Ein Vermittler mit Faible für Finanzen
26. Februar 2021
Bis der Haushalt der Nordkirche beschlossen werden kann, ist es ein weiter Weg. An deren Ende steht die Einbringung des Haushaltsentwurfs auf der Synode durch ein Mitglied der Kirchenleitung. Diese Aufgabe fällt Malte Schlünz zu. Im Interview erklärt er, wie er zum Finanzexperten der Nordkirche wurde – und welche wesentlichen Änderungen der aktuelle Haushaltsentwurf vorsieht.
Herr Schlünz, Sie bringen als Mitglied der Kirchenleitung den Haushalt auf der Synode ein. Das ist schon aufgrund Ihres Alters bemerkenswert. Wie ist es dazu gekommen?
Ja, für jemanden unter 25 ist das schon etwas ungewöhnlich.Zuvor war ich aber schon seit 2017Kirchengemeinderat in meiner Heimatgemeinde. Als damals für die Landessynodenwahl geworben wurde, hatte mich meine Pastorin darauf angesprochen. Und wie das so ist bei Ehrenamtlichen: Sie können schlecht nein sagen. Also habe ich mich auch für die Landessynode aufstellen lassen und bin gewählt worden. Ursprünglich habe ich dort den Digitalisierungsausschuss mitinitiiert und war im Rechnungsprüfungsausschuss. Etwa ein Jahr danach stand die Wahl der Kirchenleitung an. Eigentlich war mir das zu viel – ich habe damals dual studiert – aber nachdem mich jemand aus dem Nominierungsausschuss angesprochen hatte, dachte ich: Ich kann es ja mal versuchen.
Und wie wurden Sie da zum Finanzexperten?
Innerhalb der Kirchenleitung haben wir sogenannte Kontaktpersonen zu den einzelnen Dezernaten des Landeskirchenamtes benannt, um über aktuelle Themen im Gespräch zu bleiben. Und ich bin die Kontaktperson zum Finanzdezernat geworden, wodurch ich dann jetzt auch dazu komme, neben anderen Vorlagen auch den Haushalt in die Synode einzubringen.
Sind Sie denn beruflich auch im Finanzwesen oder machen Sie etwas anderes?
Also beruflich bin ich Anwendungsberater für Systemintegration. Für den Laien sage ich immer, dass ich zuständig bin für Datenautobahnen zwischen verschiedenen betrieblichen Anwendungen/Systeme. Studiert habe ich Wirtschaftsinformatik.
Crashkurs in Finanzen
Ich stelle mir den Sprung vom Kirchengemeinderat zur Landessynode durchaus herausfordernd vor…
Ja, das war er. Der offensichtlichste Unterschied ist, dass ich mich deutlich mehr mit Gesetztestexten beschäftige.
Allerdings macht es auch im Finanzbereich einen Unterschied, ob man einen Haushalt mit rund 700.000 Euro aufstellt oder einen mit insgesamt mehr als 500 Millionen Euro. Ich habe glücklicherweise eine gute Unterstützung vom Finanzdezernat, welches mir auch bei der hundertsten Frage noch kompetent antwortet. Besonders geholfen hat mir, dass kurz nachdem ich Kontaktperson für das Finanzdezernat geworden bin, einen Crashkurs in Sachen landeskirchliche Finanzen bei der jetzigen Leiterin – Heike Hardell – hatte.
Dann können Sie es ja jetzt mir als Laien erklären: Welche Schritte sind im Wesentlichen nötig, bevor Sie den Haushalt einbringen können?
Dafür muss ich etwas weiter ausholen, um das Gesamtgerüst zu erklären. Also: Die Landeskirche bekommt die Kirchensteuern sowie andere Einnahmen wie zum Beispiel die Staatsleistungen und den EKD-Finanzausgleich zur Verteilung.
Aus allen eingehenden Mittel werden anschließend im ersten Schritt sogenannte Vorwegabzüge entnommen, etwa für die Versorgung von Pastoren. Von dem, was übrigbleibt, gehen 81,28 Prozent an die Kirchenkreise und 18,72 Prozent an die Landeskirche. Vom landeskirchlichen Anteil entfallen wiederum 45 Prozent auf den Bereich Leitung und Verwaltung und 55 Prozent auf die sieben Hauptbereiche.
Der Anteil für die Kirchenkreise wird anhand ihrer Gemeindegliederzahl, Wohnbevölkerung und ihrem Bauvolumen berechnet. Über den Anteil, den die Kirchenkreise erhalten, entscheiden sie selbst im Rahmen der jeweiligen Kirchenkreissatzungen. Heißt: Für welche Aufgaben sie ihre Anteile einsetzen, liegt in ihrer Finanzhoheit.
