menschen in akute Lebensgefahr, nachdem ein Wohnhaus ehemaliger vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter in Brand gesetzt worden war. Mehr als 200 Polizisten wurden verletzt, einer davon schwer.

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