12. Mai 2024 | St. Pankratius Kirche, Hamburg Ochsenwerder

Festgottesdienst 350 Jahre St. Pankratius Kirche

15. Mai 2024 von Kirsten Fehrs

Predigt von Bischöfin Kirsten Fehrs über Johannes 7, 37-39

Liebe Festgemeinde!

Sieben Tage haben sie gefeiert – und nun kommt der Höhepunkt!

Sieben Tage haben sie für die Ernte gedankt, Jesus und seine Jünger und alle Dörfer und Städte im Heiligen Land. Richtig krachen haben sie’s lassen damals in Jerusalem, alles für die Ernte – mit Laubhütten und Wein, Pauken und Trompeten. Eben weil eine reiche Ernte einfahren zu können, überhaupt nichts Selbstverständliches ist. Damals wie heute. Das muss man feiern! Dort wie hier. Mit Lob und Dank für unseren Gott. Denn gerade wir Landleute, allemal hier in den Marschlanden wissen doch, wie abhängig man ist von Regen und Sonne und Segen. Von guter Erde und einem gnädigen Himmel.

Und der zeigt sich heute von seiner allerbesten Seite. Ist ja auch Muttertag. Und Mutter Kirche in Ochsenwerder hat dazu auch noch Geburtstag – 350 Jahre hat diese alte Dame auf dem Buckel, und hat sich wahrlich großartig gehalten. Und so liebevoll hat sie uns gehalten. In Not und Freude, Schmerz und Leichtigkeit.

Und also feiern auch wir ausgiebig wie die in Jerusalem damals. Mindestens sieben Tage in fast sieben Monaten. Und mehr noch: Die Einladung zu diesem Jubiläum erreichte mich original bereits am 28. April 2021! Gewiss, Sie sind hier in Ochsenwerder ja immer Ihrer Zeit voraus, aber der eigentliche Anlass war, dass man 2021 eigentlich gern 777 Jahre Kirchspiel Ochsenwerder feiern wollte. Hätte da nicht die Pandemie einen Strich durchs Fest gemacht. Und so habe ich am 7. Mai 2021 zugesagt, heute hier zu sein, am 12. Mai, dem Tag des heiligen Pankratius. Zum Jubelfest, auf das ich mich nun hinreichend vorbereiten konnte, so etwa drei Jahre lang.

Und dies von Herzen gern, weil‘s heute letztlich auch ein Erntefest ist. Denn 350 Jahre St. Pankratius zu Ochsenwerder – das bedeutet Kostbarkeit die Fülle in dieser Schatzkammer der Marschländer Tradition. Schauen wir uns um. Was ist in dieser Gemeinde alles gewachsen seit 1673/74, seit diese wunderschöne Kirche mittenmang im Dorf die Menschen segnet. Wenn das keine reiche Ernte ist.

Und die gehört gefeiert, klar, auch hier mit Pauken und Trompeten und dem Posaunenchor Marschlande, mittenmang. Mittenmang wie beim Deutschen Evangelischen Posaunentag vergangenes Wochenende in Hamburg.

Wart ihr dabei? Sensationell, oder? Über 17.000 Bläser und Bläserinnen, ich wusste gar nicht, wie großartig so viel Blech klingt! Ganz Hamburg war berührt von dieser vielfältigen Gemeinschaft der Friedliebenden und Hoffnungsmutigen, die unbeirrt den Ton der Zuversicht in die Gesellschaft hineintragen! So nötig ist dieser Hoffnungsklang in diesen Zeiten mit ihren Kriegen und Krisen. Und deshalb seid ihr so wichtig. Und deshalb ist Mutter Kirche so unverzichtbar, nach wie vor, allen Abgesängen zum Trotz. Weil sie eben Posaunenchöre hervorbringt und weil ihre Musik die Herzen erreicht und nicht nur die Ohren. Weil sie für unabdingbare Menschenwürde steht. Weil sie Nächstenliebe lebt und mittenmang in sozialer Kälte Wärme ausstrahlt. Ganz nach dem Motto des Posaunentages: Man tutet, was man kann! In Ochsenwerder 350, nein 780 Jahre schon.

