Es braucht Frauenhäuser, um den Start in ein gewaltfreies Leben zu erleichtern
10. Dezember 2024
200 Plätze fehlen in Hamburger Frauenhäusern, wenn man die Europaratskonvention zum Schutz vor häuslicher Gewalt ernst nimmt. Die fehlenden Zufluchtsorte bedeuten verpasste Chancen auf ein gewaltfreies Leben. Nicht nur für Frauen, sondern auch für ihre Kinder.
Aktuell werden in Hamburg, aber auch in anderen Bundesländern deutlich weniger Plätze finanziert als benötigt werden. „Es ist eine bedrohliche Situation“, sagt die Hamburger Diakonie- und Landespastorin Annika Woydack. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.
Kinder leiden mit
Denn die Frauen, die unter der Notrufnummer um Aufnahme ins Frauenhaus bitten, sind von ihrem Partner körperlich angegriffen worden und einer akuten Gefahr ausgesetzt. Zu den körperlichen Schmerzen kommen seelische. Besonders gravierend ist die Belastung, wenn jemand Kinder hat.
Beim bundesweiten Hilfetelefon finden Betroffene unter der kostenlosen Nummer 0800 116 016 vertraulich, anonym und rund um die Uhr Hilfe.
„Kinder sind immer mit betroffen von der Gewalt“, sagt Svenja Schröder*, Sozialpädagogin in einem Hamburger Frauenhaus der Diakonie. „Sie bekommen sie immer mit. Auch die Jüngsten.“ Selbst wenn sie selbst nicht geschlagen oder bedroht würden, litten sie. „Gewalt gegen die Mutter miterleben zu müssen, ist auch eine Form von Gewalt.“
Was zählt, ist die Perspektive der Frau
Im Frauenhaus erlebten die Betroffenen häufig zum ersten Mal, dass ihnen uneingeschränkt geglaubt wird. „Wir stellen die Geschichte der Frau nicht infrage. Wir nehmen an, was sie uns erzählen. Und das ist wichtig“, erläutert Schröder.
Denn nicht selten gebe es von Seiten der Täter Gegendarstellungen und Bemühungen, über die Kinder bzw. den Weg über das Jugendamt weiter Druck und Kontrolle auf die Frauen auszuüben.
Oberstes Gebot im Frauenhaus sei es deshalb, den eigenen Aufenthaltsort niemandem preiszugeben. Wer dagegen verstoße, gefährde sich und andere und müssen gehen, erklärt die Sozialpädagogin.
Im schlechtesten Fall bedeute das eine erneute Gewaltspirale. Denn nur wenige finden kurzfristig bezahlbaren Wohnraum. Die Frauenhausmitarbeiterinnen versuchten deswegen stets in andere Frauenhäuser zu vermitteln – oft gebe es schlichtweg aber keine Plätze.
Zusammenleben wie in einer WG
Der Mangel an günstigen Wohnungen in Hamburg und Umgebung verschlimmere diese Knappheit sogar noch: Denn oft bleiben Frauen auch deswegen mehrere Monate in der Notunterkunft, weil sie kein finanzierbares, neues Zuhause fänden.
Im Frauenhaus der Diakonie unterstützt eine eigens dafür eingesetzte Honorarkraft die Frauen bei der Wohnungssuche. Bis zum Auszug leben die Frauen und ihre Kinder im Frauenhaus wie in einer Wohngemeinschaft.
„Meistens hat eine Familie ein Zimmer. Wir haben aber auch alleinstehende Frauen, die sich ein Zimmer mit einer anderen Bewohnerin teilen müssen. Das Bad wird ebenfalls geteilt. Und es gibt eine große Gemeinschaftsküche für alle. Da kann man sich natürlich schon vorstellen, dass da die Konflikte ein bisschen vorprogrammiert sind“, sagt Schröder.
Frauen stützen sich gegenseitig
Genauso gebe es aber auch viele schöne Momente, etwa wenn sich die Frauen gegenseitig stärken. „Es schweißt zusammen, wenn man ähnliche Erfahrungen gemacht hat“, ist Svenja Schröder überzeugt. Gleichzeitig versuchen die Sozialpädagoginnen, tolle Erlebnisse zu schaffen, die einfach Spaß machen.
Dazu zählen etwa Adventsnachmittage, Ausflüge und Ferienprogramme. „Das ist ja unser Ziel, dass es bergauf geht“, sagt Schröder. Am Ende gehe es darum, dass die Frauen ihr Leben wieder selber in der Hand nehmen.
Am schönsten sei für sie daher jedes Mal der Augenblick des Umzugs in eine eigene Wohnung. „Wenn man dann mit der Frau gemeinsam die Kisten hochgeschleppt hat und sieht, wie sie sich dort eingerichtet hat und sich über den eigenen Raum freut – das ist dann ein sehr besonderer Moment.“
*Name von der Redaktion aus Sicherheitsgründen geändert