Diesmal keine schwarze Null
Die Hauptbereiche erhalten Budgets für ihre Aufgaben. Sie erhalten ihre Anteile nach festgelegten Prozentschlüsseln und können aufgabenbezogen und orientiert an der zielorientierten Planung entscheiden, wie sie die Mittel einsetzen. Diese Haushalte werden, da sie Teil der Landeskirche sind, durch den synodalen Finanzausschuss im Namen der Synode festgestellt. Im Normalfall planen die Hauptbereiche so, dass am Ende eine schwarze Null steht oder ein Überschuss entsteht. Dies ist in diesem Jahr nicht überall so.
Außerdem werden die durch den Bereich Leitung und Verwaltung angemeldeten Bedarfe durch das Finanzdezernat zusammengetragen. Anschließend erstellt das Finanzdezernat eine erste Abschätzung, die in einer gemeinsamen Beratung mit dem Finanzausschuss, der Kirchenleitung und dem Finanzbeirat beraten wird. Daraus eingehende Erkenntnisse werden in den ersten Haushaltsentwurf eingearbeitet, welcher dann durch das Kollegium des Landeskirchenamtes, die Kirchenleitung und den Finanzausschuss unabhängig voneinander beraten werden.
Im Anschluss werden sowohl die Ergebnisse aus dieser Beratung als auch die Haushaltsansätze der Hauptbereiche eingearbeitet. Dieser zweite Entwurf geht dann in die zweite Beratungsrunde und bei entsprechender Beschlussfassung der Gremien anschließend in die Synode. Die Kirchenleitung ist laut Kirchenverfassung für die Einbringung zuständig und bestimmt jemanden aus ihren Reihen eine Person, die das übernimmt. Das bin in diesem Fall ich. Nach der Einbringung der Kirchenleitung nimmt der Finanzausschuss dazu Stellung. Das übernimmt normalerweise der Vorsitzende, Michael Rapp. Die Synode kann ihn dann beschließen, ändern oder ablehnen. In der Regel nimmt sie ihn aber an.
Personalkosten steigen bei sinkenden Einnahmen
Und was ist in diesem Jahr die besondere Problematik dabei?
In diesem Jahr ist besonders, dass sich die Einnahmesituation durch die Covid-19 Pandemie geändert hat. Man muss sagen, dass wir in den letzten Jahren – abgesehen von der Wirtschaftskrise 2007/08 – dankenswerterweise Einnahmesteigerungen hatten. Maßgeblich aufgrund von Lohn- und Einkommenssteigerungen und den Kapitalerträgen unserer Mitglieder. Das Problem ist jetzt, dass die Corona-Pandemie zu Einkommensausfällen und damit auch zu weniger Kirchensteuern führt. Gleichzeitig aber die Kosten – insbesondere Personalkosten – weiter steigen.
Was sind die wesentlichen Veränderungen dieses Jahr für die Landeskirche?
Konkret lassen Sie mich das an drei Veränderungen festmachen:
Die erste Veränderung ist, dass der Rückgang der Kirchensteuereinnahmen sich in allen Bereichen auswirkt. Im Bereich Leitung und Verwaltung gleichen wir daher den Fehlbetrag in Höhe von 3,2 Millionen Euro durch Entnahmen aus der freien Rücklage sowie der Ausgleichsrücklage aus. Alle Bereiche waren angehalten, ihre Haushalte sehr zurückhaltend zu planen, das heißt, dass nur zwingend notwendige Kostensteigerungen zu berücksichtigen waren und Investitionen nur soweit die Finanzierung aus Rücklagen erfolgen kann.
Zweitens sieht der Haushaltsentwurf vor, dass bei freiwerdenden Stellen eine Pflichtvakanz von sechs Monaten einzuhalten ist. Es gibt es Ausnahmefälle, in denen von der Pflichtvakanz abgesehen werden.
Zuletzt und drittens wird die Liquiditätssteuerung gerade im Hinblick auf Verwahrentgelte, variierende Einnahmen und zu realisierende Zinserträge anspruchsvoller. Auch im Hinblick auf ungleichmäßig zufließende Kirchensteuereingänge soll zur Aufrechterhaltung der kurzfristigen Liquidität der Rahmen auf 15 Millionen Euro erhöht werden, so dass für eine Überbrückung von nur wenigen Tagen keine Geldanlagen aufgelöst werden müssen.
Ziel: ein ausgeglichener Haushalt ohne Rücklagen-Entnahme
Wie wird mit den Mindereinnahmen mittelfristig umgegangen?
Wie bereits ausgeführt, müssen wir für diesen Haushalt eine Entnahme aus der freien Rücklage und Ausgleichsrücklage vorsehen, um die Mindereinnahmen zu kompensieren und einen Haushaltsausgleich herbeiführen zu können. Über die nächsten Jahre, möchten wir wieder zurück zu ausgeglichen Haushalten ohne Entnahme aus der Ausgleichsrücklage gelangen. Dazu wird auch der bereits im Dezember 2020 gestarteten Zukunftsprozess Horizonte5 beitragen. Bei diesem machen wir uns gemeinsam auf den Weg, wie wir die von unseren Mitgliedern aus gutem Grund erwarteten Angebote weiterhin wahrnehmen.