Und also: 780 Jahre Kirchspiel und 350 Jahre St. Pankratius samt sagenhaft schöner Arp-Schnitger-Orgel, das gehört alles zusammen an diesem Jubiläum. Um zu erinnern, was die Welt zusammenhält. Diese zerbrechliche Welt, die derzeit so aus den Fugen ist. Was könnte uns alle besser gründen und halten als das Evangelium selbst? Das Fundament unserer Kirche – und, mag sein, deines Lebens. Diese frohe Botschaft, mit der Jesus uns die Hand reicht und spricht: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“

Ströme lebendigen Wassers – davon wissen wir Küsten- und Elbe-Menschen wahrlich genug. Wir wissen, dass Wasser das Lebenselixier schlechthin ist, klar, ohne Wasser kein Leben. Kein Garten. Kein Gemüse. Und zugleich: Wasser in Strömen kann Fluch sein. Das haben wir ja just vor ein paar Monaten gar nicht weit von hier erlebt. Ernten können ertrinken – und die Speisekammer Hamburgs war nicht immer Quelle der Fülle. Deiche können brechen; immer noch sitzt die eisige Sturmflut 1962 im kollektiven Gedächtnis. Und dennoch: Wir leben in einem so reichen Land, gerade wenn wir uns gewahr werden, dass weltweit 850 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Die Kriege der Zukunft werden vor allem Kriege ums Wasser sein, das ist glasklar. Und so ist Wasser nicht nur ein kostbares Lebensmittel, sondern Menschenrecht. Recht, nach dem Unzählige auf dieser Erde dürsten.

Ströme lebendigen Wassers. Sie liegen uns hier zu Füßen. Und mehr noch: das Evangelium spricht bildhaft davon, dass sie aus unseren Herzen hervorströmen, aus uns, die wir glauben. Ein so großes Zutrauen spricht daraus. Zu uns, die wir doch auch Zweifel kennen und Angst, Gottesferne und Glaubensdurst. Allemal, weil derzeit eigentlich alles im Fluss ist und man so verunsichert ist und nicht weiß, was die Zukunft bringt. In Europa, in der Welt und in unserem Land, aber auch in unserer Kirche. Ich weiß: Vielen macht das alles Sorgen. Dass in unserem Land rechtsextreme Parolen, dass Gewalt und Hetze zunehmen. Gute Güte, wenn jetzt schon Politiker demokratischer Parteien auf der Straße zusammengeschlagen werden! So klar doch ist, dass es demgegenüber eine Gemeinschaft der Gutwilligen und Friedensfreundlichen braucht, ein stabiles Wir, das zur Demokratie hält, gerade jetzt.

Und das heißt auch: Sich am 7. Juni in Hamburg für die Demokratie zu zeigen und auf die Straße zu gehen. Auch wenn mir klar ist, dass wohl nur die Wenigstens hier normalerweise auf Demonstrationen gehen würden. Aber nützt ja nix. Jetzt gilt: Wir! Wir werden mit unserer unbeirrbaren Nächstenliebe gebraucht, liebe Christengeschwister, mittenmang in dieser Gesellschaft braucht’s unsere Kraft, das Böse mit dem Guten zu überwinden.

Doch: Woher die Kraft nehmen, fragen sich viele, wenn wir als Kirche immer kleiner werden und mit immer weniger Leuten immer mehr Aufgaben stemmen müssen?

Dabei berührt mich zuallererst immer, dass so viele es stemmen wollen, dass sie unsere Kirche halten wollen, die im Dorf bleiben muss. Denn wir wissen: Diese Kirchenmauern hier schützen Werte, die elementar sind für unser Zusammenleben heute! Die Kirche gibt der Seele ein Zuhause. Hier spricht das Friedensgebet unbeirrbar aus, dass man sich nicht abfinden wird mit Hass und all den Weltverwundungen. Hier ist Ruhe und Klarheit, um Kraft zu schöpfen für die vielen Veränderungen, die uns bisweilen rasant ins Schleudern bringen. Hier heißt es: Wen da dürstet, der trinke – Jesus, meine Zuversicht.

Und ich denke daran, wie lange Zeit schon Mutter Kirche existiert, und wie sie – anfangs klein, dann größer, dann wieder kleiner – eines nie verloren hat: die Beständigkeit der Hoffnung. Sie hat Generation für Generation ermutigt zu glauben, Vertrauen zu fassen, dass das Leben letztlich siegt. Als ein großes Dennoch inmitten von Kriegen, Pest, Missernten und Verstörung.

Die Hoffnung hat den Menschen gehalten wie einen Anker, mittenmang von Zweifel und Entmutigung, bis heute hin, in diesen kritischen Tagen. Denn sie sagt: Es gibt immer ein Darüber hinaus! Eine Hoffnung, die eben nicht zuletzt stirbt, sondern die bleibt. Unsere christliche Hoffnung ist ja nicht deshalb da, weil gerade alles so toll läuft, sondern sie bleibt, weil gerade vieles gar nicht gut läuft. Dieser trotzigen Hoffnung wurde hier ein Haus gebaut. Gottes Haus. Damit wir leben und nicht dürsten.

