Die Kirche, die da ist, wo du bist
19. November 2017
Wer die englische Bezeichnung „Pop up“ hört, denkt vielleicht zuerst an diese Bilderbücher, deren kunstvoll gefalteten Elemente „herausspringen“, wenn die Seiten geöffnet werden. Oder an Pop up-Fenster, die sich einfach über Inhalte schieben, wenn man gerade durchs Internet surft. Aber Pop up und Kirche? Das gibt’s jetzt auch und heißt „popupchurch“.
Tia Pelz, Christian Gründer und Jonas Goebel, drei Vikare aus Hamburg, haben sich beim gemeinsamen Ausbildungsseminar in Ratzeburg gefragt: Wie kann Kirche aussehen für Menschen, die nicht in unsere ‚normalen‘, verlässlichen Gottesdienste kommen, aber trotzdem offen für Spirituelles sind?
„Wir dachten an Menschen, die sagen: ‚Ich will nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen und kann so etwas auch gar nicht zusagen‘“, sagt Jonas Goebel. „Popupchurch ist die Idee, dass Kirche unverlässlich immer mal wieder woanders ‚aufpoppt‘.“ Im Park, in einem Club oder im Café. Menschen, denen die Verbindlichkeit der traditionellen Kirche nicht so zusagt, kommen spontan an anderen Orten zusammen. Und feiern dort gemeinsam eine andere Form des Gottesdienstes.
Noch in der Findungsphase
Auf der Website wirkt das zunächst etwas mysteriös. Ein wenig Text. Ein Newsletter, den man abonnieren kann, derzeit kein Hinweis auf eine Veranstaltung. Dabei gab es derer schon zwei: Eine erste vor dem Planetarium und eine im Café zum Thema „Wie gehst du mit Stress um?", bei der sich eine kleine, aber interessierte Gruppe zusammengefunden hat. Die nächsten Zusammentreffen sind in Planung.
„Wir sind noch in einer absoluten Findungsphase und zahlen noch viel Lehrgeld“, sagt Goebel. „Wir probieren aus und machen Erfahrungen, die uns dann wieder neu denken lassen.“
Wie erreicht man die Menschen?
Die Grundidee ist jedenfalls: Gottesdienst zu feiern, bei dem möglichst wenig vorgegeben ist. Eine kleine Andacht als „Input", Predigt und Gebet, manchmal ein kurzer Segen. „Es gibt auch Überlegungen, einen größeren Schwerpunkt auf Kollekte zu legen und zu zeigen, dass die Kirche gute Dinge tut“, sagt Goebel, der derzeit in der Gemeinde Hamburg-Bramfeld arbeitet.
Problem ist noch, die Menschen zu erreichen, die eben normalerweise nicht mit einer Kirchengemeinde in Kontakt sind. „Auf lange Sicht werden wir versuchen, mit möglichst vielen Leuten über den Newsletter und Social Media in Kontakt zu kommen“, sagt Goebel. Das jetzige Angebot auf Facebook und der Website sei noch nicht das Ende der Fahnenstange. Seine Vision ist, dauerhafte Kontakte etwa mit Café- oder Clubbesitzern aufzubauen, sodass man immer mal wieder an diesen Orten spontan „Popupchurch“-Gottesdienst feiern könnte. Und dann das Angebot auszuweiten. „Ich träume davon, dass man auf die Webseite oder eine andere Plattform geht und dann dort eine Karte oder eine Veranstaltungsliste hat, die zeigt, wo Kirche in nächster Zeit in meiner Nähe aufpoppt“, sagt der Vikar. „Und dass man dann sieht, welches Angebot einen anspricht.“
Gemeinschaft über eine App
Ein ähnliches Format gibt es auch bereits in anderen Ländern - im US-amerikanischen Phoenix etwa hat ein Pastor bereits vor gut zwei Jahren eine Popupchurch ins Leben gerufen, um gerade die Altersgruppe für Kirche zu begeistern, die sich dort wenig blicken lässt - die sogenannten „Millenials“, also jene, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts geboren worden sind. Sie verbinden sich untereinander über eine App. Auch in der anglikanischen Kirche im australischen Sydney gibt es Feldversuche. Doch immer wieder poppt mit der Popupchurch bei ihnen auch die Frage auf: Kann etwas, das so temporär und unverbindlich ist, wirklich dabei helfen, Gemeinschaft aufzubauen? „Unsere Aufgabe ist es, Menschen auf lange Sicht für die große Glaubensfamilie einzunehmen“, sagt der Theologe Archie Poulos. „Aber vielleicht können wir Pop-up-Kirchen als Türöffner verwenden, die sie dazu bringen, mit dem Kirchenleben überhaupt erst richtig in Berührung zu kommen."
Erkenntnisse für die Arbeit in der Gemeinde
Jonas Goebel sieht das ganze Projekt jedenfalls sehr entspannt. Es ist, was es ist: ein spannendes Experiment, eines zum Lernen. „Es kann sein, dass wir das jetzt über zwei, drei Jahre ausprobieren und dann merken, dass es einfach eine Spielwiese gewesen ist“, sagt der angehende Pastor. „Die Idee trägt sich vielleicht nicht, aber wenn wir daraus Erkenntnisse für unsere Arbeit in der Gemeinde gewonnen haben, dann ist das auch ein schönes Ergebnis."