Und mir geht durch den Sinn, wie es den Menschen gegangen sein mag, die über die Jahrhunderte hin auf diesen Kirchenbänken gesessen haben, im Herzen bewegt von der Freude über die glückliche Geburt und die Liebe des Lebens, die an diesem wunderschönen Altar den Segen empfangen haben. Bewegt aber auch vom Kriegstoben, von Schuld, Zweifel oder Sterbensangst. Hier wurden – und werden – sie alle geachtet, aufgerichtet, hier wird der Mensch ins Gebet genommen. Und das über Generationen hinweg. Nicht umsonst spricht man bei solch alten Kirchen von durchbeteten Räumen. Die uns mit schützenden Mauern umgeben und einen erinnern, dass die reichste Ernte im Leben die Liebe ist. Und die – Sinn gestiftet zu haben.

Das ist gemeint mit den Strömen lebendigen Wassers. Die eben genau unserem Lebensdurst entspringen. Ströme der Liebe, die aus mir hervorgehen, weil ich an etwas anderes glaube als ausschließlich an mich selbst. Daran nämlich, dass Gott ein erfülltes Leben für mich will. Mit Zuneigungen, Musik, Freundschaft, Sinn. Und Sinn, liebe Geschwister, der entsteht nicht im Ich. Er entsteht im Wir. Sinn zu stiften schließt immer die Nächsten mit ein. Ob ich nun jemandem Trost spende oder mit Geflüchteten ein Café betreibe, ob ich eine Stiftung gründe oder hier in Ochsenwerders Garten Eden gesundes Gemüse anbaue, ob ich im Kirchengemeinderat mitarbeite oder in der Schola singe, ob ich im Plattdütschen Krink das Niederdeutsche schütze und Geschichtsausstellungen anbiete oder Frauenabendbrot, das alles geschieht letztlich für andere, um ihnen Kraft zu geben. Kraft, die man spüren, aber nicht unbedingt sehen kann. Lebenskraft, die deshalb eine Sprache braucht, die die Menschen heute verstehen.

Genau darum geht es am heutigen Sonntag Exaudi. Aufhorchen – auf genau diese Sprache der Glaubenskraft. Für mich spricht sie in den Worten und Gesten des Segens. So sehr dürsten die Menschen nach Segen. Heute. Wie damals. Als sich nämlich Jesus endgültig in den Himmel verabschiedet hat, just am Donnerstag war das, tut er eines: Er segnet alle. Sagt ihnen, die so unsicher sind und sich fragen, was ohne ihn werden wird: Habt keine Angst. Ich bin bei euch, auch wenn ihr mich nicht seht. Ich bin euch nahe in euren Herzen als helle Aussicht. Herzensweite. Als Quelle der Kraft. Und dann verheißt Jesus mitten im Segnen und im Abschied die Geburt von etwas Neuem: die Geburt von Mutter Kirche. Nächsten Sonntag wird unsere Kirche fast 2.000 Jahre alt! An Pfingsten, wo der Geist der Versöhnung kräftig die Unterschiede aufwirbelt – und sich tatsächlich plötzlich alle mal verstehen! Weil sie auf einmal eine Sprache sprechen. Eine Wir-Sprache. So wie hier in Ochsenwerder …

Und deshalb wird sich heute heftig gefreut. Bedankt. Und vorgefreut. Heißt: Wir kommen aus dem Feiern gar nicht wieder raus. Grund genug haben wir: jede Menge Geburtstage, eine wunderschöne Kirche, hingebungsvolle Christenmenschen, blinkende Posaunen, helle Worte, Muttertag, liebevolle Ehren- und Hauptamtliche, großartige Seelsorger und Pastorinnen über all die Jahrzehnte hin. Danke Ihnen und euch allen für eure Kraft, die ihr einsetzt. Damit hier die Hoffnung lebt. Danke, dass Sie der Hoffnung Boden unter die Füße geben, damit sie beflügeln kann. Zuallererst – und nun zuletzt – mit dem Geist des Friedens, der höher ist als alle Vernunft. Er bewahre eure Herzen und Sinne, an diesem Ort und in dieser Kirche noch viele Jahrhunderte in Christus Jesus, dem wahren Herrn der Welt. Amen.

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